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Nordkorea in Habachtstellung
Staatskrise in Südkorea sorgt in Pjöngjang für Unruhe
Nordkoreas Staatspresse wartete ein paar Tage, ehe sie auf das reagierte, was südlich der Grenze geschehen war. Mitte vergangener Woche dann stöhnte die Nachrichtenagentur KCNA über den »schockierenden Vorfall« um das »Marionettenregime von Yoon Suk-yeol«, das plötzlich »Chaos in ganz Südkorea angerichtet hatte«. Anfang dieser Woche schon legte KCNA nach: Yoon habe gelogen, indem er als Begründung für seine letztlich kurzlebige Ausrufung des Kriegsrechts eine Bedrohung aus dem Norden angeführt hatte.
Der Hintergrund: Am 3. Dezember hatte Yoon Suk-yeol – damals noch Südkoreas Präsident – überraschend das Kriegsrecht ausgerufen. Begründet hatte er diesen Schritt eben damit, dass die liberale Opposition in Südkorea von pro-nordkoreanischen Kräften durchsetzt sei. Doch Yoons Versuch, aus Südkorea eine Diktatur zu machen, scheiterte binnen Stunden. Parlamentarier stürmten das abgeriegelte Parlamentsgebäude, stimmten gegen Yoons Schritt, der damit wieder kassiert wurde.
Staatskrise beim Nachbarn Südkorea
Seither befindet sich Südkorea in einer Staatskrise – die auch dadurch noch nicht besiegelt ist, dass Südkoreas Parlament am vergangenen Samstag die nötige Mehrheit für eine Amtsenthebung Yoons fand. Denn Südkorea wird nun von einem personell löchrigen Kabinett regiert, während das Verfassungsgericht mit dem Fall Yoon befasst ist, gegen den auch noch ein Verfahren wegen Hochverrats anhängig ist. Das Land bereitet sich unterdessen auf Neuwahlen vor. Aber die Zeiten dafür könnten bessere sein.
Die Lage auf der koreanischen Halbinsel ist so angespannt wie seit Jahrzehnten nicht. So besteht nun nicht nur Sorge um die südkoreanische Demokratie. Längst wird darüber spekuliert, ob auch Südkoreas Sicherheit akut bedroht ist. Immerhin befinden sich Nord- und Südkorea seit dem dreijährigen Korea-Krieg ab 1950 – der damals nur in einen Waffenstillstand mündete – formal im Kriegszustand. Südkoreas Ex-Präsident Yoon und Nordkoreas Diktator Kim Jong-un drohten sich zuletzt wiederholt mit Krieg.
Und jetzt ist Südkorea besonders verwundbar. Steht also ein Angriff Nordkoreas bevor wie schon im Jahr 1950? Ein paar Hinweise gäbe es: Im November rief Kim Jong-un sein Militär dazu auf, »alle Anstrengungen auf die Vollendung der Kriegsvorbereitungen« zu fokussieren. Im selben Monat wurde in den USA ein Mann aus China festgenommen, der offenbar Gewehre, Munition und US-Militäruniformen nach Nordkorea schicken wollte, um dort einen Überraschungsangriff auf den Süden zu unterstützen.
Zudem kann sogar Nordkoreas Beteiligung an Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine als so etwas wie eine Vorbereitung auf einen Krieg mit Südkorea betrachtet werden. Laut Schätzungen der USA und Südkoreas hat Nordkorea rund 10 000 Männer zur Verstärkung Russlands geschickt. Anfang der Woche berichteten US-Medien und das ukrainische Militär, bis zu Hunderte von ihnen seien schon getötet – die Nordkoreaner seien schlecht vorbereitet. Der Einsatz aber könnte Trainingswirkung für einen nächsten Krieg haben.
Moon Chung-in, emeritierter Politikprofessor der Yonsei-Universität in Seoul, glaubt dennoch nicht daran. »Nordkorea wird Südkorea nicht angreifen. Aber es kann passieren, dass es zu Eskalationen kommt.« Hier komme die Küstenregion infrage sowie die hoch bewaffnete innerkoreanische Landgrenze. »Im schlimmsten Fall könnte Nordkorea taktische Atomwaffen nutzen.« Dies sind Waffen mit begrenzter Zerstörungskraft. Dann würde es auch von der Reaktion Südkoreas und der USA abhängen, ob ein Krieg ausbreche.
Tatsächlich aber deutet viel darauf hin, dass Nordkorea gar keinen Angriff auf den Süden plant. Nicht zuletzt das längere Zögern der Staatspresse, was eine Bewertung der gescheiterten Kriegsrechtserklärung durch Yoon Suk-yeol betrifft, dient als Hinweis. In Nordkoreas Hauptstadt Pjöngjang zieht man es offenbar vor, die nächsten Entwicklungen abzuwarten. Schließlich ist die Lage auch deshalb so angespannt, weil Yoon auf Konfrontationskurs gegenüber Nordkorea war.
Regierungswechsel in Südkorea könnte Entspannung erleichtern
Der aber ist nun von seinen Aufgaben entbunden. Damit ist ein Szenario zunächst aus dem unmittelbaren Blickfeld gerückt: Als Reaktion auf Nordkoreas personelle Unterstützung von Russlands Krieg gegen die Ukraine hatte Yoon laut insinuiert, künftig die Ukraine mit Waffen aus Südkorea zu beliefern. Bisher gelangt nur humanitäre Hilfe aus Seoul nach Kiew. Im Fall von Waffenlieferungen hatte Russlands Präsident Wladimir Putin damit gedroht, auch Nordkorea stärker militärisch zu unterstützen.
Eine deutliche Mehrheit in Südkorea ist allerdings gegen Waffenlieferungen an die Ukraine, auch um Eskalationen mit Nordkorea vorzubeugen. Sollte bei Neuwahlen nun, wie derzeit erwartet, die liberalere Demokratische Partei gewinnen, würde es vermutlich auch nicht zu Waffenlieferungen kommen. Stattdessen könnte sogar eine neue Phase der Entspannung zwischen Nord- und Südkorea beginnen. Historisch waren es stets die Demokraten Südkoreas, die mit Nordkorea den Austausch suchten.
Unterstützung könnten Südkoreas Demokraten dann vom künftigen US-Präsidenten Donald Trump erhalten, der schon in einer ersten Amtszeit von 2016 bis 2020 die Gespräche mit Nordkoreas Kim Jong-un anstrebte. Nur wären die Vorzeichen diesmal andere: Mit Russland hat Nordkorea heute einen anderen mächtigen Freund. So wird man in Pjöngjang mit viel Selbstvertrauen gegenüber Seoul und Washington auftreten – auch wenn man sich vermutlich keinen Krieg wünscht.
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