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SPD in Berlin: Aufstand der Hinterbänkler

SPD wählt unbekannten Ruppert Stüwe als Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl

Listenplatz eins und zwei der Berliner SPD zur Bundestagswahl: Ruppert Stüwe und Annika Klose.
Listenplatz eins und zwei der Berliner SPD zur Bundestagswahl: Ruppert Stüwe und Annika Klose.

Nach einer turbulenten Landesvertreterversammlung hat die Berliner SPD ihr Personaltableau für die Bundestagswahl bestimmt. Mit besonderer Spannung war vorab auf den ersten Platz der Landesliste geblickt worden. Hier setzte sich der Parteilinke Ruppert Stüwe, der dem Bundestag seit 2021 angehört, gegen Ana-Maria Trăsnea durch, die Anfang 2024 bei der teilweisen Wiederholung der Bundestagswahl ihr Bundestagsmandat verloren hatte.

Trăsnea und Stüwe hatten sich zuvor ein Rededuell geliefert, das es in dieser Form schon länger nicht mehr bei den Berliner Sozialdemokraten gegeben hatte. »Ich möchte Berge versetzen für die, die keine Lobby haben«, sagte Trăsnea in einer Rede, die die sozialdemokratische Seele streichelte. Mit gebrochener Stimme berichtete sie von ihrer Kindheit als rumänische Immigrantin und Tochter einer alleinerziehenden Mutter. »Sie hat hart geschuftet, um uns einen guten Start zu ermöglichen«, erzählte Trăsnea. Im Bundestag wolle sie sich nun für die Interessen von Alleinerziehenden und jungen Menschen einsetzen, so die 30-Jährige.

Der als Favorit ins Rennen gegangene Ruppert Stüwe blieb dagegen eher farblos. In seiner Rede konzentrierte er sich auf politische Inhalte. »Das Thema öffentlicher Nahverkehr ist unserer Fraktion nicht präsent genug«, sagte er. Auch im aktuellen Entwurf für das SPD-Parteiprogramm finde Verkehrspolitik zu wenig Berücksichtigung. Er wolle dafür kämpfen, dass das Deutschlandticket dauerhaft im Angebot der Deutschen Bahn bleibe. Außerdem forderte er ein Programm für kostenlose Schulessen auf Bundesebene.

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Zu der Kampfkandidatur kam es, nachdem der ehemalige Regierende Bürgermeister Michael Müller, der 2021 noch Spitzenkandidat gewesen war, in der vergangenen Woche seinen Verzicht auf den ersten Listenplatz erklärt hatte. Müller hatte vorgeschlagen, dass die Parteilinke Annika Klose die Liste anführen sollte. Klose wiederum verzichtete nach Verhandlungen zugunsten von Stüwe auf den Spitzenplatz. Bei der SPD gilt das »Reißverschlussverfahren«, auf der Liste alternieren also weibliche und männliche Kandidaten.

Mit diesem Manöver hätte sich der linke Flügel um ein Haar verzockt. Auch viele Parteilinke störten sich offenbar daran, dass mit Stüwe ein Mann die Liste anführen sollte, der zudem als eher unscheinbarer Hinterbänkler gilt. Obwohl die Linken eigentlich über eine komfortable Mehrheit bei den Delegierten verfügen, erreichte Stüwe am Ende gerade einmal fünf Stimmen mehr als Trăsnea.

Für Trăsnea gab es trotzdem ein Happy End: Im Duell um den Listenplatz vier gegen die stellvertretende Landesvorsitzende Sinem Taşan-Funke konnte sie sich durchsetzen. Nach den aktuellen Umfragewerten gilt es als wahrscheinlich, dass die Berliner SPD vier Mandate über die Landesliste erringen wird.

Für den zweiten Listenplatz kandidierte Annika Klose ohne Gegenkandidatin. Um den dritten Listenplatz gab es dagegen eine weitere Kampfkandidatur: Der Neuköllner Abgeordnete Hakan Demir trat gegen den bisherigen Platzhirsch Michael Müller an. Demir setzte sich am Ende mit zwölf Stimmen Vorsprung zwar relativ knapp, aber eindeutig gegen Müller durch.

Müller verließ daraufhin sichtlich angefressen die Versammlung. Für den fünften Listenplatz kandidierte er nicht mehr. Da er nun nicht mehr über die Landesliste abgesichert ist, muss Müller in jedem Fall sein Direktmandat in Charlottenburg-Wilmersdorf verteidigen, um dem nächsten Bundestag anzugehören. Bei den Genossen sorgte das Verhalten des langjährigen Landesvorsitzenden neben Verwirrung auch für Erheiterung. »Ich mache mal den Müller«, rief eine Delegierte ihren Genossen zu, als sie schon zu fortgeschrittener Stunde die Landesvertreterversammlung verließ.

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