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Israel greift Häfen und Hauptstadt im Jemen an
Human Rights Watch wirft israelischen Behörden vor, der Bevölkerung willentlich Trinkwasser vorzuenthalten
Tel Aviv/Sanaa. Die israelische Luftwaffe hat nach eigenen Angaben als Reaktion auf Raketen- und Drohnenangriffe der Huthi-Rebellen im Jemen Häfen und die Hauptstadt Sanaa bombardiert. Dutzende Kampfjets, Tankflugzeuge und Aufklärungsmaschinen seien bei insgesamt zwei Angriffswellen gegen die rund 1700 Kilometer entfernten militärischen Ziele im Einsatz gewesen. »Wir haben damit auf die wiederholten Angriffe der Huthi auf zivile Ziele in Israel reagiert«, sagte Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu.
Alle drei wichtigeren Häfen der Huthi-Miliz seien getroffen und lahmgelegt worden, sagte ein Armeesprecher. Über die Häfen sollen nicht nur Waffen aus dem Iran ins Land kommen, sondern auch internationale Hilfslieferungen für die Bevölkerung in dem Bürgerkriegsland. Erstmals sei zudem auch die Hauptstadt Sanaa angegriffen worden, wo die Energieinfrastruktur getroffen worden sei, sagte der Militärsprecher.
Laut Huthi-nahen Medien wurden bei den Angriffen neun Menschen im Westen des Landes getötet. Sieben Todesopfer habe es bei einem Angriff auf den wichtigen Hafen Salif, zwei bei Angriffen auf eine Ölanlage in Ras Isa gegeben, meldete der Huthi-nahe Fernsehsender Al-Masirah.
Raketenteile stürzten in Schule
Zuvor hatte Israel in der Nacht einen Raketenangriff der Huthi-Rebellen im Jemen abgewehrt. Israelischen Armeeangaben zufolge waren die Angriffe im Jemen aber keine direkte Reaktion darauf, sondern schon länger geplant gewesen. Die Huthi-Miliz erklärte, der Angriff habe zwei »militärischen Zielen« in Israel gegolten. Teile der abgefangenen Rakete stürzten in eine Schule bei Tel Aviv, sodass diese teilweise einstürzte. Weil der Angriff früh am Morgen geschah, gab es keine Opfer.
Auch im Gazastreifen setzte Israel seine Angriffe fort. Die Armee hat nach Darstellung des Gesundheitsministeriums im Gazastreifen mindestens zehn Menschen bei Angriffen getötet. Am Morgen seien Wohnhäuser und das Kamal-Adwan-Krankenhaus in Beit Lahia im Norden des Küstenstreifens beschossen worden. Der Direktor des Krankenhauses, Hussam Abu Safeia, sagte der palästinensischen Nachrichtenagentur Wafa, dabei sei die Intensivstation durch einen Brand zerstört worden. Die israelische Armee bezeichnete den Bericht auf Anfrage als falsch. Weder in der Nacht noch am Morgen habe es in der besagten Gegend israelische Angriffe gegeben.
Erneuter Völkermordvorwurf an Israel
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) hat Israel indes vorgeworfen, »Völkermordhandlungen« im Gazastreifen zu begehen. Die israelischen Behörden enthielten der Bevölkerung auf »systematische Art und Weise« Wasser vor, was »wahrscheinlich Tausende Todesfälle verursacht hat«, kritisierte die Organisation in einem am Donnerstag vorgestellten Bericht. Israel erwiderte, der Bericht sei »voller Lügen«, und beschuldigte HRW, »antiisraelische Propaganda« zu verbreiten.
HRW führt an, Israel habe absichtlich Wasser- und sanitäre Anlagen beschädigt, darunter Solaranlagen für ein Klärwerk, ein Wasserspeicher und ein Lagerhaus für Ersatzteile. Zudem habe Israel die Lieferung von Treibstoff für Generatoren und Ersatzteile blockiert sowie den Strom gekappt.
Damit hätten die israelischen Behörden »der palästinensischen Bevölkerung im Gazastreifen absichtlich Lebensbedingungen auferlegt, die geeignet waren, ihre physische Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen«. Dies käme dem Kriegsverbrechen der »Vernichtung« und »Völkermordhandlungen« gleich.
Israel spricht von »blutiger Verleumdung«
Israel warf der in New York ansässigen Organisation vor, erneut »blutige Verleumdung« zu betreiben. Die im Bericht enthaltenen »Lügen« seien »selbst für die ohnehin niedrigen Standards von HRW entsetzlich«, erklärte das israelische Außenministerium. Israel habe seit Kriegsbeginn trotz ständiger Angriffe durch die radikalislamische Hamas »den kontinuierlichen Fluss von Wasser und humanitärer Hilfe nach Gaza ermöglicht«, hieß es weiter.
Parallel zum Krieg laufen die Gespräche über eine Waffenruhe weiter. Die schwierigen Verhandlungen sind nach Angaben aus ägyptischen Sicherheitskreisen in einer finalen Phase. Ein Deal, der auch zur Freilassung israelischer Geiseln führen soll, könnte innerhalb von zehn Tagen erreicht werden, hieß es. Es habe in allen noch offenen Fragen Fortschritte gegeben.
Gespräche über Waffenruhe in Gaza
Eine ägyptische Delegation ist demnach am Morgen in Katars Hauptstadt Doha aufgebrochen, um Vertreter aus Israel und den USA für die Verhandlungen zu treffen. Bei der Gesprächsrunde in Doha gehe es nun noch um die Rolle internationaler Institutionen, die die Umsetzung des angestrebten Abkommens überwachen sollen, hieß es aus den Sicherheitskreisen weiter.
Die Waffenruhe soll zunächst 60 Tage dauern, wobei israelische Soldaten in einigen Gebieten im Gazastreifen stationiert bleiben würden. Die aus Israel entführten Geiseln werden schrittweise freigelassen, hieß es weiter. Israelische Medien hatten zuvor gemeldet, es sei unter anderem zu klären, welche palästinensischen Häftlinge aus israelischen Gefängnissen im Gegenzug für die aus Israel entführten Geiseln entlassen würden. Bestimmte Straftäter sollen israelischen Berichten zufolge in Ländern wie der Türkei oder Katar unterkommen. Agenturen/nd
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