Anschlag in Magdeburg: Die AfD ist der Stichwortgeber

Christian Klemm befürchtet, dass sich die Migrationsdebatte in Deutschland nach dem Attentat von Magdeburg weiter verschärft

Kerzen und Blumen für die Opfer des Anschlages in Magdeburg
Kerzen und Blumen für die Opfer des Anschlages in Magdeburg

Die Stimmung am Freitagabend war ausgelassen: Menschen tummeln sich an den Glühweinständen, Kinder mit Lebkuchenherzen streifen durch die Gegend, Weihnachtslieder werden hier und da angestimmt. Dieses Treiben wurde von einem Mann mit saudischer Herkunft jäh beendet. Mit einem Auto raste er durch die Menschenmenge auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt. Mehrere Menschen starben, darunter ein Kleinkind.

Die Bluttat erinnert an das Attentat auf dem Breitscheidplatz in Berlin, das sich vor fast genau acht Jahren ereignete. Damals tötete ein Tunesier 13 Menschen, die Mordwaffe: ein Sattelschlepper. Dieses Mal war der Täter kein Islamist, sondern ein Sympathisant der AfD und artverwandter »Patrioten«. Das zeigen Nachrichten, die er in jüngster Vergangenheit in den sozialen Netzwerken gepostet hat. Mal ist da von einer angeblichen Islamisierung Deutschlands die Rede, mal fordert der Attentäter die Hinrichtung von Angela Merkel. Die Ex-Kanzlerin ist als Persona non grata in rechten Kreisen gebrandmarkt, weil sie 2015 die deutschen Außengrenzen für Flüchtlinge geöffnet haben soll. Was natürlich Blödsinn ist: Merkel hat damals die Grenzen nicht geschlossen; offen waren sie ohnehin.

Die AfD und alle anderen »Islam-Kritiker«, die eine »Umvolkung« und »Islamisierung« durch Muslime aus Afghanistan, Syrien, Irak und Afrika herbeifantasieren, waren die Stichwortgeber für den Attentäter von Magdeburg. So wie die Terrororganisation Islamischer Staat 2016 wesentlich dazu beigetragen hat, dass Anis Amri seinen Lkw in eine Menschenmenge an der Berliner Gedächtniskirche gelenkt hat.

Rechtsextremismus und Islamismus sind nichts Gegensätzliches, auch wenn jeweils die eine Seite vorgibt, die andere zu bekämpfen. Im Gegenteil: Beide Ideologien haben Überschneidungen: Ehre, Tradition, Männlichkeit, Familie – das sind Begriffe, die sowohl von Islamisten als auch Rechten positiv besetzt werden. Und wer diese »Werte« nicht vertritt oder vertreten will, der wird bestraft. Gewalt ist unter bestimmten Umständen legitim und notwendig. Auch das eint Islamismus und Rechtsextremismus.

Beide Ideologien haben eine gemeinsame Agenda: Ihren Vertretern geht es um gesellschaftliche Polarisierung. Die Logik des islamistischen Terrors ist es, dass Muslime unter Generalverdacht gestellt werden. Das soll dazu führen, dass sich Muslime einer radikalen Form des Islams zuwenden. Ähnlich ist es nach dem Attentat vom Freitagabend: Jetzt werden wieder die Rufe lauter, welche die Abschiebung aller Ausländer fordern. Und damit rückt genau das ein Stück näher, was der Attentäter von Magdeburg sich offenbar wünscht: ein Deutschland ohne die »rückständigen« Ausländer aus Afrika und dem Nahen und Mittleren Osten.

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