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Vierschanzentournee der Frauen soll spätestens 2026 kommen
Fehlendes Flutlicht in Innsbruck und die Finanzierung sind die Knackpunkte
Wieder ein Zuschauer-Weltrekord für eine Qualifikation: 16 500 sahen am Samstag die Generalprobe für das Auftaktspringen der 73. Vierschanzentournee in Oberstdorf. Allerdings wurden an der Schattenbergschanze erneut nur die Flüge der Männer um den deutschen Gesamtweltcup-Spitzenreiter Pius Paschke bejubelt. Die Frauen müssen weiter auf die Gleichberechtigung in der Luft warten, allerdings scheint nach jahrelangem Kampf die Premiere ihres Skisprung-Grand-Slams in allen vier Tournee-Orten Oberstdorf, Garmisch-Partenkirchen, Innsbruck und Bischofshofen so nah wie nie zuvor zu sein.
Spätestens bei der 75. Jubiläums-Vierschanzentournee im Winter 2026/2027 dürfte es so weit sein, es gibt sogar »eine kleine Chance« für den nächsten Winter. Das verrät der mit den Verhandlungen vertraute Horst Hüttel, Sportdirektor im Deutschen Skiverband (DSV): »Alle vier Tournee-Orte stehen grundsätzlich zur Vierschanzentournee der Frauen, das war das Ergebnis der letzten Tournee-Sitzung. Die Grundidee ist, das der Damenwettkampf am Qualitag der Herren in die Tournee integriert werden soll. Das wäre aus meiner Sicht der Durchbruch für die Vierschanzentournee der Frauen.«
»Das wäre aus meiner Sicht der Durchbruch für die Vierschanzentournee der Frauen.«
Horst Hüttel Sportdirektor im Deutschen Skiverband
Auch wenn es die grundsätzliche Einigung nach jahrelangen Diskussionen zwischen DSV, Österreichischem Skiverband (ÖSV) und dem Welt-Skiverband (Fis) nun endlich gibt, steckt der Teufel immer noch im Detail. Bedingung für das Okay ist, dass in Innsbruck endlich eine Flutlicht-Anlage errichtet wird. Die legendäre Bergisel-Schanze ist der einzige Tournee-Bakken, wo die noch fehlt. Das künstliche Licht ist die Bedingung dafür, dass das durch die Frauen deutlich verlängerte Programm am Qualifikationstag der Männer zu günstigen Zeiten für die übertragenden TV-Sender durchgezogen werden kann.
Diskutiert wird über das Flutlicht an Innsbrucks Hausberg schon seit mehr als einem Jahrzehnt, bislang wehrten sich jedoch die Anwohner erfolgreich. Doch dieses Problem scheint aus dem Weg geräumt, wie Hüttel erklärt: »Mit den Anrainern gibt es wohl eine Einigung, es muss aber die Finanzierung noch endgültig geklärt werden. Hier hat der ÖSV signalisiert, dass es Ende Januar 2025 eine Entscheidung dazu geben wird.« ÖSV-Sportdirektor Mario Stecher fordert allerdings außerdem, dass auch die anderen österreichischen Weltcuporte wie Villach oder Hinzenbach weiterhin in einem bestimmten Turnus im Fis-Kalender berücksichtigt bleiben.
Auch das schient kein unüberwindbares Hindernis zu sein, doch es geht auch noch ums liebe Geld – schließlich ist die Vierschanzentournee mit ihren Millionenumsätzen das lukrativste Event im gesamten Wintersport neben den Alpin-Rennen von Kitzbühel. »Die Sponsorenrechte, die bei Damen und Herren derzeit noch unterschiedlich geregelt sind, müssen noch geklärt werden – dieses Thema ist sehr komplex. Im Frühjahr 2025 soll dies mit den Agenturen Infront und IMG besprochen werden«, sagt Hüttel: »Die Gespräche mit DSV und ÖSV zu diesem Marketingthema waren sehr konstruktiv.« Auch dass die Weltcup-Veranstaltungen in Deutschland künftig per Zentralvermarktung von der Fis betreut werden, der ÖSV aber seine Events weiter von seiner Agentur verkaufen lässt, sieht Hüttel als lösbar an.
Klingt also, als wäre der Weg zur Vierschanzentournee der Frauen nach vielen Streitereien fast freigeräumt. Das Ganze ist eine komplizierte Geschichte, die sich kurz zusammenfassen lässt: Vor vier Jahren waren die deutschen Tournee-Veranstalter gegen ein eigenes Frauen-Event und die österreichischen dafür. Daraufhin stellte Österreich mit der Silvestertour in Villach und dem slowenischen Ljubno eine Art Ersatz-Tournee auf die Beine, bei der es eine Goldene Eule als Pokal gab. »Die größte Verhöhnung der Frauen mit einer Goldenen Eule statt einem Adler als Preis – das war ja schon von der Körperform eine Beleidigung für die Frauen«, schimpfte der letzte deutsche Tournee-Gesamtsieger Sven Hannawald.
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Nach den negativen Reaktionen stand der ÖSV auf der Bremse und der Deutsche Skiverband pushte mit seiner »Two-Nights-Tour« für die Frauen-Premiere des weltweit größten jährlichen Megaevents im Skispringen. Sie gibt es auch in diesen Tagen mit Springen in Garmisch-Partenkirchen (31. Dezember) und Oberstdorf (1. Januar) – sogar erstmals in der TV-Prime-Time nach 16 Uhr. Allerdings finden die Frauen-Springen an den beiden deutschen Tournee-Orten in umgekehrter Reihenfolge zu den Männern statt – das ist dem ÖSV ein Dorn im Auge. »Wenn wir es machen, dann mit einem richtig guten Produkt und in der gleichen Reihenfolge wie bei den Männern«, hat ÖSV-Sportdirektor Mario Stecher dazu gesagt.
Dass jetzt Licht am Ende des Tunnels aufleuchtet, freut die fliegenden Frauen natürlich – auch wenn sie erst wirklich daran glauben, wenn alle Probleme aus dem Weg geräumt sind. »Wir würden notfalls auch früh um sieben springen, damit es die Vierschanzentournee der Frauen gibt«, sagt die deutsche Springerin Selina Freitag. Auch Hannawald freut sich, dass es bald so weit sein soll: »Es dauert halt seine Zeit, bis so ein großes Thema umgesetzt ist, das muss sich auch entwickeln. Die Two-Nights-Tour in Deutschland ist ein guter Zwischenschritt, weil sie schon mehr Aufmerksamkeit generiert. Und in zwei Jahren könnte dann die Frauen-Vierschanzentournee ihre Premiere feiern.«
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