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Feuerwerk: Umkämpfte Tradition
Wie jedes Jahr wird auch zum Jahreswechsel 2024/25 über ein Verbot von privatem Feuerwerk diskutiert
An Silvester sollen mit Feuerwerk böse Geister vetrieben werden. Zumindest ist das der alte Aberglaube, auf den sich die Tradtion stützt, mit Knallkörpern und Leuchtraketen das neue Jahr einzuläuten. Dieser Brauch ruft allerdings mittlerweile allerhand Kritik hervor. »Das massenhafte Zünden von Böllern und Raketen zu Silvester bedroht Mensch und Umwelt und ist eine massive Ressourcenverschleuderung«, schreibt etwa der Umweltverband BUND.
Die durch die Knallerei ausgelöste Feinstaubbelastung, der verursachte Müll, die zahlreichen durch Pyrotechnik Verletzten und die Folgen für Wild- und Haustiere stoßen nicht nur dem BUND auf. Die Deutsche Umwelthilfe zieht nach der Silvesternacht 2024 Bilanz: Diese sei mit bundesweit fünf Toten so verheerend wie lange nicht. Eine mögliche Konsequenz: Das Verbot der Abgabe an und Benutzung von Feuerwerk durch Privatpersonen, so wie es im gesamten Rest des Jahres ohnehin bereits gilt.
Bundesweit gibt es dabei schon zahlreiche Orte, an denen nicht geböllert werden darf. Diese lokalen Verbote sind aber meistens mit Brand- und Lärmschutz begründet. Bundesweit ist das Abbrennen von Pyrotechnik grundsätzlich in der Nähe von Kirchen, Krankenhäusern, Kinder- und Altersheimen oder von besonders brandempfindlichen Gebäuden oder Anlagen wie Reet- und Fachwerkhäusern verboten. Das führt für viele Städte zu lokalen Verboten.
Aber auch sicherheitspolitische Erwägungen spielen immer wieder eine Rolle. In Berlin sind es vor allem die Sicherheit von Sicherheits- und Rettungskräften, die lokale Verbotszonen begründen. Auch in Stuttgart darf deswegen in der Innenstadt nicht geböllert werden. Um zu verhindern, dass Passant*innen von Feuerwerk getroffen werden, ist etwa in Frankfurt am Main die Zeil in der Innenstadt eine feuerwerksfreie Zone, genauso wie mehrere Brücken über den Main, an dem sich jedes Jahr zahlreiche Leute einfinden, um das neue Jahr zu begrüßen.
An den Berliner Böllerverbotszonen gibt es seit Jahren Kritik. »Feuerwerkskörper sind nicht nur gefährlich für Mensch, Tier und Umwelt, sondern wurden in den letzten Jahren auch für rassistische Debatten instrumentalisiert«, sagt der Neuköllner Linke-Politiker Ferat Koçak. Nachdem es vor zwei Jahren im Süden des Bezirks zu Ausschreitungen gekommen war, wurde die Debatte nicht mehr um Feuerwerk geführt, sondern darüber, welche Vornamen vermeintliche Angreifer hatten. Koçak fordert einen verantwortungsvollen Umgang mit Pyrotechnik.
Die Berliner SPD hingegen geht mittlerweile einen Schritt weiter. Der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Martin Matz, fordert eine Umkehr der politischen Praxis. Nicht mehr Verbotszonen sollen eingerichtet werden, sondern Bereiche, in denen das private Abbrennen von Pyrotechnik erlaubt ist. Ergänzt werden soll das durch »mehr offizielle Feuerwerke und Drohnenshows für begeisterte Zuschauerinnen und Zuschauer«, so Matz. »Der Spaß an Silvester für die Berlinerinnen und Berliner würde dadurch nicht eingeschränkt, sondern sogar größer«, ist sich Matz sicher. Für eine Umsetzung müsste allerdings auch Bundesrecht geändert werden.
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Die Grünen setzen sich seit Jahren für ein komplettes Verbot von privatem Feuerwerk ein. »Solange ein komplettes Verkaufsverbot aus ideologischen Gründen weiter abgelehnt wird, werden wir am Tag nach Silvester nicht mehr tun können, als die Scherben aufzukehren«, sagt etwa Vasili Franco, innenpolitischer Sprecher der Berliner Grünen-Fraktion.
Der Bundesverband für Pyrotechnik und Kunstfeuerwerk hingegen richtet sich vor allem gegen illegales Feuerwerk – die fünf dieses Jahr bekannten Todesfälle wurden alle durch jetzt schon verbotene Pyrotechnik verursacht. »Es ist ein Skandal, wie einfach gefährliche und illegale Laborate in Deutschland online zu beziehen sind«, sagt Vorstandsmitglied Ingo Schubert. Die Produkte würden meist aus dem europäischen Ausland geliefert, seien mitunter lebensgefährlich und nicht mit Silvesterfeuerwerk zu vergleichen.
Zumindest ein generelles Verbot dürfte allzu schnell nicht kommen. Das von Nancy Faeser (SPD) geleitete Bundesinnenministerium hatte bereits im November auf Anfrage des WDR gesagt: »Ein bundesweites Totalverbot privaten Silvesterfeuerwerks wäre nicht verhältnismäßig.«
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