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OB von Frankfurt (Oder): Segensreicher SED-Politiker
Oberbürgermeister Fritz Krause rettete die Marienkirche von Frankfurt (Oder) und soll geehrt werden
Würde Fritz Krause noch leben, so würde der einstige Oberbürgermeister von Frankfurt (Oder) am 13. April 100 Jahre alt werden. »Wenn wir jetzt nichts machen, dann ist der Zug abgefahren«, mahnt der frühere Stadtverordnete Erik Rohrbach (Linke), an den bis heute in der Stadt geachteten SED-Politiker zu erinnern – am besten mit einer Gedenktafel an der St. Marienkirche. Denn Krause bewahrte diese Kirche einst vor dem Abriss und hat sich auch auf andere Weise verdient gemacht. »Der 101. Geburtstag ist kein Anlass und bei seinem 200. Geburtstag leben wir alle nicht mehr«, warnt Rohrbach, die Gelegenheit zu verpassen.
Die Gelegenheit ist tatsächlich günstig. Immerhin beschloss die Stadtverordnetenversammlung am 7. November ein würdiges Gedenken für den Oberbürgermeister mit der längsten Dienstzeit in der Geschichte der Stadt. Einiges ist möglich zum Gedenken an ihn: eine Veranstaltung, eine Tafel, eine Büste, eine Stele. Was es nun sein soll, das ließen die Stadtverordneten nach mehr als anderthalb Stunden emotionaler Debatte am Ende offen. Die Linke hatte gemeinsam mit der Fraktion Frankfurter Bürgerinitiative/Freie Wähler beantragt, dass es eine Gedenktafel, eine Bürste, Halbbüste, Stele oder etwas in dieser Art sein solle. Die Begründung für den Vorstoß: »Fritz Krause war volksnah und trotz seiner SED-Mitgliedschaft und seines damaligen Einbezogenseins in den Machtmissbrauch vieler staatlicher Organe vom überwiegenden Teil der Frankfurter Bevölkerung anerkannt und hochgeschätzt.«
Linksfraktionschefin Sandra Seifert unterbreitete dann am 7. November noch den Kompromissvorschlag, sich erst einmal auf das Prinzip einer Ehrung zu verständigen. Vorschläge zur Ausgestaltung solle dann eine interfraktionelle Arbeitsgruppe erarbeiten. Seifert sagte übrigens auch, sie habe ein Drittel ihres Lebens in der DDR verbracht und wolle diese Erfahrung nicht missen.
Wäre es nach der Empfehlung aus dem Hauptausschuss gegangen, wäre der Antrag durchgefallen. Denn der Hauptausschuss hatte ihn bei drei Enthaltungen mit fünf zu vier Stimmen abgelehnt. So ähnlich hätte es in der Stadtverordnetenversammlung auch kommen können. Denn dort äußerte Katja Wolle (SPD) abweisend, es wäre eine »Ehrung von hoher Symbolkraft, die bisher keiner anderen Persönlichkeit aus neuerer Zeit zuerkannt wurde, beispielsweise keinem der DDR-, keinem der SED-Opfer, das in Frankfurt (Oder) im Gefängnis saß oder mit dem Fallbeil hingerichtet wurde«, während Krause Funktionär der SED und der Freien Deutschen Jugend (FDJ) gewesen sei. Wolle begründete das Nein der SPD unter anderem damit, dass gar nicht klar sei, ob die Rettung der Marienkirche wirklich Krause zuzurechnen sei.
Einen Schritt weiter ging Michael Möckel (CDU), der sich sicher ist: »Die Kirche wäre abgerissen worden, wenn Berlin das gesagt hätte.« Dann hätte sie das Schicksal der Potsdamer Garnisonkirche und der Leipziger Universitätskirche geteilt, die einem modernen sozialistischen Stadtbild im Wege waren.
Will heißen: Krause hätte so oder so wenig tun können. Tatsächlich hat er aber etwas unternommen. Ihm war bei seinem Amtsantritt 1965 von der SED-Bezirksleitung signalisiert worden, die Marienkirche müsse weg. Doch Krause hielt generell nichts davon, sich aus falsch verstandener Disziplin anzupassen, wenn etwas nicht der eigenen Überzeugung entsprach. 1974 schloss der Rat der Stadt einen Pachtvertrag mit der evangelischen Kirche über 99 Jahre. Damit verpflichtete sich die Stadt, die Ruine zu restaurieren und auszubauen. 1979 begann die Instandsetzung.
»Wenn wir jetzt nichts machen, dann ist der Zug abgefahren. Der 101. Geburtstag ist kein Anlass und bei seinem 200. Geburtstag leben wir alle nicht mehr.«
Erik Rohrbach Ex-Stadtverordneter
»1960 hätte keiner fünf Mark gewettet, dass diese Ruine stehen bleibt«, sagte am 7. November der Stadtverordnete Jürgen Fritsch (AfD). Er sagte auch: »Die Linken geben mir nicht die Hand, weil ich in der AfD bin.« Aber die Ehrung von Fritz Krause unterstütze er. Fraktionskollege Wilko Möller erklärte, die AfD springe über ihren Schatten und stimme einer Gedenktafel zu.
Einer Tafel an der Marienkirche hätte er unter Umständen zustimmen können, wenn er den Text kennen würde, der darauf stehen soll, gestand Bodo Almert (Grüne). Aber eine Art Blankoscheck wollte er nicht unterschreiben.
Der aus der Linken ausgetretene Oberbürgermeister René Wilke (parteilos) hatte sich eigentlich bei diesem Tagesordnungspunkt nicht zu Wort melden wollen, tat es dann aber doch. Dabei gestand er, den 2012 verstorbenen Krause noch persönlich kennengelernt zu haben und ihn wie andere »Fritze« genannt zu haben. Typisch für Krauses Charakter sei Demut gewesen. Krause hätte selbst eine Gedenktafel oder eine Büste sicher nicht gewollt, ist Wilke überzeugt.
Diese Einschätzung teilt Erik Rohrbach, der Krause schon kannte, als der heute 40 Jahre alte René Wilke noch gar nicht geboren war. Oberbürgermeister Krause habe keinen Rummel um seine Person gewünscht, sagt Rohrbach. »Krause hat seine Stadt geliebt. Das klingt sehr poetisch, aber das war seins.« Rohrbach stört es ein bisschen, wenn sich die Diskussion allein um die Rettung der Marienkirche dreht. Er nennt noch etliche andere Leistungen, unter anderem den Wohnungsbau und die Errichtung des Krankenhauses. Die Stadt sei Ende der 1980er Jahre auf dem Weg zur Großstadt gewesen. Die Marke dafür sind 100 000 Einwohner. Nach der Wende stürzte die Einwohnerzahl jedoch auf deutlich unter 60 000 ab und stieg erst in den letzten Jahren wieder leicht an.
Ob eine Gedenktafel für Fritz Krause bis zu dessen 100. Geburtstag zu realisieren ist, weiß Rohrbach nicht. Es sei allerdings nicht so schlimm, wenn der Denkmalschutz dies nicht rechtzeitig genehmige und es erst ein bisschen später vollbracht wäre, sagt er. Hauptsache, es geht seinen Gang. Zunächst einmal ist Rohrbach daran gelegen, dass es Ende Mai oder Anfang April eine Gedenkveranstaltung im Rathaus gibt, denn das sei Krauses Wirkungsstätte gewesen, wenngleich er sie nach einem umfassenden Umbau in den Jahren 2019 bis 2024 wohl kaum wiedererkennen würde. 100 Gäste würden ins Atrium passen, sagt Rohrbach. Der 13. April fällt in die Osterferien – und darum sollte die Ehrung nicht auf den Tag genau am 100. Geburtstag Krauses sein, sondern ein bisschen früher.
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