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  • Defa-Film »Hasenhüter«

Schon damals diskriminierend

Sollte der Defa-Film »Hasenhüter« gecancelt werden?

  • Karsten Krampitz
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Schäfer als Hasenhüter, aus dem gleichnamigen Defa-Märchenfilm von 1977
Der Schäfer als Hasenhüter, aus dem gleichnamigen Defa-Märchenfilm von 1977

Manchmal können auch Triggerwarnungen triggern. So etwa jene, die der »MDR« unlängst in seinem Kinderprogramm dem »Hasenhüter« vorausschickte, einem Kinderfilm der Defa aus dem Jahr 1977. Das folgende Programm, hieß es, enthalte Passagen, »die aus heutiger Sicht diskriminierend wirken können«. Wie das denn?

In dem Märchen, frei nach Ludwig Bechstein, will ein armer Schäfer die wunderschöne Prinzessin zur Frau und muss deswegen die hundert Hasen des Königs hüten. Wenn der Held auch nur einen davon verliert, verliert er sein Leben. Dieses ist durchaus in Gefahr, denn die Prinzessin will auf keinen Fall den armen Schlucker heiraten. Als verkleidete Wahrsagerin bittet sie ihn um ein Häschen und will ihm als Gegenleistung seine Zukunft weissagen, worauf der Hasenhüter das Gleiche tut: »Ich lese aus deiner Hand, dass du lügst und betrügst. Was kümmert mich die Herzlosigkeit einer Zigeunerin? Du taugst nicht viel …« Und dann, nachdem beide einander geküsst haben: »Wenn du blonde Haare hättest; aber du bist leichtfertig und liederlich, lässt dich von jedem Mann küssen …« Daraufhin reißt der junge Mann der vorgeblichen Sintezza ihren goldenen Ohrschmuck ab – deswegen also der Warnhinweis vor Beginn des Films.

Wie Kinderbücher, die in die Jahre gekommen sind, dokumentieren auch alte Kinderfilme den Zeitgeist ihrer Entstehung. Auf keinen Fall sollten die wunderbaren Geschichten von Michael Ende und Astrid Lindgren gecancelt oder neu geschrieben werden. In Bechsteins Originalmärchen aber kommt die Wahrsagerin gar nicht vor; ein Einfall der Regisseurin und Drehbuchautorin Ursula Schmenger. Welchen Sinn macht es, solche herabwürdigenden antiziganistischen Vorurteile auch heute noch an die Kinder weiterzugeben?

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Besagte Szene war dabei schon 1977 diskriminierend – gegenüber den etwa 300 Sinti, die noch in der DDR lebten. Und was nun den »Zeitgeist« in der DDR betrifft: »Ede und Unku«, das Kinderbuch von Alex Wedding aus dem Jahr 1931, war zwar Schullektüre. Als aber der Schriftsteller Reimar Gilsenbach über das Schicksal Unkus und der anderen Sinti schrieb, wurden seine Artikel in der DDR nicht gedruckt. Kaula, Unkus Cousine, war die Einzige aus der Familie, die den Genozid überlebt hatte. Gilsenbach verhalf ihr zu einer Opferrente als Verfolgte des Naziregimes; ebenso der Sintezza Margarete Kraus, die bei ihrem ersten Antrag keine drei Zeugen für ihre Deportation benennen konnte. Wie auch, ihre Angehörigen waren alle ermordet. Auf dem Unterarm aber trug sie noch immer die in Auschwitz eintätowierte Häftlingsnummer.

Bei all den Gedenkfeiern zur Befreiung vom Faschismus hat in der DDR nie ein Redner auch nur mit einer Silbe der ermordeten 500 000 Sinti und Roma gedacht. Noch im Juni 1985 untersagten die Behörden eine Gedenkminute, die auf dem Parkfriedhof in Marzahn stattfinden sollte, in dessen Nähe sich von 1936 bis 1945 das Zwangslager befunden hatte, für etwa 1200 Sinti, von denen die meisten in Auschwitz ermordet wurden.

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