Wer in Deutschland Reichtum schafft

Der Autor Sascha Lübbe über Ausbeutung und Perspektivlosigkeit im System deutscher Arbeitsmigration

  • Interview: Tanja Röckemann
  • Lesedauer: 12 Min.
Die Baubranche – einer von vielen Niedriglohnbereichen, der ohne Arbeitsmigrant*innen wohl zusammenbrechen würde
Die Baubranche – einer von vielen Niedriglohnbereichen, der ohne Arbeitsmigrant*innen wohl zusammenbrechen würde

Sie haben im vergangenen Jahr das Buch »Ganz unten im System. Wie uns Arbeitsmigrant*innen den Wohlstand sichern« veröffentlicht. Ist die Bedeutung der ausländischen Arbeitskräfte für die deutsche Ökonomie wirklich so zentral?

Ja, ist sie tatsächlich. In meinem Buch habe ich drei Branchen mit einem besonders hohen Migrant*innenanteil näher untersucht: den Bau, die Fleischindustrie und das Transportwesen. In allen drei Branchen zeigt sich ein ähnliches System: Große Firmen, sogenannte Generalunternehmen, lagern die Arbeiten an kleinere Firmen, sogenannte Subunternehmen, aus. In einigen Branchen, etwa auf dem Bau, ist dieses System historisch gewachsen. Zu Beginn war es sinnvoll, Aufgaben auf spezialisierte Firmen zu verteilen, da Baustellen komplexe Projekte sind, die Fachkräfte in unterschiedlichen Bereichen erfordern. Im Laufe der Zeit wurde das System jedoch zunehmend dazu genutzt, Kosten zu sparen. Das führte dazu, dass Generalunternehmen ihre Verantwortung weitgehend auf Subunternehmen abwälzen. Denn bei denen sind ja die Arbeiter*innen beschäftigt – kommt es zu saisonalen Schwankungen und Auftragsrückgängen, tragen sie das unternehmerische Risiko. Dieses Verfahren der Auslagerung, des »Subcontractings«, hat sich über Jahre entwickelt und ist mittlerweile tief in vielen Branchen der deutschen Wirtschaft verankert. Viele der Menschen, die diese Arbeiten im Niedriglohnsektor übernehmen, kommen aus dem Osten Europas.

In den Branchen, die Sie sich angeschaut haben, arbeiten vor allem Männer, oder?

Das stimmt nur halb: In der Bau- und Transportbranche sind vor allem männliche Arbeiter beschäftigt, aber in der Fleischbranche auch Frauen – allerdings ist schwer einzuschätzen, wie viele das tatsächlich sind. In anderen Niedriglohnbereichen ist das Geschlechterverhältnis entweder weitgehend ausgewogen, wie etwa in der Ernte, oder es arbeiten fast ausschließlich Frauen, wie im Bereich der 24-Stunden-Hausbetreuung älterer Menschen.

Stichwort Arbeitskräftemangel: Ist der wirklich in Deutschland so stark ausgeprägt – oder hat der hohe Anteil von Arbeitsmigrant*innen im Niedriglohnsektor einfach auch damit zu tun, dass die Arbeitsbedingungen so schlecht sind und die Löhne so niedrig?

Der Arbeitskräftemangel in Deutschland ist ein reales Phänomen, das sich in vielen Bereichen zeigt – von der Pflege, über das Handwerk, bis zur Bahn. Zugleich sind die Arbeitsbedingungen in Branchen wie der Fleischindustrie extrem schlecht, Arbeiter*innen stehen etwa stundenlang in der Kälte an Fließbändern und zerlegen Fleisch. In diesen Bereichen gibt es fast keine deutschen Arbeitskräfte mehr, ohne Migrant*innen würden sie quasi kollabieren.

Interview

Sascha Lübbe arbeitet als Autor und Reporter in Berlin, unter anderem für die »Taz« und »Zeit Online«. Seine Schwerpunktthemen sind Migration, Integration und soziale Ungleichheit. Sein Buch »Ganz unten im System« stand auf der Longlist des Deutschen Sachbuchpreises 2024.

Sind diese Zustände denn eine Unterlassung vonseiten des deutschen Staates oder der einzelnen Kapitalist*in – oder sind sie nicht eher so gewollt, weil sie einen Konkurrenzvorteil bedeuten?

In weiten Teilen der betreffenden Branchen gibt es vermutlich wenig Interesse daran, die Situation der migrantischen Arbeiter signifikant zu verbessern. Es geht vor allem um Gewinnmaximierung; darum, Kosten zu minimieren. Das geht am einfachsten beim Personal. Eine Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen gerät da – besonders in Branchen mit hohem Wettbewerbsdruck – mitunter zu einem Wettbewerbsnachteil. Man muss allerdings aufpassen, nicht zu eindimensional zu argumentieren. Es gibt in Teilen der Politik durchaus Bestrebungen, die Situation der Menschen zu verbessern. Ein Beispiel ist das Arbeitsschutzkontrollgesetz in der Fleischbranche, das es großen Firmen untersagt, in ihrem Kernbereich Arbeiter über Subunternehmen zu beschäftigen. Die Firmen müssen sie selbst anstellen. Und auch die Gesellschaft als Ganzes ist nicht mittellos. Konsument*innen könnten beispielsweise bewusst kein billiges Fleisch mehr kaufen, bei dem die Arbeitsbedingungen der Produzenten schlecht sind.

Und was ist, wenn man kein Geld hat, weil man selbst im Niedriglohnsektor arbeitet? Beziehungsweise können ja schon Leute, die im deutschen Normalbereich verdienen, es sich nicht leisten, durchweg Fair-Trade-Produkte zu kaufen.

Natürlich hängt vieles vom Geld ab, aber ich denke, es gibt große Teile der Gesellschaft, die durchaus eine Wahl hätten. Viele greifen zum Beispiel bei Fleischprodukten im Supermarkt zu Billigware, ohne darüber nachzudenken. Gleichzeitig muss man natürlich das Argument anerkennen, dass sich nicht alle solche Produkte leisten können.

Sie schreiben auch über die Geschichte der Arbeitsmigration nach Deutschland.

Was ich mit am eindrucksvollsten fand, war die historische Dimension der Arbeitsmigration in Deutschland. Beim Blick auf die Geschichte stieß ich zum Beispiel auf die Hugenotten im 17. Jahrhundert – religiöse Flüchtlinge aus Frankreich, die hier oft spezialisierte Arbeiten übernahmen, heute würde man vielleicht von Fachkräften sprechen. Doch das wirklich Erschreckende war die Situation der Wanderarbeiter in der Landwirtschaft. Eine Studie aus dem Jahr 1914, die sich mit den Arbeits- und Lebensbedingungen polnischsprachiger Wanderarbeiter beschäftigte, zeigte ein erschreckendes Bild. Der Autor, Andreas Mytkowicz, beschrieb katastrophale Zustände, unter anderem bei der Unterbringung der Menschen. Als ich die vergilbten Blätter der Studie in der Landesbibliothek Berlin las, war es, als würde ich dieselben Geschichten hören, die mir auch heute begegnen. In der Fleischbranche etwa habe ich Menschen getroffen, die man mit falschen Versprechungen nach Deutschland gelockt und in schimmeligen Wohnungen untergebracht hat. Ähnliche Schilderungen fanden sich in der Studie. Sie war über hundert Jahre alt, beschrieb aber Missstände, die immer noch existieren.

Das heißt ja wohl auch, dass der gesellschaftliche Rassismus nicht besonders abgenommen hat. Was hat sich denn verändert in der öffentlichen Wahrnehmung der Arbeitsmigration seit den 1950er Jahren?

Das variiert von Migrant*innengruppe zu Migrant*innengruppe, hängt aber auch mit den spezifischen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zusammen. Das erste Anwerbeabkommen schloss Deutschland 1955 mit Italien. Besonders interessant fand ich in diesem Zusammenhang die Beobachtungen des Migrationsforschers Jochen Oltmer. Er erklärte mir im Interview, dass in Deutschland anfangs eine rassistische Abwertung der italienischen Arbeitsmigrant*innen stattgefunden habe, indem diese mit Kriminalität in Verbindung gebracht wurden. Als aber immer mehr Deutsche begannen, Urlaub in Italien zu machen, und immer neue Migrant*innengruppen nach Deutschland kamen, wurden die Italiener*innen, die zuvor als potenzielle Bedrohung gegolten hatten, plötzlich als schick und kulturell bereichernd wahrgenommen. Es gab also einen Wandel in ihrer Wahrnehmung. Insgesamt wurde ja bezüglich der Gastarbeiter*innen – das ist wohl allgemein bekannt – davon ausgegangen, dass diese Menschen nicht in Deutschland bleiben würden. Sie wurden als temporäre Arbeitskräfte betrachtet.

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Der Staat wollte eigentlich verhindern, dass die Menschen bleiben.

Genau. Diese Erwartung war aber nicht nur beim deutschen Staat, sondern auch bei den Migrant*innen selbst verbreitet. Auch in den Entsendeländern ging man davon aus, dass die Menschen mit mehr Wissen zurückkehren und die Wirtschaft zu Hause stärken würden.

Die Arbeitsmigration heute funktioniert ohne direkte vertragliche Abkommen wie in der Nachkriegszeit, oder? Wie wirkt sich das auf die Arbeitsverhältnisse aus?

Teils teils. Drittstaatler, also Menschen von außerhalb der EU, kommen auch heute noch über Abkommen zum Arbeiten nach Deutschland, etwa über die Westbalkan-Regelung. Ein Großteil der Beschäftigten in den von mir untersuchten Branchen, insbesondere im Bau- und Fleischsektor, stammt allerdings aus Osteuropa, es sind also EU-Bürger. Sie können sich hier frei bewegen und arbeiten. Polen wurde bei der ersten EU-Osterweiterung 2004 Mitglied, 2007 folgten Rumänien und Bulgarien. Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten gilt die EU-Osterweiterung als Erfolg. Gleichzeitig gibt es in vielen Bereichen sehr harte Arbeitsbedingungen und viele Migranten arbeiten unterhalb ihrer beruflichen Qualifikation. Man spricht dann von einem sogenannten Downgrading. Für mein Buch habe ich beispielsweise mit einem studierten Ingenieur aus Rumänien gesprochen, der in Deutschland Hilfsarbeiten auf dem Bau ausführt.

Wenn Sie von »wirtschaftlichem Erfolg« sprechen, gilt das für die deutsche Wirtschaft oder auch für die Arbeitsmigrant*innen selbst?

Die deutsche Wirtschaft hat auf jeden Fall von der Arbeitsmigration aus Osteuropa profitiert. Aber es gibt durchaus auch Migrant*innen aus diesen Ländern, die sich hier etwas aufgebaut haben. Allerdings sind das größtenteils diejenigen, die schon länger im Land sind. Zuerst kamen ja vor allem Menschen aus Polen, davon haben sich einige mittlerweile »hochgearbeitet«. Heute wird ein Großteil der Arbeit allerdings von Menschen aus Bulgarien oder Rumänien übernommen, die später kamen.

Und ist es für diese Leute noch möglich, sich aus der Armut »herauszuarbeiten«?

Es ist sehr schwierig. Da gibt es zwar eine Bewegung, aber die verläuft eher in der Waagerechten. In vielen Branchen besteht eine überdurchschnittlich hohe Fluktuation, besonders in der Fleischindustrie, wo viele Arbeiter*innen im Einstiegsbereich schon vor Ablauf des ersten Jahres das Unternehmen oder gleich die ganze Branche wechseln. Auf dem Bau gibt es diese Fluktuation auch. Ein rumänischer Bauarbeiter, den ich porträtiert habe, hat in den rund zehn Jahren, die er in Deutschland lebt, über zwanzig Mal die Firma gewechselt. Es gibt also Bewegung, aber selten nach oben. Der tatsächliche Ausstieg aus dem Niedriglohnsektor gelingt nur sehr wenigen.

Sie schreiben auch ausführlich darüber, wie isoliert viele Arbeitsmigrant*innen in Deutschland leben, dass es teilweise praktisch gar keinen Kontakt zu deutschen Arbeiter*innen mehr gibt.

Das stimmt. Für mein Kapitel über die Baubranche habe ich zum Beispiel mit Menschen gesprochen, die in einem Arbeiterwohnheim in Frankfurt wohnen. Dieses Heim liegt isoliert zwischen Bahnschienen und einer Autobahn. Es ist eines der größten Wohnheime seiner Art in Deutschland, mit 800 Bewohnern, die unter beengten Bedingungen leben. Die Arbeitszeiten dieser Menschen sind extrem – viele arbeiten weit über die gesetzlichen Vorgaben hinaus, mit zehn Stunden an Wochentagen und zusätzlichen fünf Stunden am Samstag. Auch auf den Baustellen selbst gibt es kaum noch Kontakt zu deutschen Kollegen. Die wenigen Deutschen sind meist die Poliere, die den Arbeitsablauf organisieren, also die Chefs. Ausgeführt werden die Arbeiten meist von Migrant*innen. In diesem Umfeld bleibt weder Zeit noch Energie, um beispielsweise Deutsch zu lernen oder anderweitige Kontakte zu Einheimischen zu knüpfen. Dasselbe gilt für die Fleischindustrie, wo die Arbeiter*innen oft stundenlang an den Schlachtbändern stehen. Am krassesten ist die gesellschaftliche Isolation sicherlich in der Transportbranche. Die Lkw-Fahrer verbringen nicht nur den ganzen Tag in ihren Fahrzeugen, sie schlafen auch in ihnen. Sie haben kaum noch Berührungspunkte mit der deutschen Mehrheitsgesellschaft.

Wie ist denn das Verhältnis dieser Arbeiter*innen zu gewerkschaftlicher Organisierung – ist dafür überhaupt Raum? Oder herrscht eher so ein Einzelkämpfertum?

Es gibt durchaus selbstorganisierte Gruppen und Migrant*innen, die sich gewerkschaftlich organisieren. Auf die Mehrheit der Menschen, mit denen ich gesprochen habe, trifft das allerdings nicht zu. Die sind nicht gewerkschaftlich aktiv, sondern versuchen, sich irgendwie durchzuschlagen. Viele nehmen die Arbeitsverhältnisse in Kauf, weil sie trotz allem hier in Deutschland mehr verdienen als in ihrer Heimat. Zudem gibt es viele Arbeiter*innen, vor allem in der Landwirtschaft, die nur für eine begrenzte Zeit in Deutschland arbeiten wollen, um etwas Geld zu verdienen und dann in ihre Heimat zurückzukehren. Dieses Pendeln macht es sehr viel schwieriger, die Menschen zu mobilisieren und sie für gewerkschaftliche Aktivitäten zu gewinnen.

Gibt es denn konkrete Bemühungen seitens der Gewerkschaften, um die Menschen in diesen Branchen zu organisieren? Schließlich ist der Niedriglohnsektor ein riesiger Bereich mit mehreren Millionen Beschäftigten.

Bestrebungen gibt es auf jeden Fall, aber letztlich ist das von Branche zu Branche verschieden. Ein bekanntes Beispiel ist die IG BAU, die unter anderem für die Baubranche zuständig ist. Hier wurde mittlerweile ein spezieller Tarif für sogenannte Wanderarbeiter*innen eingeführt, damit diese schneller in die Gewerkschaft aufgenommen werden können. Es existieren aber auch – und es ist wichtig, das zu erwähnen – Fälle von Selbstorganisation: beispielsweise Facebook-Gruppen, in denen Arbeiter*innen sich über die Arbeitsbedingungen austauschen und vor schlechten Arbeitgebern warnen. Ein besonders prominentes Beispiel sind die »Sieben Sterne Kranfahrer«, ein Zusammenschluss rumänischer Kranfahrer, die als kleine Facebook-Gruppe gestartet und mittlerweile enorm gewachsen ist. Diese Gruppe kooperiert inzwischen mit Gewerkschaften wie der IG BAU, veranstaltet gemeinsame Events und geht damit wirklich Schritte in Richtung einer breiteren Organisation von Arbeitskämpfen.

Angesichts der realen Verhältnisse in vielen Branchen entlarvt sich die AfD-Propaganda: Hier prallen die kapitalistischen Erfordernisse und die menschenverachtende Rhetorik aufeinander – es sei denn, man versteht die Deportationspläne der AfD auch als Ansage an die Arbeiter*innen mit deutschem Pass, dass sie diese Knochenjobs künftig zu übernehmen haben.

Das Thema ist tatsächlich ein gewisser Drahtseilakt. Grundsätzlich darf die Frage der Menschenwürde und das Einhalten von Gesetzen nicht zur Disposition stehen. Diese Themen sollten nicht in irgendeiner Weise mit wirtschaftlichen Überlegungen in Verbindung gebracht oder ausgehandelt werden. Vereinfacht gesagt: Alle Menschen, die sich in Deutschland aufhalten, müssen wie Menschen behandelt werden – unabhängig davon, ob sie für die Wirtschaft wichtig sind oder nicht. Das ist ein entscheidender Punkt, der in der Diskussion um Migration oft zu kurz kommt. Zu oft wird nur betrachtet, was Migrant*innen der Gesellschaft und der Wirtschaft bringen und wie viele von ihnen eine Arbeit haben. Was dabei jedoch kaum beachtet wird, ist die Frage, wie die Arbeit aussieht, die diese Menschen leisten. Das stellt einen gewissen Zwiespalt dar. Andererseits finde ich es gerade in der aktuellen Debatte, die von Abschottungstendenzen und rassistischen Rhetoriken geprägt ist, besonders wichtig, noch einmal klarzustellen, dass die deutsche Wirtschaft in allen Bereichen – vom akademischen Sektor bis hin zu den Hilfstätigkeiten – auf Migrant*innen angewiesen ist.

Ich komme angesichts dieser Zustände nicht umhin, auch an den historischen Kontext zu denken: Vor gar nicht allzu langer Zeit führte Deutschland in Osteuropa einen Vernichtungskrieg, auch gegen die Bevölkerung dort – und nutzt diese heute wieder als billige Arbeitskräfte.

Das stimmt, aber Ausbeutung von Arbeitsmigrant*innen gibt es nicht nur in Deutschland. Man denke an die migrantischen Beschäftigten auf den Plantagen in Spanien, Italien, oder an die südamerikanischen Landarbeiter*innen in den USA. Oder auch an Katar, da sind es häufig Menschen aus Nepal, die unter prekärsten Bedingungen auf den Baustellen arbeiten. Ausbeutung von Arbeitsmigrant*innen ist ein weltweites Phänomen. Oftmals ist das auch ein Kreislauf. In Rumänien beispielsweise haben viele Menschen, die auswandern wollten, das mittlerweile getan. Dort gibt es in einigen Branchen also ebenfalls einen Arbeitskräftemangel. Das hat dazu geführt, dass die Arbeiten häufig von Menschen von außerhalb der EU übernommen werden, etwa von Menschen aus Indien. Die rumänischen Bauarbeiter, die nach Deutschland gingen, hinterließen also eine Lücke, die nun mit indischen Arbeiter*innen gefüllt wird. Und deren Arbeitsbedingungen in Rumänien sind nicht besser als die, die rumänische Arbeiter*innen in Deutschland vorfinden. Bei einer Reise nach Zagreb im vergangenen Jahr traf ich ein ähnliches Phänomen: Dort gibt es, wie in Deutschland, inzwischen viele Essenslieferant*innen aus Indien. Kroatien, ein Land, das traditionell als Auswanderungsland gilt, ist inzwischen also ebenfalls auf Arbeitskräfte aus dem Ausland angewiesen. Es ist ein kontinuierlicher Kreislauf. Der Arbeitskräftemangel wird dadurch nicht gelöst, er verlagert sich nur von einem Land auf das andere.

Sascha Lübbe: Ganz unten im System. Wie uns Arbeitsmigrant*innen den Wohlstand schaffen. Hirzel-Verlag 2024, 208 S., br., 22 €.

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