Gegen die FPÖ in Österreich: Donnerstags offensiv

Progressive Kräfte bringen sich gegen FPÖ-Koalition in Stellung

Diese Woche erweckte die österreichische Zivilgesellschaft die Demonstrationen gegen rechte Regierungen wieder zum Leben.
Diese Woche erweckte die österreichische Zivilgesellschaft die Demonstrationen gegen rechte Regierungen wieder zum Leben.

Donnerstagabend war es wieder einmal so weit: In Wien versammelten sich laut Veranstaltern 50 000 Demonstrant*innen vor dem Bundeskanzleramt. Auch in Innsbruck, Salzburg und Graz gingen Menschen gegen eine mögliche blau-schwarze Regierungskoalition der rechten Freiheitlichen Partei Österreich (FPÖ) und der christlich-konservativen Österreichischen Volkspartei (ÖVP) auf die Straße.

Donnerstags-Demos haben inzwischen eine 25-jährige Tradition. Während der ersten Koalitionsgespräche ebenjener Parteien im Jahr 2000 wurden sie zu einem wöchentlichen Ritual. Laut Answer Lang, Sprecher der globalisierungskritischen Organisation Attac Österreich, war der vergangene Donnerstag der Auftakt kommender zivilgesellschaftlicher Proteste. Konkrete politische Forderungen gab es jedoch keine bei der Kundgebung. Das Bündnis Österreichisches Netzwerk Zivilgesellschaft aus 34 Organisationen hatte explizit keine Reden vorgesehen.

Hört man sich unter progressiven Kräften in Österreich um, ist die am weitesten verbreitete Analyse: Die Industrie ist schuld an den blau-schwarzen Koalitionsverhandlungen. »Sozialkürzungen, gedeckt von Rassismus, dafür stehen FPÖ und ÖVP. Und genau das hat das Großkapital bestellt«, sagt Tobias Schweiger, Bundessprecher der Kommunistischen Partei Österreichs (KPÖ), zu »nd«.

In der Linken geht es nun darum, aus der Defensive zu kommen.

Ähnlich meldete sich der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei Österreich (SPÖ), Andreas Babler, auf X, vormals Twitter, zu Wort. Die Koalitionsverhandlungen würden eingegangen, damit »die Benkos« – eine Anspielung auf den Investor René Benko – keinen Beitrag zum maroden Haushalt des Landes leisten müssten. »Die Industrie schafft an – Rechtsextreme liefern«, kritisierte auch Attac bei einer Protestaktion jüngst in Wien.

Dass die offizielle Vertretung der österreichischen Industrie, die Industriellenvereinigung (IV), während der inzwischen geplatzten Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und den liberalen Neos, erheblichen Druck ausgeübt hatte, ist inzwischen klar. ÖVP und FPÖ trennt vor allem ihre Einstellung zur EU. Die FPÖ strebt eine reine Wirtschaftsunion an, ihr Chef Herbert Kickl zeigte sich in der Vergangenheit auch einem EU-Austritt gegenüber nicht abgeneigt.

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Wirtschaftspolitisch ziehen die beiden Parteien dagegen an einem Strang. Im Wahlkampf lag der Fokus auf der Entlastung der Arbeitgeber, unter anderem durch eine Senkung der Lohnnebenkosten, der Körperschaftsteuer oder der Grunderwerbsteuer. Letztere wollte die SPÖ erhöhen. Die Haltung der IV machte ihr Chef Georg Knill diese Woche gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Radiosender Ö1 noch einmal klar. Der IV gehe es »nicht um Farbenlehre, sondern den Standort«. Mit »den Roten«, also der SPÖ, sei aber kein Staat zu machen.

Was dem Rechtsruck entgegenzusetzen sei und worauf sich progressive Kräfte jetzt konzentrieren sollten, dazu herrscht innerhalb der österreichischen Linken Uneinigkeit. In ersten Reaktionen ging es vor allem um eine Mobilisierung auf die Straße. »Es ist wichtig, dass wir uns nicht auf Protest allein verlassen, sondern uns entlang unserer Interessen organisieren«, so dagegen Schweiger. »Linke Politik wird nur erfolgreich sein, wenn ihr Nutzen im Alltag spürbar wird, das Gefühl der Selbstermächtigung gibt, wenn sie ein solidarisches Kollektiv hervorbringt.«

Für Anna Svec, Sprecherin der Wiener Partei Links, geht es vor allem um die Form des Protests. Wichtig sei nun, nicht nur vor dem Kanzleramt zu demonstrieren, sondern beispielsweise auch Arbeitskämpfe zu führen. »Die Linke sollte die verschiedenen Kämpfe verbinden und zugleich laut und glaubhaft klarmachen, dass rechte Kürzungs- und Spaltungspolitik nicht die einzige Antwort auf die kapitalistischen Krisen ist, die wir erleben«, so Svec gegenüber »nd«.

In der Linken geht es nun darum, aus der Defensive zu kommen. Immerhin: 70 Prozent der Bevölkerung haben Parteien gewählt, die sich während des Wahlkampfs explizit gegen eine Koalition mit der Kickl-FPÖ ausgesprochen hatten. Mit einem ersten Zehn-Punkte-Plan brachte sich diese Woche der österreichische Gewerkschaftsbund in Stellung. Er forderte unter anderem Investitionen in den sozialen Bereich, die Infrastruktur und in den Klimaschutz.

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