Berliner U-Bahn: Fake-Spatenstich für U3 schon Ende April

Rund 800 Einwendungen zur geplanten Mini-Streckenverlängerung zum Mexikoplatz

Pastellig-bunt soll der neue Endbahnhof Mexikoplatz der U3 werden.
Pastellig-bunt soll der neue Endbahnhof Mexikoplatz der U3 werden.

Die Berliner Koalition aus CDU und SPD ist so heiß auf positive Nachrichten beim U-Bahn-Ausbau, dass sie auch auf irreführende Aktionen setzt. Bereits am 30. April ist ein symbolischer Spatenstich am derzeitigen Südende der U3 am Bahnhof Krumme Lanke angesetzt. Allerdings nicht für die geplante Verlängerung zum Mexikoplatz. Vielmehr wird der bereits 1929 gebaute und inzwischen marode Tunnelstumpf hinter dem aktuellen Endbahnhof teilweise abgerissen und neu gebaut. Bereits gearbeitet wird an der Sanierung einer seit vielen Jahren wegen Baufälligkeit gesperrten Abstellhalle im Bereich des Endbahnhofs.

Doch für die tatsächliche Verlängerung der U3 um eine Station bis zum künftigen Umsteigebahnhof wird es zum Spatenstich noch kein Baurecht geben, geschweige denn eine abschließend gesicherte Finanzierung. Letztlich geht es also um schnöde Instandhaltung der Bestandsinfrastruktur, die leider selten solche politische Aufmerksamkeit erhält. Neue U-Bahn-Bauten haben für die schwarz-rote Koalition abseits konkreter Bedarfe eine hohe symbolische Bedeutung. Die SPD hatte bereits in den Koalitionen mit Grünen und Linke massiv für Neubaustrecken lobbyiert. Die CDU träumt gleich von Dutzenden Kilometern neuer Strecken und sogar einer komplett neuen Linie.

Doch der Reihe nach. Wenn es um die Anzahl von rund 800 (!) Einwendungen im Planfeststellungsverfahren zur geplanten Verlängerung der U3 geht, kann es das U-Bahn-Projekt fast mit der seit vielen Jahren im Verfahren hängenden Straßenbahn-Neubaustrecke zum Ostkreuz aufnehmen. Der Optimismus, bereits Mitte 2025 den Planfeststellungsbeschluss und damit Baurecht zu erhalten, könnte sich als übergroß herausstellen.

»Der Denkmalschutz ist ein ganz großes Thema, dann war ein großes Thema die Grundwasserabsenkung, der Projektzuschnitt, die Finanzierung«, berichtet Torsten Brenner bei einer Anwohnenden-Informationsveranstaltung zum Vorhaben im Dezember 2024. Er ist Projektleiter bei BVG Projekt, dem Tochterunternehmen der Berliner Verkehrsbetriebe, das für die U5-Verlängerung in Mitte gegründet worden ist.

Einwendung vom Auftraggeber

Kurioserweise hat auch die Senatsmobilitätsverwaltung mindestens eine kostenträchtige Forderung in der Einwendungsphase eingebracht, die am 15. November 2024 endete. Sie verlangt den Bau eines zweiten Aufzugs am neuen U-Bahnhof Mexikoplatz. Bisher ist nur einer vorgesehen. Bemerkenswert ist das, weil die Senatsverwaltung noch unter Grünen-Hausleitung das Projekt angestoßen hatte. Eigentlich sollte es also einen kurzen Draht geben.

Es handelt sich eigentlich um ein überschaubares Projekt. 1200 Meter neuer Tunnel sollen entstehen, davon nur 800 Meter bis zum Bahnhof Mexikoplatz. Der Rest dient als großzügige Wende- und Abstellanlage für Züge dahinter.

Das Büro »Netzwerkarchitekten« hat sich laut eigener Darstellung von den Farben Mexikos bei der Gestaltung des neuen Endbahnhofs inspirieren lassen. Die an die Umrisse eines »X« erinnernden Stützen zwischen den beiden Bahnsteiggleisen sollen entsprechend farbig gefliest werden.

Schneller zur FU

Die Strecke würde eine seit fast 100 Jahren bestehende Lücke im Netz schließen, denn am Mexikoplatz entstünde eine Umsteigemöglichkeit zur S-Bahnlinie 1. Mit nur einem Umstieg gäbe es dann schnelle Verbindungen zwischen Wannsee, Zehlendorf, Dahlem mit der Freien Universität und Wilmersdorf. Bis zu 12 000 Fahrgäste täglich werden laut Prognosen erwartet, was den gesamten bescheiden ausgelasteten Südabschnitt der U3 wirtschaftlicher machen könnte.

Für eine U-Bahn-Strecke sind das trotzdem eher überschaubare Fahrgastzahlen, weswegen man bei der Projektierung auch auf möglichst preiswerte Bauverfahren setzte. Deswegen fiel die Wahl auf die sogenannte offene Bauweise. Es wird also zunächst eine Baugrube unter Argentinischer und Lindenthaler Allee ausgehoben, der Tunnel gebaut und dann wird alles wieder zugeschüttet.

Kosten sparen für die Förderung

Etwas mehr als 100 Millionen Euro müssen dafür laut den letzten, vor einigen Jahren veröffentlichten Kostenschätzungen angelegt werden. Hätte man sich für eine sogenannte bergmännische Bauweise entschieden, also den Tunnel mit einer Schildvortriebsmaschine gebohrt, würde der Bau das Dreifache kosten.

Doch selbst mit der vergleichsweise preiswerten Baumethode ist es noch nicht ausgemacht, dass das Projekt am Ende wirklich die Kriterien für die Förderung durch den Bund meistert. Dafür ist der Nutzen-Kosten-Faktor entscheidend, der über eins liegen muss. Nach nd-Informationen lag er in der Vorab-Berechnung mit 1,1 bis 1,2 nur knapp darüber.

75 Prozent der Baukosten werden laut Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) vom Bund nach Bewilligung der Förderung bezahlt. Verbindlich berechnet wird der Kosten-Nutzen-Faktor allerdings erst, wenn der Planfeststellungsbeschluss, also die Baugenehmigung, vorliegt. Im Genehmigungsverfahren können noch kostenträchtige Auflagen hinzukommen, wie zum Beispiel der von der Senatsmobilitätsverwaltung geforderte zweite Fahrstuhl. Damit kann es das auch gewesen sein mit der Förderfähigkeit, wenn es vorher schon knapp war.

»Wenn der Bund kein Geld zur Verfügung stellt, dann wird es dieses Projekt nicht geben«, unterstreicht BVG-Projekt-Geschäftsführer Dennis Backwinkel. Derzeit sehe es aber so aus, als würde es Geld geben. Bereits Mitte dieses Jahres hoffen die Projektverantwortlichen auf den Planfeststellungsbeschluss, mit dem Bau wollen sie 2026 loslegen. Falls das klappt, könnten ab 2031 die Züge zum Mexikoplatz rollen.

Krawallige Bürgerinitiative

Nicht gerechnet hatte man offenbar mit dem späten, aber erheblichen Widerstand gegen das Projekt durch die Bürgerinitiative »Rettet den Mexikoplatz«. Sehr krawallig und nicht immer ganz faktentreu macht sie Stimmung gegen das Vorhaben. Auf ihr Konto dürfte auch die hohe Zahl an Einwendungen gehen. In der Gegend sollten auch mögliche juristische Schritte gegen das Vorhaben nicht an den finanziellen Ressourcen der Anlieger scheitern.

»Wenn der Bund kein Geld zur Verfügung stellt, dann wird es dieses Projekt nicht geben.«

Dennis Backwinkel Geschäftsführer BVG Projekt

Die U3 zum Mexikoplatz wäre die erste angegangene U-Bahn-Verlängerung seit 30 Jahren in Berlin, wenn tatsächlich 2026 die Bagger anrollen. Mit dem Bau der U5-Verlängerung vom Alexanderplatz zum Hauptbahnhof ist 1995 begonnen worden.

Wirkliche Euphorie ob des U-Bahn-Projekts mag bei der Informationsveranstaltung im Gemeindehaus der Emmaus-Gemeinde im Dezember allerdings nicht aufkommen. Dutzende sind gekommen. Neben eher abseitigen Befürchtungen, dass der neue Umsteigepunkt Mexikoplatz eine »Party- und Drogenszene« anziehen könne, geht es vor allem um die vielen Straßenbäume, die im Zuge des U-Bahn-Baus gefällt werden sollen.

Baumfällungen für Verkehrsfluss

Projektleiter Torsten Brenner erläutert, dass der Großteil der Fällungen für den reinen Tunnelbau überhaupt nicht nötig wäre. Die Bäume sollen fallen, um während der Bauzeit Auto-, Fahrrad- und Fußverkehr dem Mobilitätsgesetz entsprechende Wegebreiten zu gewähren.

Es könne durchaus sein, dass man »gemeinsam mit der Verkehrsverwaltung« den Weg finde, »die offenzuhaltenden Verkehrswege darzustellen, unterhalb der Bäume«. Eine andere Möglichkeit wäre auch, den Tunnel halbseitig in zwei Phasen zu bauen. »Dann muss man erklären, wir nicht ein Jahr, anderthalb Jahre, sondern drei Jahre« gebaut werde, so Brenner weiter. Damit würde man allerdings Grundrechtseingriffe verlängern.

Was er nicht erwähnt, ist, dass so ein Bauverfahren sich auch kostenseitig auswirken würde. Angesichts eines volkswirtschaftlichen Nutzens, der laut Berechnungsmethode des Bundes die Baukosten nur wenig übersteigt, ein heikler Punkt für die Realisierungschancen des Gesamtprojekts.

Ein weiteres wichtiges Thema für direkt Betroffene ist auch der zu erwartende Baulärm, genau wie die frühestens ab 2028 drohende längere Sperrungen der S-Bahn im Zuge der Arbeiten für den U-Bahnhof.

BVG Projekt bietet angesichts des lebhaften Interesses am U-Bahn-Projekt in der Nachbarschaft am 21. Januar zwei weitere Informationsveranstaltungen am Nachmittag und Abend an. Für die Teilnahme kann man sich unter diesem Link anmelden.

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