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  • Serie »A Better Place«

Leben ohne Strafe

In der ARD-Serie »A Better Place« wird eine Großstadt zum Experimentierfeld für eine Welt ohne Gefängnisse

  • Florian Schmid
  • Lesedauer: 4 Min.
Mehr Resozialisierung wagen
Mehr Resozialisierung wagen

Als die Gefängnistore aufgehen und die Strafgefangenen vorsichtig herauskommen, herrscht erst einmal Fröhlichkeit, aber einige schauen auch ziemlich betreten drein. Sind sie jetzt alle wirklich frei? Oder ist das nur die seltsame Maßnahme irgendwelcher Psychologen und Sozialarbeiter, eine Art kollektive Bewährungsstrafe?

In der achtteiligen ARD-Serie »A Better Place« öffnet Rheinstadt, ein fiktiver Ort im Ruhrgebiet, seine Gefängnisse und lässt im Zuge eines revolutionären Resozialisierungsprojekts alle Strafgefangenen frei. Hinter dem ambitionierten Projekt »TRUST« stehen die Kriminologin Petra Schach (Maria Hofstätter) und Bürgermeister Amir Kaan (Steven Sowah). Die wollen zeigen, dass Gefängnisse zwar als Mittel der Bestrafung dienen können, aber kein Weg sind, um straffällig gewordene Menschen wieder in die Gesellschaft einzugliedern. Die Kriminalitätsrate wird sinken, versprechen die beiden, die fleißig Pressearbeit machen und auch in Fernsehshows auftreten. Ihr Projekt erhält weltweit mediale Aufmerksamkeit. Aber natürlich schlägt den beiden Visionären auch jede Menge Kritik entgegen.

Diese Sozial-Utopie versucht dramaturgisch auszuloten, wie ein derartiges Resozialisierungsprojekt funktionieren oder eben auch schiefgehen kann.

Die Serie »A Better Place« ist ebenso wie die fiktive Ruhr-Metropole ohne Knast ein ambitioniertes Projekt. Diese Sozial-Utopie versucht dramaturgisch auszuloten, wie ein derartiges Resozialisierungsprojekt funktionieren oder eben auch schiefgehen kann. Denn für die Opfer von Gewalttaten ist es natürlich ein Problem, wenn die Täter plötzlich wieder auf freiem Fuß sind und sie ihnen im Supermarkt zufällig begegnen. Zwar wurde mit allen Betroffenen vorab gesprochen, aber nicht wirklich alle wurden erreicht, waren ansprechbar oder konnten überzeugt werden.

»TRUST« will Menschen versöhnen, ihnen die Möglichkeit geben, sich mit den Geschehnissen – egal ob als Opfer oder Täter – auf eine andere Weise auseinandersetzen als das Gerichte und Strafanstalten tun. Was kann eine Mediation leisten, wenn es um erfahrene oder verübte Gewalt geht? Natürlich sind einige Täter einsichtig und verstehen das Projekt als riesengroße Chance, während andere die Gruppensitzungen mit Psycholog*innen, die Gespräche mit Sozialarbeiter*innen und die verordnete Berufstätigkeit als Zumutung erleben.

Der junge Nader (Youness Aabbaz), der wegen eines Raubüberfalls sitzt, bekommt die Chance in einem Autohaus zu arbeiten, wo er regelrecht aufblüht und sich gleich noch in eine Kollegin verliebt. Seine Schwester Yara (Aysima Ergün) wird währenddessen wegen Drogenhandels festgenommen, verurteilt und direkt in das Programm von »TRUST« aufgenommen. Mit anderen überfällt sie maskiert im Stil von Pussy Riot einen Juwelierladen und filmt die Aktion, die im Netz bald viral geht.

Herrscht in Rheinstadt jetzt das Chaos? Der Bürgermeister und sein Team versuchen in der Presse zu deeskalieren und fahren gleichzeitig die polizeilichen Kontrollen hoch. Wie traumatisierend ist es für Angehörige, deren Sohn von einem rechtsextremistischen Schläger getötet wurde, dem Täter zu begegnen, der, aus dem Gefängnis freigekommen, in Rheinstadt auf Parkwegen den Boden ausbessert? Und wie viel Panik wird gegenüber dem Sexualstraftäter Jens Föhl (Ulrich Brandhoff) im Netz inszeniert, als der freikommt. Wie geht die Sozialarbeiterin des »TRUST«-Projekts Eva Blum (Katharina Schüttler) damit um, dass ihr früher gewalttätiger Mann plötzlich freikommt und wieder bei ihr zu Hause wohnt?

Mitunter wirken diese Fälle auch arg konstruiert und bemüht. Sie zeigen eine durchweg migrantisch geprägte Stadtgesellschaft, in der es unter anderem einen karrierebewussten, nicht-weißen Bürgermeister gibt und eine afrodeutsche Psychiaterin, die im »TRUST«-Projekt für die Einstufung der einzelnen Teilnehmer zuständig ist. Wobei die arabischstämmige Community in dieser im Ruhrgebiet angesiedelten Geschichte übertrieben klischeehaft in Szene gesetzt wird. Wie sich diese Serie über die Länge der acht Episoden entwickelt, könnte spannend werden. Nach den ersten drei vorab zur Verfügung gestellten Folgen ist das nicht wirklich absehbar, aber in den verschiedenen, miteinander verknüpften Handlungssträngen steckt durchaus Potenzial.

Verfügbar in der ARD-Mediathek.

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