Flinta* March in Berlin gegen Rechtsruck und Patriarchat

Beim Flinta* March demonstrierten 15 000 gegen das Erstarken rechter und patriarchaler Kräfte

  • Laura Meng
  • Lesedauer: 4 Min.
Auf der Straße gegen das Patriarchat: Tausende Menschen demonstrieren in Berlin für mehr Schutz von Flinta*.
Auf der Straße gegen das Patriarchat: Tausende Menschen demonstrieren in Berlin für mehr Schutz von Flinta*.

Am Sonntag, einen Tag vor dem erneuten Einzug Donald Trumps ins Weiße Haus, hat sich ein breites Bündnis aus Gruppen wie Friedas for Future, Campact, Pinkstinks oder dem CSD Berlin zum Flinta* March 2025 versammelt. Auf dem Pariser Platz am Brandenburger Tor kamen rund 15 000 Menschen zusammen, um gegen die politischen Missstände zu demonstrieren, unter denen insbesondere Flinta* hier in Deutschland leiden.

Das Acronym Flinta steht für Frauen, Lesben, inter, nichtbinäre, trans und agender Personen. Das Sternchen am Ende soll zusätzlich weitere Variationen der Geschlechtervielfalt einbeziehen. »Smash the Cis-tem« und »My Body my Choice« waren als Klassiker unter den Demo-Schildern vertreten, aber »Omas gegen Rechts« oder »Lesben gegen Weidel« machten klar, dass dieser Flinta* March von einem globalen Rechtsruck überschattet wird.

Präsent waren auch die kommenden Bundestagswahlen, denn rechte Kräfte und misogyne Positionen von Politiker*innen gehören auch hier zur politischen Landschaft, wie Sky Kersten vom Bündnis Flinta* March 2025 gegenüber »nd« betonte: »Auch mit dem Erstarken der AfD und mit Friedrich Merz an der Spitze der CDU ist uns aufgefallen, dass es sehr viele Menschen sind, die aktiv gegen die Rechte von Flinta-Personen vorgehen wollen, und dagegen wollen wir ein Zeichen setzen.« Dabei bedingen sich die politischen Veränderungen laut Kersten gerade im Globalen Norden gegenseitig: »Auch dass Menschen wie Elon Musk versuchen, Einfluss auf politische Ereignisse in anderen Ländern zu nehmen, zeigt uns, dass globale Politik zusammenhängt. Wenn es in den USA schlimmer wird, wird es hier auch schlimmer.«

Im Fokus der Demo standen Forderungen nach einer Abschaffung des Abtreibungsparagrafen 218, dem Schutz des Selbstbestimmungsgesetzes und der Verabschiedung des geplanten Gewalthilfegesetzes.

Der Paragraf 218, der Schwangerschaftsabbrüche kriminalisiert, ist immer noch nicht abgeschafft und erschwert gebärfähigen Menschen den Zugang zu der Versorgung, die sie im Falle einer ungewollten Schwangerschaft brauchen.

»Wenn es in den USA schlimmer wird, wird es hier auch schlimmer.«

Sky Kersten Bündnis Flinta* March

Das Selbstbestimmungsgesetz, erst am 1. November in Kraft getreten, ist nun durch die anstehenden Neuwahlen bedroht. Die CDU möchte das Gesetz, sofern sie Regierungspartei wird, kippen. Dabei beinhaltet das Selbstbestimmungsgesetz einige Lücken, die trans*, inter und nichtbinären Menschen immer noch keine vollständige Anerkennung ihrer Geschlechtsidentität erlauben. So steht in Saunen weiterhin das Hausrecht über dem Geschlechtseintrag, und auch die Klausel des Militärgeschlechts zeigt, dass Selbstbestimmung nur bis zum Kriegsfall gilt.

Noch nicht verabschiedet wurde das Gewalthilfegesetz, obwohl die inzwischen zerbrochene Ampel-Regierung angekündigt hatte, damit den Schutz von patriarchaler Gewalt betroffener Menschen auszuweiten. Dass es in diesem Bereich einen großen Notstand gibt, zeigen unter anderem die 14 000 fehlenden Frauenhausplätze in Deutschland. Das Gesetz soll Betroffenen von Gewalt nach solchen Erfahrungen helfen. Ein beschlussreifer Gesetzesentwurf liegt zwar vor, dass es noch vor Ende der Legislaturperiode verabschiedet wird, ist unwahrscheinlich. Das Gesetz soll ein Hilfesystem bei geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt schaffen. Aktuell bezieht sich diese Hilfe aber nur auf die Unterstützung Betroffener nach Gewalterfahrungen.

Isabella Spiesberger vom Berliner Zentrum für Gewaltprävention (BZfG) nahm als Sachverständige an einer Ausschusssitzung im Bundestag zum geplanten Gewalthilfegesetz teil. Die Umsetzung des Gesetzesentwurfes sieht Spiesberger als unbedingt notwendig an. Gegenüber »nd« betont sie aber auch die Notwendigkeit von Gewaltprävention und Täterarbeit. »Es sind ja nicht immer die Situationen, die eskalieren, es ist eine Haltung, die dahintersteckt«, erläutert sie den Ansatz der Arbeit des BZfG. Genau bei dieser Haltung setzt die Beratung in der Gruppenarbeit an, schaut auf die Ursachen und sucht nach Handlungsalternativen in Konfliktsituationen.

»Täterarbeit nach dem Standard der Bundesarbeitsgemeinschaft Täterarbeit Häusliche Gewalt ist natürlich ein Punkt, der mit in das Gesetz sollte«, betont Laura, eine Demonstrantin, die in der Gewaltprävention arbeitet. »Ohne mit Tätern zu arbeiten, wird es sich nicht ändern. Täterarbeit ist der Schutz für Betroffene.« Ein weiterer Rechtsruck im Parlament könnte effektive Gewaltprävention umso mehr behindern, da der Ansatz der Täterarbeit in rechten und konservativen Kreisen oft abgelehnt wird.

Wie es mit dem Selbstbestimmungsgesetz und Paragraf 218 weitergeht, ist wohl eine Frage der nächsten Regierung; das Gewalthilfegesetz könnte theoretisch noch in dieser Legislaturperiode beschlossen werden. Aber der Beschluss bleibt aus. »Wir fragen uns alle, warum das Gesetz noch nicht in Kraft ist«, sagt Kersten wenig begeistert.

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