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Protest gegen geplante Gasförderung im Schwarzen Meer
Europäische Gaskonferenz in Bukarest beendet – Gegendemonstranten kritisieren Vorgehen der Polizei
Es ist nach eigenen Angaben Europas »exklusivste« Zusammenkunft »führender Entscheidungsträger«, wenn es um den Energieträger Gas geht: die European Gas Conference (EGC). Der »Energy Council«, ein Netzwerk aus Energielobbyist*innen und Investor*innen, lud dafür in Rumäniens Hauptstadt Bukarest ein. Am Mittwoch endete der dreitägige Gipfel, auf dem Gaskonzerne den Ausbau von Projekten in Zentral- und Südosteuropa planten.
Begleitet wurde diese Zusammenkunft von mehreren Protestaktionen: Nach eigenen Angaben nahmen etwa hundert Personen an dem Gegengipfel »People’s Summit« teil, der ebenfalls in Bukarest stattfand. Dort diskutierten Klimaaktivist*innen Alternativen zum Ausbau der Gasinfrastruktur in Europa.
Berichten von Aktivist*innen zufolge verhinderte die Polizei eine weitere Versammlung mit unverhältnismäßigen Mitteln. Francesca O’Brien von dem Zusammenschluss »People’s Summit against EGC« war vor Ort. Sie berichtet dem »nd«, dass eine Gruppe von etwa 60 Personen scheinbar grundlos festgesetzt wurde; auch nach einer erfolgten Ausweiskontrolle wurde sie mehrere Stunden lang festgehalten; einen Teil der Aktivist*innen nahmen die Beamt*innen zudem in Gewahrsam.
»Wir waren extrem überrascht von der Tatsache, dass Leute auf offener Straße ohne Begründungen mitgenommen worden sind«, so O’Brien gegenüber dem »nd«. Bereits zuvor hätte die Polizei das Hostel der Aktivist*innen aufgesucht und an der Rezeption deren Ausweise verlangt – was die Eigentümerin verweigerte. Ähnliche Szenen sollen sich am Veranstaltungsort der Gegenkonferenz abgespielt haben, erzählt eine Aktivistin aus Rumänien, die anonym bleiben möchte. Die Polizeistelle Bukarest äußerte sich bis Redaktionsschluss nicht gegenüber dem »nd«.
Die Aktivistin aus Rumänien spricht von gezielten Einschüchterungsversuchen der Polizei, um Menschen mundtot zu machen, die sich gegen den Ausbau von Gasprojekten engagieren. »Der rumänische Staat versucht uns zu kriminalisieren, weil wir uns gegen ein angeblich strategisch wichtiges Energieprojekt wenden, das Geld und Unabhängigkeit bringen soll.«
Bei dem Projekt handelt es sich um »Neptun Deep«: Im rumänischen Teil des Schwarzen Meers bereiten Petrom, eine Tochter des Öl- und Gaskonzerns OMV, und der staatliche Gasproduzent Romgaz derzeit Bohrungen vor; es handelt sich um das größte Vorhaben zur Gasgewinnung innerhalb der EU. Bereits ab 2027 soll Gas gefördert werden, und das bis ins Jahr 2047.
Das Projekt ist bei Umweltorganisationen umstritten, weil sie verheerende Auswirkungen auf das umliegende Ökosystem befürchten und ein gigantischer Treibhausgasausstoß damit einhergeht. Dass es überhaupt realisiert wird, ist wesentlich auf den Krieg in der Ukraine und die Energiekrise in Europa zurückzuführen.
Es gibt allerdings Zweifel an dem Argument, Europa müsse für die eigene Energiesicherheit weitere Gasfelder erschließen. Greenpeace verweist auf eine Analyse der Forschungsgruppe »Zero Carbon Analystics«, die ergab, dass die bestehenden Gasfelder in der EU, Norwegen und Algerien sowie bereits vereinbarte Langzeitverträge ausreichen, um die EU bis 2040 mit Gas zu versorgen – sofern die EU ihre eigenen Ziele zur Emissionsreduktion einhält.
Auch Francesca O’Brien sieht in der Begründung »Wir müssen weg von russischem Gas« einen Vorwand: »Genau mithilfe dieses Narratives wird die neokoloniale Expansion in Osteuropa vorangetrieben.« Darin liege auch einer der Gründe, warum die EGC dieses Jahr in Bukarest stattfand, und nicht wie sonst in Wien: »Der Umzug nach Bukarest steht sinnbildlich für die Expansion von OMV nach Osteuropa«, so O’Brien.
16 Mal lud der »Energie Council« die Gas- und Finanzindustrie nach Wien ein, zuletzt im Jahr 2023. Allerdings kam es dort zu immer heftigeren Gegenprotesten. 2024 fiel die EGC dann ganz aus, offiziell wegen »Sicherheitsbedenken«. Die Demonstrierenden werteten das als Erfolg – und sehen in ihrer Opposition einen zweiten Grund für den Umzug des Lobbytreffens. »In Bukarest gibt es eine wesentlich kleinere Gegenöffentlichkeit«, so O’Brien.
Aus den Augen, aus dem Sinn also? Vielleicht. Dabei wird es in Bukarest auch um Deutschland gegangen sein: Laut einer Liste von Teilnehmenden nahm neben OMV auch der deutsche Gasimporteur Uniper an der EGC teil. Wenige Tage vor dem Treffen in Rumänien berichtete die Nachrichtenagentur Reuters, dass die OMV-Tochter Petrom mit Uniper bereits eine Liefervereinbarung für »Neptun Deep«-Gas getroffen haben soll. Uniper wollte das Thema auf Nachfrage des »nd« nicht kommentieren.
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