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Jenseits der Kipppunkte
Tabitha Potthoff denkt über Auswege aus der Krise der Klimabewegung nach
Das Wissen um die Zerstörung des Planeten existiert, doch die Menschheit scheint nicht imstande zu sein, angemessen darauf zu reagieren. Nichts von dem, was klimapolitische Gruppen, Netzwerke oder Kampagnen ausprobiert haben, hat ein nachhaltiges Umdenken gebracht. Was folgt aus dieser bitteren Erkenntnis?
Die »Letzte Generation Österreich« hat sich mittlerweile dazu entschieden, ihren Protest einzustellen und Platz für neue Bewegungen zu machen. Doch ist es bereits zu spät für eine neue Bewegung, die sich an die Politik wendet? Oder braucht es angesichts der Tatsache, dass Kipppunkte im Klimasystem überschritten werden, vielmehr eine Vorbereitung auf kommende Krisen?
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Wer den Protest nicht aufgeben will, kommt eventuell zu diesem Schluss: Statt sich vor allem auf Störaktionen oder Appelle an die politischen Institutionen zu konzentrieren, könnten Bewegungen darauf abzielen, neue öffentliche Foren für gemeinschaftliche Entscheidungsfindung zu etablieren. Konkret ließen sich diese Ansätze durch lokal organisierte Klimaräte, basisdemokratische Versammlungen oder Bürgerforen umsetzen.
Tabitha Potthoff ist Klimaaktivist und baut zur Zeit in München die Gruppe "Widersetzen" auf, um lokal gegen die AfD zu mobilisieren.
Eine andere Strategie hat mit Protest im klassischen Sinne nicht mehr so viel zu tun: Die Bewegung akzeptiert den Klimakollaps als neuen Normalzustand und entwickelt alternative Lebensweisen. Dieser Ansatz ist ein Versuch, die Kontrolle über das Unkontrollierbare zu behalten und durch Vorbereitung einen Sinn in einer sonst destruktiven Realität zu finden. Die Akzeptanz des Kollapses bedeutet auch, das egozentrische Denken von Menschen zu hinterfragen und sich eine Welt vorzustellen, in der der Mensch eine Rolle innerhalb eines größeren ökologischen Netzwerks einnimmt, anstatt die Welt primär für den menschlichen »Fortschritt« zu gestalten. So eine Sichtweise könnte zu einem neuen Verständnis von »Weltbewohnbarkeit« führen und die Abkehr von einem auf Wachstum und Ausbeutung basierenden System fördern.
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Was theoretisch gut klingt, ist in der Praxis schwer umzusetzen. Allerdings kann das bewusste Akzeptieren und Vorbereiten auf die zunehmenden Verwerfungen bedeuten, neue (Hilfs-)Strukturen aufzubauen. Kollektives Handeln entgegen der neoliberalen Erzählung der Vereinzelung.
Der Protest bleibt wichtiger Teil davon: Der Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) zeigt, dass selbst die Verhinderung kleinster Temperaturanstiege Leben retten kann. Die vergangenen Jahre haben deutlich gemacht, dass unsere Protestformen kaum politische Umbrüche bewirkt haben. In Zeiten der Wiederkehr faschistischer Politik ist es weiterhin Pflicht, sich gegen diese Entwicklungen zu wehren. Gleichzeitig sollte man sich nicht darauf verlassen, dass der Staat oder internationale Strukturen das Ruder noch herumreißen. Es braucht den Aufbau eigener Strukturen – solidarische Netzwerke, Krisenvorsorge, dezentralisierte Energieversorgung –, um vorbereitet zu sein.
Die Klimakrise darf nicht länger als ein Umweltproblem missverstanden werden; sie ist eine existenzielle und moralische Herausforderung. Solidarische Praxis lässt sich erlernen – selbst, wenn die Politik nicht auf unsere Appelle reagieren sollte, gibt es dennoch Wege, gemeinschaftlich durch den Kollaps zu navigieren.
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