Denn sie bereuen nicht, was sie tun

Christoph Ruf kommentiert das Gerichtsverfahren gegen die ehemalige RBB-Intendantin Schlesinger

Patricia Schlesinger, ehemalige Intendantin des RBB
Patricia Schlesinger, ehemalige Intendantin des RBB

Lassen Sie uns doch gleich mit einer doofen Frage beginnen, nämlich der, ob 25 000 Euro ein hohes Monatsgehalt sind. Die meisten würden das natürlich, nachdem sie überschlagen haben, wie lange sie selbst dafür arbeiten müssten, bejahen. Doch möglicherweise führt das zu vorschnellen Ergebnissen. 25 000 Euro verdienen schließlich die meisten Durchschnittskicker hierzulande – in der 2. Bundesliga wohlgemerkt. Und mancher Zocker soll mit Bitcoin-Gedöns ähnliche Beträge in wenigen Sekunden verdient, sorry, »gemacht« haben. Da stelle ich mir den Job einer Intendantin doch anspruchsvoller vor. Aber viel Geld sind 25 000 Euro natürlich schon. Ein ordentliches Frühstück sollte zumindest drin sein.

Die an sich banale Frage, ab wann man »viel« verdient, habe ich mir vergangene Woche aus Anlass des Prozesses gegen die ehemalige RBB-Intendantin Patricia Schlesinger gestellt. Irgendwie geht man ja davon aus, dass Menschen, die es nicht so dicke haben, eher auf den Euro achten als die, die ihr Geld kaum noch zählen können. Dass das nicht der Fall ist, wenn es um Großzügigkeit geht, weiß jeder, der sich schon mal mit Pflegepersonal oder Bedienungen im Restaurant unterhalten hat: Ein angemessenes Trinkgeld zahlen fast immer die mit dem kleineren Portemonnaie. Und auch die kleine Dankesgeste im Pflegeheim kommt nur selten von Großverdienern.

Christoph Ruf

Christoph Ruf ist freier Autor und beobachtet in seiner wöchentlichen nd-Kolumne »Platzverhältnisse« politische und sportliche Begebenheiten.

Und wenn es nun so wäre, dass Menschen, die die Arbeit anderer Menschen wahrnehmen, auch einen richtigen Kompass dafür haben, was ihnen selbst zusteht? Während ein Teil der Elite per se zu denken scheint, dass er jeden Euro verdient, den er kassiert?

Schlesinger gibt vermutlich nur dann Trinkgeld, wenn es auf der Spesenrechnung vermerkt ist. Was jetzt spekulativ ist. Tatsache ist aber, dass im Zuge all der ihr zu Last gelegten Mauscheleien »versehentlich« Frühstücksquittungen des Ehemannes in ihren Belegwust geraten sind. Absichtlich hingegen widerfuhr das ihren eigenen Belegen über die Kosten von Abendgesellschaften im Bekanntenkreis, die für Schlesinger offenbar per se Teil des im Journalismus so wichtigen Netzwerkens waren, das keinesfalls beim abendlichen Menü enden darf. Anders gesagt: Wie kleinkariert muss man sein, wenn man sich als Top-Verdiener eine 30-Euro-Quittung (oder was ein Frühstück in diesen Kreisen kostet?) ausstellen lässt? Es ist diese Mischung aus Spesenjägertum und Skrupellosigkeit, die einen ratlos zurücklässt.

Denn es gibt ja doch einen Unterschied zwischen einem Zweitliga-Fußballprofi und Frau Schlesinger. Sie ist ganz gewiss nicht DIE Repräsentantin des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, zu der sie die üblichen Verdächtigen gerade machen. Aber eine Repräsentantin ist sie schon, wie all die redlichen RBB-Mitarbeiterinnen merken, die im Sendegebiet noch den Kontakt zum erbosten Beitragszahler haben, den Frau Schlesinger auf halber Strecke der Karriereleiter verloren hat. Und offensichtlich ist bei der guten Frau nicht nur das verschüttgegangen. Wer vor Gericht so selbstsicher lächeln kann wie sie, dem ist jede Selbstreflexion fremd. Schlesinger klagt derzeit übrigens auf ein lebenslanges Altersgeld von 18 000 Euro.

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