Jedes Jahr ein Kilo mehr

Australischer Mediziner warnt vor schleichender Gewichtszunahme

  • Barbara Barkhausen
  • Lesedauer: 4 Min.
Woher kommt der jetzt plötzlich?
Woher kommt der jetzt plötzlich?

Wer kennt das nicht – vor allem nach den Weihnachtsfeiertagen zeigt die Waage ein oder zwei Kilos mehr an. Das meiste lässt sich mit ein wenig Sport und Achtsamkeit wieder abbauen, doch grundsätzlich neigen Erwachsene dazu, mit zunehmendem Alter stetig an Gewicht zuzulegen.

Laut dem australischen Mediziner Nick Fuller, Direktor für klinische Studien in der Abteilung für Endokrinologie am RPA Hospital der University of Sydney, nehmen Erwachsene durchschnittlich ein halbes bis ein Kilo pro Jahr zu. »Auch wenn das jedes Jahr nicht viel zu sein scheint, beläuft es sich über ein Jahrzehnt auf fünf Kilo«, warnte der Experte. Die langsame, aber stetige Gewichtszunahme sei zudem der Grund, warum viele von uns die zusätzlichen Kilos erst in den Fünfzigern wahrnehmen würden.

Zur Gewichtszunahme kommt es laut Fuller durch subtile Veränderungen des Lebensstils im Laufe der Jahrzehnte sowie durch altersbedingte biologische Veränderungen. So nimmt das Aktivitätsniveau vieler Menschen mit zunehmendem Alter ab. »Längere Arbeitszeiten und familiäre Verpflichtungen können dazu führen, dass wir mehr sitzen und weniger Zeit für Bewegung haben, was bedeutet, dass wir weniger Kalorien verbrennen«, so Fuller.

Werde es in der Arbeit oder in der Familie hektisch, so würden einige zu Fertiggerichten und Fast Food greifen, erklärte der Arzt. Diese verarbeiteten Lebensmittel stecken jedoch voller Zucker, Salz und ungesunden Fetten. Nimmt der Stress zu – egal ob finanzieller, Beziehungs- oder arbeitsbedingter Stress – so erhöht dies die Cortisolproduktion unseres Körpers. Das löst Heißhungerattacken aus und fördert die Fettspeicherung.

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Zudem schlafen viele mit zunehmendem Alter weniger. Nicht genug Schlaf bringe den Energiehaushalt unseres Körpers durcheinander, was wiederum unser Hungergefühl verstärke, oft Heißhunger auslöse und unsere Energie verringere, so der australische Mediziner. Gleichzeitig verlangsamt sich der Stoffwechsel: »Etwa im Alter von 40 Jahren nimmt unsere Muskelmasse auf natürliche Weise ab und unser Körperfett beginnt zuzunehmen«, schrieb Fuller. Muskelmasse bestimmt jedoch unseren Stoffwechsel. »Wenn also unsere Muskelmasse abnimmt, beginnt unser Körper, im Ruhezustand weniger Kalorien zu verbrennen.«

Laut Fuller ist es aus zwei Gründen wichtig, eine Gewichtszunahme zu verhindern: Zum einen würden zusätzliche Kilos den Sollwert unseres Körpers zurücksetzen. Der Australier führt hierfür die sogenannte Set-Point-Theorie an, die besagt, dass jeder von uns ein vorgegebenes Gewicht oder einen Set-Point hat. Unser Körper arbeite daran, unser Gewicht in der Nähe dieses Sollwerts zu halten, indem er unsere biologischen Systeme anpasst, um zu regulieren, wie viel wir essen, wie wir Fett speichern und Energie verbrauchen.

»Wenn wir an Gewicht zunehmen, wird unser Sollwert auf das neue, höhere Gewicht hochgesetzt«, erklärte der Mediziner. Der Körper passt sich an – er »schützt« von nun an das neue Gewicht, was es wiederum schwierig macht, extra Kilos wieder zu verlieren.

Zum anderen kann Gewichtszunahme letztendlich zu Fettleibigkeit und damit zu Gesundheitsproblemen führen, wie beispielsweise Herzerkrankungen, Schlaganfälle, Typ-2-Diabetes, Osteoporose und verschiedene Arten von Krebs – darunter Brust-, Darm-, Speiseröhren-, Nieren-, Gallenblasen-, Gebärmutter-, Bauchspeicheldrüsen- und Leberkrebs.

Fettleibigkeit: Krankheit oder nicht?

Leiden Menschen mit Fettleibigkeit an einer Krankheit? Internationale Gesund­heits­experten haben sich intensiv mit der Frage beschäftigt und kommen in der Fachzeitschrift »The Lancet Diabetes & Endocrinology« zu dem Ergebnis: Es kommt darauf an. Um eine Diskriminierung der weltweit mehr als eine Milliarde Betroffenen zu ver­meiden und Fettleibigkeit gleichzeitig als Gesundheitsproblem benennen zu können, raten die Spezialisten dazu, den Begriff neu zu definieren.
 Die Ausgangslage ist komplex: Einerseits führt Fettleibigkeit – auch Adipositas genannt – zu einem erhöhten Risiko für Typ-2-Diabetes, Herzerkrankungen, einige Krebsarten und zu anderen Gesund­heits­problemen. Daher wird sie von der Weltgesundheitsorganisation als »chronisch-komplexe Krankheit« eingestuft. Auch einige Ärzte und Patienten kämpfen dafür, Fett­leibig­keit als Krankheit aufzufassen, um ihr die nötige Aufmerksamkeit zu verschaffen.
 Auf der anderen Seite gelten auch Menschen als fettleibig, die im Alltag nur wenige oder gar keine gesundheitlichen Probleme haben und ein aktives und gesundes Leben führen können. Sie sollten nach Ansicht von Aktivisten nicht als »krank« gelten.
 Experten schlagen nun vor, von einer »klinischen Fettleibigkeit« zu sprechen und diese als Krankheit zu benennen, wenn Organfunktionen des Betroffenen beein­träch­tigt sind. AFP/nd

Fuller empfiehlt deswegen verschiedene praktische Schritte, um einer Gewichtszunahme vorzubeugen. Dazu gehört, den Großteil der Nahrung früher am Tag zu sich zu nehmen und die Größe der Mahlzeiten stetig zu reduzieren, um sicherzustellen, dass das Abendessen die kleinste Mahlzeit ist. »Wir verbrennen die Kalorien einer Mahlzeit morgens 2,5-mal effizienter als abends«, sagt der Mediziner. Daher sei es gut für das Gewichtsmanagement, den Schwerpunkt auf das Frühstück statt auf das Abendessen zu legen. Sein zweiter Tipp ist in diesem Zusammenhang, mit Stäbchen, einem Teelöffel oder einer Austerngabel zu essen. All das fördere das langsamere Essen und gebe dem Gehirn Zeit, die Signale des Magens zu erkennen.

Weiter empfiehlt Fuller, »den vollen Regenbogen« zu essen. »Füllen Sie Ihren Teller zunächst mit Gemüse und Obst in verschiedenen Farben, um eine ballaststoff- und nährstoffreiche Ernährung zu unterstützen, die dafür sorgt, dass Sie sich satt und zufrieden fühlen«, erklärt der Experte. Bei der Auswahl der Nahrungsmittel gelte: »Greifen Sie zuerst nach der Natur« – gemeint sind frisches Gemüse, Obst, Honig, Nüsse und Samen.

Außerdem helfe es, in Bewegung zu bleiben. »Suchen Sie nach Möglichkeiten, gelegentliche Aktivitäten in Ihren Alltag zu integrieren – zum Beispiel die Treppe statt den Aufzug nehmen«, empfiehlt Fuller. Zudem sei es wichtig, jede Nacht mindestens sieben Stunden ohne Unterbrechung zu schlafen. Ein oder zwei Stunden vor dem Schlafengehen sollte nicht mehr auf Bildschirme geschaut werden. Und um der schleichenden Gewichtszunahme möglichst schnell auf die Schliche zu kommen, empfiehlt der Australier, sich einmal pro Woche zu wiegen – idealerweise am selben Tag, zur selben Zeit und in derselben Umgebung.

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