Klage gegen Berliner Polizei

Zefanias M. verlangt Schmerzensgeld vom Land Berlin – als Opfer von Polizeigewalt

Nennt sich selbst einen »Überlebenskünstler«: Zefanias M.
Nennt sich selbst einen »Überlebenskünstler«: Zefanias M.

Einen »Schauprozess auf Kosten des Landes Berlin«, nennt der verteidigende Anwalt einen Zivilprozess am Landgericht in der Tegeler Straße. Am Donnerstag ist der zweite Prozesstag in einem Verfahren, bei dem das Land Berlin um 10 000 Euro Schmerzensgeld angeklagt ist. Kläger ist Zefanias M., der in der Nacht vom 3. auf den 4. November 2019 in einer polizeilichen Kniefixierung landete – zu Unrecht und unverhältnismäßig gewaltvoll, wie er vor Gericht sagt.

M. ist in der Novembernacht nach eigenen Aussagen eingeschritten, als zwei Security-Mitarbeiter einen obdachlosen Mann am U-Bahnsteig an der Hermannstraße beleidigt haben sollen und vom Bahnhof drängen wollten. Eine der Videoaufnahmen, die am Donnerstag vor Gericht gezeigt werden, zeigt die Situation ohne Ton. Zu sehen sind zwei Wisag-Mitarbeiter, die scheinbar mit einem Mann reden, der auf einer Bank sitzt.

M. läuft vorbei und spricht den Mann und die Securitys an. Die Situation scheint sich schnell aufzuheizen, da sich M. und die Securitys näher kommen, bis einer von ihnen M. an den Arm fasst. Kurz darauf wird M. von einem Security mehrfach auf die Bank geschubst, wo der Mann zuvor alleine saß. Durch häufiges Schubsen hindern sie M. daran, aufzustehen. M. übt keine körperliche Gewalt auf die Securitys aus. Seine Arme streckt er, wenn möglich, zur Seite.

Nach circa fünf Minuten treffen erst zwei Polizisten ein, wenige Sekunden später ein weiterer Beamter und eine Beamtin mit Hund. Die Beamten »übernehmen« die Situation und drücken M. weiter in die Ecke auf der Bank. M. versucht erfolglos aufzustehen. Was genau in den Sekunden vor der Kniefixierung zwischen den Beamten und M. passiert, ist nicht eindeutig erkennbar. M. ist kurzzeitig in einer Art toten Winkel hinter einer Wand.

Eindeutig erkennbar ist, was wenige Sekunden darauf passiert. Ein Beamter drückt M. sein Knie in den Nacken, zwei Beamte fixieren seine Beine, die Beamtin steht mit bellendem Hund vor M., der sich nicht wehrt. Wie lange M. in der Kniefixierung ist, ist unklar. Ominöserweise fehlen auf allen BVG-Kameras an dem Bahnsteig dieselben 15 Minuten Videomaterial. Die Aufnahmen, die vor Gericht gezeigt werden, hat sich M. selbst besorgt – nach dem Vorfall erstattete er Anzeige gegen Unbekannt. »Gegen Unbekannt, weil die Polizei nicht gegen sich selbst ermittelt, wie mir ein befreundeter Polizist sagte«, erklärt M. vor Gericht.

Erst nachdem M. sich mehrfach übergab und das Bewusstsein verlor, ließen die Beamten von ihm ab, das zeigen die Videos. Eine der vier Beamt*innen sagt am Donnerstag vor Gericht aus. An viel kann sie sich nicht mehr erinnern, nur dass die Situation »sehr dynamisch« war und man M. fixiert habe, weil er »erheblichen Widerstand« geleistet haben soll. Ihre Kollegen können am Donnerstag nicht aussagen, da ihnen die Genehmigung fehlt.

Der verteidigende Anwalt, der mit einer Vertreterin der Senatsverwaltung für Finanzen anwesend ist, sagt, dass M. einen Beamten ins Gesicht geschlagen hätte. Das zeigen die Videos nicht. Er verteidigt das Verhalten der Beamten damit, dass sie seiner Meinung nach in Neukölln immer damit rechnen müssten, dass Menschen Messer dabeihaben und dass sie es bei M. mit einem »hoch alkoholisierten, konsumbehafteten und ohne Ende beleidigenden Menschen zu tun« gehabt hätten.

Der Prozess wird von der Kampagne »Knie im Nacken« begleitet, die gegen Polizeigewalt aktiv ist. Ziel der Kampagne ist es, Kniefixierungen als polizeiliche Maßnahme zu verbieten, da diese unkontrollierbar seien und tödlich enden können, wie nicht nur der Mord an George Floyd zeigt. Circa zehn Menschen sind dem Aufruf zur solidarischen Prozessbegleitung am Donnerstag gefolgt. Am 27. März wird der Prozess fortgesetzt.

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