Wahl in Belarus: Der ewige Lukaschenko

Der belarussische Präsident lässt sich bis Sonntag für seine siebte Amtszeit wählen

Wahl ohne Wahl: Die Menschen in Belarus sind dazu aufgerufen, Alexander Lukaschenko erneut die Legitimation zum Regieren zu erteilen.
Wahl ohne Wahl: Die Menschen in Belarus sind dazu aufgerufen, Alexander Lukaschenko erneut die Legitimation zum Regieren zu erteilen.

Seit fast 31 Jahren ist Alexander Lukaschenko Präsident von Belarus. Zweifel daran, dass noch ein paar Jahre hinzukommen, gibt es nicht. Dass Lukaschenko die am Sonntag endende Präsidentschaftswahl gewinnt und seine siebte Amtszeit antritt, ist jetzt schon sicher.

In Belarus spiele sich derzeit ein »absurdes Theater« ab, meint der politische Analyst Alexander Klaskowskij. Ursprünglich habe Lukaschenko nicht mehr antreten wollen, das soll er 2020 dem russsischen Präsidenten Wladimir Putin versprochen haben. Letztendlich sei er vom Volk aber überredet worden, so zumindest die Propaganda. Allerdings braucht es für eine Wahl zumindest den Anschein der Konkurrenz. So meldeten sich schnell auch ein paar Gegenkandidaten, von denen mehrere gleich die Segel strichen. Übrig blieben vier, von denen einzig Anna Kanopazkaja ein wenig Ausstrahlung hat. Sie stand bereits 2020 zur Wahl und kündigte anschließend an, eine demokratische Partei zu gründen. Geworden ist daraus nichts.

Lukaschenko will 80 bis 90 Prozent

Viele Analysten gehen davon aus, dass Lukaschenko sich am Ende zwischen 80 und 90 Prozent der Wählerstimmen zuschreiben wird. Wie viele Menschen im Land ihn wirklich unterstützen, lässt sich nur schwer einschätzen. Die britische Denkfabrik Chatham House geht nach einer Umfrage von jedem dritten Belarussen aus. Die Regierung ist hingegen um das Bild der Massen bemüht, die den Staatschef unterstützen. Landesweit werden dafür ganze Arbeitskollektive in die Wahllokale gefahren.

Lukaschenko habe »das Trauma, das 2020 bei ihm verursacht hat«, nicht überwunden, ist der Politikwissenschaftler und Analyst Artjom Schraibman überzeugt. Damals gingen tausende Belarussen nach der Präsidentschaftswahl monatelang auf die Straße. Die Heldinnen damals: Swetlana Tichanowskaja, Maria Kolesnikowa und Weronika Zekpalo. Ihr Zorn richtete sich vor allem gegen die Nichtzulassung mehrerer Oppositionskandidaten und die anschließende Fälschung der Abstimmung. Für die Straße war Tichanowskaja die Wahlsiegerin.

500 000 haben Belarus nach Protesten 2020 verlassen

Die Proteste haben Belarus verändert. Fast eine halbe Million Menschen hat seitdem das Neun-Millionen-Land in Richtung Europäische Union verlassen, darunter auch Tichanowskaja. Mindestens 3277 Menschen landeten nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Wjasna wegen der Teilnahme an den Protesten vor Gericht und im Gefängnis. Eine davon ist Maria Kolesnikowa.

Lukaschenko, der seitdem mit voller Härte regiert, überraschte seit Juni 2024 mit der Begnadigung von 265 politischen Häftlingen. Im November tauchte nach anderthalb Jahren erstmals wieder ein Lebenszeichen von Maria Kolesnikowa auf, als ihr Vater sie im Gefängnis besuchen durfte. Im Januar gab es das langerwartete Lebenszeichen von Wiktor Babariko, einem weiteren Gesicht der Wahl 2020.

Politische Häftlinge begnadigt

Wenige Tage vor der Wahl verschickte Lukaschenko ein weiteres vermeintliches Zeichen des guten Willens, als er diejenigen, die Belarus den Rücken gekehrt hatten, ein Rückkehrangebot machte. Doch der heimatlichen Umarmung folgte gleich die Drohung: Wer sich damals allerdings etwas zu Schulden habe kommen lassen, müsse mit Konsequenzen rechnen, schob Lukaschenko hinterher.

Auch weil es dieses Mal keine Wahllokale im Ausland gibt, muss Lukaschenko keine Opposition fürchten. Die hätte allerdings auch keine Identifikationsfigur mehr. Tichanowskaja lebt in Vilnius und reist von dort in verschiedene Hauptstädte, in denen sie empfangen wird, als wäre sie die Staatschefin von Belarus. Doch trotz Millionenzuwendungen aus Brüssel ist Tichanowskaja zu einer Königin ohne Gefolge geworden. Schon länger gibt es Vorwürfe, sie würde sich hauptsächlich um ihre Selbstdarstellung kümmern, statt um die Menschen in Belarus. Ihr Einfluss auf die Lage in ihrem Heimatland ist kaum noch messbar, die meisten Belarussen haben sich längst von ihr abgewandt.

Swetlana uTichanowskaja hat ihren Einfluss verloren

Stattdessen treibt Tichanowskaja Prestige-Projekte wie den »Pass des neuen Belarus« voran, den sie nach langer Verzögerung zur Wahl vorstellte. Ab Sonntag soll das 97 Euro teure Dokument laut Tichanowskaja gültig sein. Länder, die den Pass anerkennen, gibt es bisher aber nicht, stattdessen aber Ärger mit Litauen wegen des Pahonja, dem abgedruckten Wappen. Dieses ähnelt Vilnius zu sehr dem eigenen Wappen Vytis. Der Vorwurf: Tichanowskaja betrachte Litauen als Teil von Belarus – eine dankenswerte Steilvorlage für Lukaschenko. Der Opposition warf er vor, neben Litauen auch in Polen einen eigenen Staat gründen zu wollen. Alle drei Gebiete waren im späten Mittelalter und der Frühen Neuzeit im Großfürstentum Litauen vereint.

Lukaschenko selbst will nach der Wahl auch Richtung Westen schauen, ein neues Kapitel aufschlagen. Eigentlich möchte sich Belarus erneut in das Ringen um eine Friedenslösung in der Ukraine einbringen und damit seinen Wert demonstrieren. Das Europäische Parlament hat jedoch bereits beschlossen, die Wahl nicht anzuerkennen.

Deshalb, glauben Beobachter, könnte Lukaschenko auf die praktische Anerkennung setzen, wie die EU sie bei Putin und Aserbaidschans Herrscher Ilham Alijiew handhabt. Zu letzterem sind Ursula von der Leyen und Robert Habeck auf Kuschelkurs gegangen. Gefälschte Wahlen störten dabei nicht. Dass Lukaschenko damit durchkommt, ist sehr unwahrscheinlich. Er gilt zu sehr als »Marionette des Kremls« und verfügt über keine Ressourcen, die der Westen haben will. So könnte es darauf hinauslaufen, dass die »brüderliche Umarmung« mit Moskau zukünftig noch enger wird.

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