Union konkretisiert Plan für »sichere Grenzen«

Wagenknecht will Merz-Vorschlägen zustimmen, SPD und Grüne lehnen ab

  • Lesedauer: 5 Min.
Suchte auch am Wochenende wieder größtmögliche Medienpräsenz: Friedrich Merz, CDU-Bundesvorsitzender und Kanzlerbewerber
Suchte auch am Wochenende wieder größtmögliche Medienpräsenz: Friedrich Merz, CDU-Bundesvorsitzender und Kanzlerbewerber

Berlin. Nach den von Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz am Freitag angekündigten Forderungen nach einer Wende in der Migrationspolitik hat die CDU/CSU-Fraktion zwei Antragsentwürfe für den Bundestag vorgelegt. »Die aktuelle Asyl- und Einwanderungspolitik gefährdet die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger und das Vertrauen der gesamten Gesellschaft in den Staat«, heißt es in einem Papier, aus dem Nachrichtenagenturen und die »Bild am Sonntag« zitierten.

»Fünf Punkte für sichere Grenzen und das Ende der illegalen Migration«, heißt es in einem zweiseitigen Papier, das die Ankündigungen von Merz umsetzt. Die Union fordert darin dauerhafte Grenzkontrollen und die Zurückweisung ausnahmslos aller Versuche einer illegalen Einreise. Es gelte ein faktisches Einreiseverbot für Personen, die keine gültigen Einreisedokumente haben und die nicht unter die europäische Freizügigkeit fallen. »Diese werden konsequent an der Grenze zurückgewiesen. Dies gilt unabhängig davon, ob sie ein Schutzgesuch äußern oder nicht. In unseren europäischen Nachbarstaaten sind sie bereits sicher vor Verfolgung, einer Einreise nach Deutschland bedarf es somit nicht«, heißt es in dem Antragsentwurf.

Zu den fünf Punkten, die unverzüglich umgesetzt werden sollen, zählt ferner, dass nachvollziehbar ausreisepflichtige Personen »unmittelbar in Haft genommen werden«. Die Bundesländer sollen zudem mehr Unterstützung beim Vollzug der Ausreisepflicht erhalten. Zudem soll das Aufenthaltsrecht für Straftäter und sogenannte Gefährder verschärft werden.

Die Messerattacke von Aschaffenburg hatte die Migrationsdebatte in Deutschland rund einen Monat vor der Bundestagswahl neu in den Fokus gerückt. In der Stadt waren am Mittwoch ein zweijähriger Junge und ein Mann getötet sowie zwei weitere Menschen schwer verletzt worden. Als Täter festgenommen wurde ein 28-jähriger ausreisepflichtiger Afghane. In dem Antragsentwurf ist dazu von einer »neuen Dimension der Gewalt« die Rede, die Deutschland zunehmend erschüttere. Verwiesen wird auch auf die Anschläge von Mannheim, Solingen und Magdeburg.

Die Möglichkeiten für einen sogenannten Spurwechsel aus der irregulären in die reguläre Migration will die Union rückgängig machen.

In einem zweiten Antragsentwurf listet die Union weitere Forderungen für einen »Politikwechsel bei der Inneren Sicherheit« auf. Verlangt werden 27 Punkte, etwa Mindestspeicherfristen für IP-Adressen, mehr technische Befugnisse für Ermittler etwa zur elektronischen Gesichtserkennung, einen verbesserten Datenaustausch zwischen den Sicherheitsbehörden, eine Stärkung der Nachrichtendienste sowie härtere Strafen für Angriffe auf Polizisten, Rettungskräfte und Helfer. Angesichts der zunehmenden Gewalt sollen gefährliche Körperverletzungen mittels einer Waffe oder Messers künftig als Verbrechen geahndet werden.

Die Union plant zudem Bundesausreisezentren und will auch nach Afghanistan und Syrien abschieben. Der Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte soll beendet werden. Subsidiärer Schutz greift, wenn weder der Flüchtlingsschutz noch die Asylberechtigung gewährt werden, den Betroffenen aber im Herkunftsland ernsthafter Schaden droht. Die Möglichkeiten für einen sogenannten Spurwechsel aus der irregulären in die reguläre Migration will die Union rückgängig machen. Weitere Staaten sollen zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt werden. Bei schweren Straftaten sollen Doppelstaatlern die deutsche Staatsangehörigkeit entzogen werden können.

Merz will die Anträge in der anstehenden Plenarwoche in den Bundestag einbringen. SPD, Grüne und FDP hätten die Texte erhalten, schrieb Merz auf X. »Die AfD bekommt diese Texte nicht«, betonte er. »Wir können uns über das Wochenende miteinander verständigen, wie wir nächste Woche abstimmen. Spätestens nach Aschaffenburg gibt es keine Taktiererei und keine Spielchen mehr. Jetzt muss entschieden werden«, forderte Merz.

Der CDU-Chef hatte zudem bereits angekündigt, im Fall seiner Wahl zum Kanzler am ersten Tag im Amt das Bundesinnenministerium anzuweisen, alle deutschen Grenzen dauerhaft zu kontrollieren und alle Versuche der illegalen Einreise zurückzuweisen.

Bei SPD und Grünen als mögliche Koalitionspartner waren die Vorstellungen von Merz bereits auf heftigen Widerspruch gestoßen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der am Mittwoch eine Regierungserklärung zu den Konsequenzen aus der jüngsten Messerattacke abgeben will, sagte am Samstag auf mehreren Wahlveranstaltungen, Merz’ Pläne seien mit Grundgesetz und europäischen Verträgen nicht vereinbar. SPD-Chefin Saskia Esken warf Merz einen »Erpressungsversuch« vor.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND): »Nur mit der AfD gäbe es Mehrheiten für seine Pläne.« Die SPD-Politikerin warnte: »Wenn Herr Merz sich auf einen nationalen Irrweg begibt, dann hat die CDU jeden Kompass verloren.« Auch Scholz warnte in Wiesbaden: »Es darf keine Zusammenarbeit mit extremen rechten Parteien in Deutschland geben, zu keinem Zeitpunkt und nirgendwo.«

Merz steht in der Kritik, weil er vergangene Woche zunächst gesagt hatte, er werde Migrationsanträge in den Bundestag einbringen, »unabhängig davon, wer ihnen zustimmt«. Die AfD hatte daraufhin erklärt, die Brandmauer sei gefallen. Merz betonte nun in der »Bild«-Zeitung: »Es wird keine Zusammenarbeit mit der AfD geben. Darauf können sich alle verlassen.«

Die BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht hat hingegen in der Vergangenheit deutlich gemacht, dass ihre Partei Anträgen der AfD zustimmen werde, wenn sie diese für richtig halte. Auch die Unionsvorschläge zur drastischen Verschärfung der Migrationspolitik, hat Wagenknecht begrüßt, ihr gehen diese allerdings nicht weit genug. »Wir werden zustimmen, aber die Merz-Anträge sind teilweise bloße Symbolik und werden das Problem nicht lösen«. Wagenknecht wiederholte den BSW-Vorschlag, nur noch jenen Asylbewerbern ein Verfahren und soziale Leistungen zu gewähren, die nachweislich nicht über sichere Drittstaaten eingereist seien. Agenturen/nd

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -