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Armutsnachteil am Finanzmarkt
Eine neue Studie von Finanzwende belegt die Chancenungleichheit bei der Geldanlage
»Über Geld spricht man nicht in Deutschland«, sagt Britta Langenberg, »über wenig Geld erst recht nicht.« Die Leiterin des Bereiches Verbraucherschutz bei der Bürgerbewegung Finanzwende sagte dies am Montag bei der Vorstellung einer Studie über den »Armutsnachteil«. Dieser betrug im vergangenen Jahr 525 Euro. Über diese Summe könnte eine vermögensarme Person zusätzlich verfügen, wenn sie von Banken die Konditionen der Wohlhabenderen erhielte.
Die vermögensarme Hälfte der Bevölkerung verfügt über ein durchschnittliches Bruttovermögen von 6000 Euro, wovon nach Abzug der Schulden sogar nur noch rund 3300 Euro übrigbleibe, heißt es in der von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung geförderten Studie. Diese ist in Zusammenarbeit mit Forscherinnen der Universität Duisburg-Essen entstand, die ihrerseits auf Langzeitdaten des Sozio-oekonomischen Panels zugriffen. Die wohlhabendere Vermögensschicht darüber bringt es demnach im Schnitt auf ein Bruttovermögen von 149 000 Euro, während die oberen zehn Prozent sogar über 925 000 Euro pro Person verfügen.
Bestimmte Gruppen leiden laut den Autoren häufiger unter Armutsnachteilen. So gehören 57 Prozent der Menschen in Ostdeutschland zu dieser Gruppe. Bei Menschen mit Migrationshintergrund sind es mehr als zwei Drittel. Am höchsten ist die Quote der Vermögensarmen bei Alleinerziehenden (76 Prozent). »In der öffentlichen Diskussion fehlt allzu oft die Perspektive von Menschen mit wenig Geld«, kritisiert Langenberg. »Wenn es um Geldgeschäfte und um privaten Vermögensaufbau geht, müssen wir ihre Lebenswirklichkeit stärker berücksichtigen.«
Vermögensarme Menschen in Deutschland sind am Finanzmarkt häufig strukturell benachteiligt. Wer nur einen Notgroschen besitzt, legt ihn eher auf ein niedrig verzinstes Sparbuch als in einen lukrativen Aktienfonds an. Das mindert die Rendite. Die Kosten, die diese Gruppe für Finanzprodukte zahlt, sind aber häufig höher. Beispielsweise sind die Zinsen für einen kleinen Ratenkredit im Möbelhaus weit höher als für ein Immobiliendarlehen. Der oben genannte »Armutsnachteil« für Vermögensarme setzt sich also zusammen aus renditeschwächeren Portfolios, die im Schnitt allein 280 Euro ausmachen, und oft höheren Produktkosten, die noch einmal 245 Euro verursachen.
»Wir können nicht an einer Hälfte der Gesellschaft vorbei diskutieren, etwa wenn es um die private Altersvorsorge geht«, kritisiert Finanzwende in Richtung Politik und Medien. Moritz Czygan, Ko-Autor der Studie, weist darauf hin, dass »unterschiedliche Renditen und vor allem das niedrigere Startkapital von vermögensarmen Menschen dafür sorgen, dass der Graben zwischen den Vermögensgruppen immer weiter wächst«. Die strukturellen Nachteile seien so groß, dass sie durch individuelle Entscheidungen kaum überwunden werden könnten. Dies entlarvt laut Christina Schildmann von der Hans-Böckler-Stiftung »den Mythos, private Anlageformen könnten voraussetzungslos und für alle gewinnbringend soziale Sicherung leisten«.
Für viele Verbraucher fängt das Problem bereits beim Girokonto an. Zwar haben seit 2016 alle Menschen per Gesetz Anspruch darauf, aber nur auf ein sogenanntes Basiskonto (ohne Schufa-Auskunft). Dafür zahlen sie oft hohe Gebühren und auch mehr als noch vor zwei Jahren. Das zeigte kürzlich ein Vergleich der Stiftung Warentest. 2024 war eine Studie der Bundesbank zu ähnlichen Ergebnissen wie nun Finanzwende gekommen: In Deutschland wächst demnach die Vermögensungleichheit und ist im internationalen Vergleich »recht hoch«.
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