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Reedereien trotzen der Klimakrise

Die internationale Schifffahrt steht mit ihrem recht großem CO2-Fußabdruck an einem Wendepunkt

Noch werden die Öltanker repariert, wie hier ein Schiff auf der Strela Shiprepair GmbH in Stralsund. Aber Transportgut und Antrieb sind fossil.
Noch werden die Öltanker repariert, wie hier ein Schiff auf der Strela Shiprepair GmbH in Stralsund. Aber Transportgut und Antrieb sind fossil.

In den vergangenen zwei Jahrzehnten ist die Welthandelsflotte Jahr für Jahr größer geworden. Damit ist auch in Zukunft zu rechnen. Reedereien wie Cosco, Hapag-Lloyd und MSC investieren Milliardenbeträge in neue Schiffe. Und die Werften, vor allem in China und Südkorea, sind auf Jahre hin ausgebucht.

Container- und Frachtschiffe bewegen heute rund 90 Prozent des internationalen Handels. Und auch wenn der deutsche Exportmotor stottert, der Welthandel wird weiter wachsen, erwartet die Welthandels- und Entwicklungskonferenz UNCTAD. Aber die Schifffahrt ist zugleich für etwa drei Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich, und mit der wachsenden Flotte wird der klimapolitische Handlungsdruck größer.

»Die Entscheidungen werden die Regeln und somit die Verhaltensweise der gesamten Industrie in den kommenden fünfundzwanzig Jahren bestimmen.«

Lukas Leppert  Naturschutzbund Deutschland

Daher schaut die maritime Wirtschaft in dieser Woche gespannt nach London. Dort tagt bis Freitag der Umweltausschuss der Internationalen Schifffahrtsorganisation IMO. Ihr gehören 176 Mitgliedstaaten an – darunter USA, China und Deutschland. Das Ziel ist zwar bekannt: Bis spätestens zum Jahr 2050 will die maritime Wirtschaft klimaneutral sein. Nun soll das zuständige Marine Environment Protection Committee (MEPC) genaue Maßnahmen beschließen.

Alle IMO-Mitgliedstaaten müssen Verantwortung übernehmen und den »Flickenteppich aus regionalen Vorschriften« zugunsten von einheitlichen globalen Maßnahmen beenden, lässt sich der deutsche Reederverband VDR in Hamburg zitieren. Weltweit ist die deutsche Flotte mit mehr als 1700 Schiffen die Nummer drei bei Containerschiffen, den Packeseln der Globalisierung.

Schiffsabgase belasten die Luft auf See und in Küstenregionen. Sie entstehen an Bord durch die Kraftstoffverbrennung. Etwa in Nord- und Ostsee gelten jedoch andere Regeln für Emissionen – darunter auch Schwefel, Stickoxide und Ruß – als an der US-Küste oder in asiatischen Fahrtgebieten. So ist beispielsweise der Schwefelanteil in Schiffskraftstoffen weltweit seit 2020 auf 0,50 Prozent begrenzt. In Nord- und Ostsee gilt mit 0,10 Prozent ein noch strengerer Grenzwert.

Schiffe können diesen Wert einhalten, indem sie entweder auf schwefelarmen, aber teureren Kraftstoff umstellen oder indem sie Abgasreinigungssysteme an Bord einsetzen, sogenannte Scrubber, um weiterhin mit herkömmlichem, preiswertem Schweröl fahren zu können. Welche Methode über die ganze Lieferkette hinweg eine umweltfreundlichere Bilanz aufweist, ist unter Wissenschaftlern durchaus umstritten.

Der Umweltausschuss MEPC soll nun in dieser Woche zwei entscheidende Maßnahmen regeln: Einen einheitlichen Treibstoffstandard und ein einheitliches, weltweit gültiges CO2-Preissystem. Für Letzteres gibt es, vereinfacht dargestellt, zwei Modelle. Die Preise könnten gestaffelt werden, Schiffe mit hohen Emissionswerten würden dann pro Tonne Treibstoff vergleichsweise mehr zahlen als sauberere Schiffe. Der Alternativvorschlag lehnt sich an den Emissionshandel in der EU an. Für jede Tonne CO2, die ein Schiff ausstößt, müssen Verschmutzungsrechte erworben werden.

Die Crux ist in beiden Fällen die tatsächliche Höhe des Preises. Einerseits soll er wirtschaftliche Anreize setzen, weniger Emissionen auszustoßen, anderseits nicht so hoch sein, dass er Schifffahrt unwirtschaftlich macht. Vor allem ärmere Länder in der IMO pochen zudem auf einen Lastenausgleich mit dem globalen Norden. In Ländern des globalen Südens mit wenigen Straßen und einem dünnen Schienennetz spielt außerdem die wenig profitable Küsten- und Fluss-Schifffahrt eine zentrale Rolle. Pauschale CO2-Abgaben könnten deren Verkehr zumindest in Teilen lahmlegen.

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»Wir erwarten diese Woche eine Entscheidung«, sagt Lukas Leppert, Verkehrsexperte des Naturschutzbundes Deutschland (Nabu), auf nd-Anfrage. Es könnte ein Wendepunkt für das Klima weltweit sein. »Die Entscheidungen werden die Regeln und somit die Verhaltensweise der gesamten Industrie in den kommenden fünfundzwanzig Jahren bestimmen.« Der Nabu fordert wie andere Umweltorganisationen eine universelle Bepreisung aller Treibhausgase, mindestens 100 US-Dollar pro emittierter Tonne CO2 (zurzeit in der EU etwa 65 Dollar) sowie einen strengen und global gültigen Kraftstoffstandard.

Hier lauert die nächste Untiefe. Schiffsmotoren können nicht einfach mit x-beliebigen Treibstoffen fahren. Hinzu kommt die lange Nutzungsdauer von Frachtern von etwa drei Jahrzehnten. Auf dem Weg zu einer klimaneutralen Schifffahrt sollte daher grünes Methanol eine zentrale Rolle spielen, zeigt eine Studie des DLR-Instituts für maritime Energiesysteme im Auftrag von Greenpeace. Die IMO solle demnach verhindern, dass die Branche weiter auf fossile oder agrarbasierte Treibstoffe setzt, die dem Klima schaden und wertvolle Ökosysteme zerstören.

Anders als etwa Wasserstoff oder Ammoniak ist Methanol leicht zu handhaben und technisch reif für den Einsatz, zeigt die Studie. »Bestehende Schiffsmotoren können problemlos auf Methanol umgerüstet werden«, versichert Greenpeace-Sprecherin Clara Thompson. Allerdings gibt es grünes Methanol auf dem Treibstoffmarkt bislang kaum.

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