Abriss im Jahn-Sportpark: Eile nach dem Spatzen-Stopp

Weil Berlins Senat vor Gericht gewinnt, werden die Abrissarbeiten am Jahn-Stadion zügig fortgesetzt – zum Unmut von Naturschützer*innen

Wie es begann: Das Jahn-Stadion zu Abrissbeginn im Oktober 2024
Wie es begann: Das Jahn-Stadion zu Abrissbeginn im Oktober 2024

Kaum ist das Urteil gesprochen, rollen wieder die Bagger. Erst am Freitag hatte das Verwaltungsgericht einem Änderungsantrag des Senats stattgegeben. Nun machen sich die Maschinen seit Montagmorgen an der Osttribüne des DDR-Baus zu schaffen. Die Arbeiten schreiten offensichtlich schnell voran.

Schlechte Nachrichten für Berliner Aktivist*innen, die im November einen Abriss-Stopp zum Schutz nistender Spatzen durchsetzen konnten. »Wir prüfen gerade, ob es möglich ist, noch schnell etwas zu erreichen«, sagt Uwe Hiksch von den Naturfreunden Berlin zu »nd«. Der Umweltschutzverband befinde sich im Austausch mit seinem Anwalt, werde womöglich Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg einlegen. »Gut möglich, dass es dann schon zu spät sein wird.«

Wie auch die Bürgerinitiative Jahnsportpark fühlen sich die Naturfreunde Berlin von der Entscheidung des Verwaltungsgerichts übergangen. Dieses hatte sein Urteil mit der erfolgreichen Umsetzung europäischer Artenschutzmaßnahmen, sogenannter CEF-Maßnahmen, begründet. Nach dem Baustopp im November wurden Holzgerüste errichtet, die den Spatzen als Nistplätze dienen sollen. Ein Monitoring hat aus Sicht des Gerichts die Wirksamkeit der Ersatzniststätten sichergestellt. Der Gegenseite sei es nicht gelungen, dies erfolgreich infrage zu stellen.

»Beim Jahn-Sportpark ist es wie bei der Olympiabewerbung: Dem Senat ist der Breitensport offensichtlich nicht so wichtig wie seine Prestigeprojekte.«

Uwe Hiksch Naturfreunde Berlin

Die Naturschützer*innen hingegen sprechen von »windschiefen Sperlingstürmen« und »Do-it-yourself-Bretterwänden«. Bei eigener Prüfung habe sich gezeigt, dass die Nistplätze von den Vögeln nicht angenommen würden, so Hiksch. Es sei fatal, dass das Gericht seinen wegweisenden Beschluss aus dem November nun selbst einschränke und Tricksereien des Senats folge.

Den Naturfreunden gehe es schlichtweg ums Prinzip – darum, dass aufgestellte Regelungen zum Artenschutz auch eingehalten werden. »Der Spatz mag vielen als Allerweltsvogel erscheinen, aber er ist eben eine geschützte Art«, sagt Hiksch. Die Aktivist*innen gehen davon aus, dass die betroffene Kolonie durch die jetzt wieder aufgenommenen Abrissarbeiten deutlich schrumpfen wird.

»Der Senat hätte nur eine Brutzeit verloren, aber der Bausenator will eben um jeden Preis entschlossen auftreten«, kritisiert Hiksch den SPD-Senator Christian Gaebler. Die Finanzierung des Projekts sei noch nicht einmal sichergestellt, die Kosten für den Umbau des Jahn-Sportparks würden mit Sicherheit noch steigen. »Es droht eine Investitionsruine«, warnt Hiksch. Er rechnet mit einer Brachfläche über Jahre hinweg. Statt sich um zerfallende Sporthallen oder den Betrieb von Schwimmbädern zu kümmern, setze Schwarz-Rot die falschen Prioritäten. »Beim Jahn-Sportpark ist es wie bei der Olympiabewerbung: Dem Senat ist der Breitensport offensichtlich nicht so wichtig wie seine Prestigeprojekte.«

Während auf Grundlage des neuen Urteils an der Osttribüne schon jetzt weiter abgerissen werden darf, soll es am Rest des Stadions erst zum Beginn der Brutperiode am 1. März so weit sein. Der Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark gilt als bedeutendes Zeugnis der Ostmoderne. Bis 2027 will die Senatsbauverwaltung an seiner Stelle ein neues Stadion mit 20 000 Plätzen und barrierefreiem Zugang errichten.

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