Migrationspolitik: Die neue nationale Front

Wolfgang Hübner über den rechtspopulistischen Wahlkampf

Statement bei der Demonstration für Demokratie am letzten Wochenende in Köln
Statement bei der Demonstration für Demokratie am letzten Wochenende in Köln

Es war voreilig und unangemessen, als eine Bundestagsmehrheit im Herbst, nach dem Zerbrechen der Ampel-Koalition, ganze Sitzungswochen absagte. Mit der aberwitzigen Begründung, es gebe im Parlament ja nun nicht mehr viel zu besprechen.

Wer auch nur flüchtig auf die politische und soziale Lage in Deutschland blickt, erkennt schnell, wie unsinnig diese Behauptung ist. Viele Menschen kämpfen mit drastisch gestiegenen Mieten und Lebenshaltungskosten. Mietpreisbremse oder besser Mietendeckel, Mindestlohn, Rente, Pflegeversicherung, Tariftreue – das sind Themen, die den Alltag von Millionen Bürgerinnen und Bürgern dominieren und zu denen es Initiativen und Debatten gibt. Und sage niemand, dass der Bundestag vor der Wahl nichts praktisch Wirksames mehr beschließen könne. Das gilt für Anträge zu Migration und Asyl auch.

Doch über die wird öffentlich und medial laut und lange gesprochen. So laut und so lange, dass daneben kaum noch ein anderes Thema Platz hat. Migration und Asyl erscheinen einer nationalen Front von AfD und CDU und CSU bis FDP und BSW als geeignete Themen, um im kurzen Winterwahlkampf möglichst viele Wählerstimmen einzufangen. SPD und Grüne können oder wollen sich dem Sog dieser Auseinandersetzung nicht entziehen. Sie ist ein Durchlauferhitzer für die öffentliche Meinungsbildung, angefeuert vor allem von rechts.

In Deutschland gibt es, die Dunkelziffer eingerechnet, jedes Jahr mehrere hundert Mordfälle und Tausende Tötungsdelikte. Jedes Opfer und alle Hinterbliebenen verdienen Rücksicht und Anteilnahme. Nur in sehr ausgewählten Fällen kommt es zu Demonstrationen, Kranzniederlegungen, Gottesdiensten mit hochrangigen Politikern. Und noch seltener werden – wie jetzt nach der Mordtat von Aschaffenburg – politische Kampagnen mit Parteikalkül darauf aufgebaut. Das festzustellen ist kein Zynismus; zynisch ist die berechnende Art, mit der Politiker versuchen, aus menschlichem Leid Kapital zu schlagen.

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