Kulturkampf um mehr als ein Kulturzentrum

Potsdamer Initiative »Stadt für alle« präsentiert Dokumentation über scheinbar gezielte Kritik an linken Einrichtungen

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.
Herrschaftsallüren? Teile der Universität Potsdam sind in historischen Gebäuden im Schlosspark Sanssouci untergebracht.
Herrschaftsallüren? Teile der Universität Potsdam sind in historischen Gebäuden im Schlosspark Sanssouci untergebracht.

Illegale Migranten sollen im großen Stil abgeschoben und die »legalen geistigen Brandstifter« dazu gebracht werden, freiwillig umzuziehen. Wie das? »Man kappt einfach alle Gelder für ›karitative‹ oder ›demokratiefördernde‹ Vereine, schafft den Rundfunk ab und bekämpft auf akademischer Ebene jeden Fußbreit linker Ideologie.« Es müsse »ungemütlich werden für die Feinde Deutschlands, so wie sie es derzeit für die Befürworter einer deutschen Idee ungemütlich machen«. Und weiter: »Gender-Ideologie und kritische Rassentheorie gehören nicht nur belächelt, sondern aus dem akademischen Diskurs verbannt.« Amir Makatov schwebt »eine Art Cancel Culture von rechts« vor.

Wenn er nicht wie oben zitiert für das Medienportal Nius von Ex-»Bild«-Chefredakteur Julian Reichelt schreibt, studiert Makatov nach eigenen Angaben an der Universität Potsdam. Seine bei Nius veröffentlichten Pamphlete imitieren journalistische Formen wie Kommentar oder Bericht zuweilen recht gut. Zuletzt beschäftigte er sich mehrfach mit Themen aus Potsdam. So mokierte sich Makatov darüber, dass auf Antrag der linksalternativen Stadtfraktion »Die Andere« wegen des mitschwingenden Rassismus die Straße »Zu den drei Mohren« umbenannt werden solle, jedoch die nach Karl Marx und Friedrich Engels benannten Straßen unangetastet bleiben.

Während Makatov von einem »linken Kulturkampf« spricht, sehen ihn seine Widersacher als Puzzleteil eines »rechten Kulturkampfes«, der linke Potsdamer Kultur- und Jugendprojekte wie »Freiland« oder »Archiv« bedrohe. Am Freitag soll es eine Protestdemonstration geben. Das Motto: »Gemeint sind wir alle!« – also nicht nur das studentische Kulturzentrum KuZe, dessen Beschäftigten der Allgemeine Studierendenausschuss (Asta) aus politischen Gründen fristlos gekündigt habe. Treffpunkt ist um 16 Uhr der Universitätscampus am Neuen Palais. Von dort soll es zum KuZe in der Hermann-Elflein-Straße gehen.

Der Asta versichert: »Wir wollen das KuZe nicht schließen und auch nicht abschaffen.« Man habe sich aber gezwungen gesehen, die bestehenden Arbeitsverhältnisse »aufgrund von schwerem Fehlverhalten aufzulösen«. Verschiedene Kündigungen, die nicht allein das KuZe betreffen, sind schon Gegenstand von Arbeitsgerichtsterminen gewesen, bei denen Möglichkeiten für eine gütliche Einigung ausgelotet wurden.

Doch Holger Zschoge von der Initiative »Stadt für alle« sagt: »Es ist nicht nur ein arbeitsrechtlicher Konflikt.« Er sagt: »Es geht inzwischen um wesentlich mehr Einrichtungen als nur das KuZe.« Zusammen mit der Gruppe »Asta retten« trug die Initiative »Stadt für alle« Fakten zusammen, um die These von einem rechten Kulturkampf zu untermauern. Vor zwei bis drei Monaten begannen verschiedene Personen, Material zu sammeln, so heißt es. Vor vier Wochen legte eine siebenköpfige Recherchegruppe mit der »Arbeitsthese« eines rechten Kulturkampfes los.

So schildert Zschoge, wie die 21 Seiten zählende Dokumentation entstand, die er am Mittwoch zusammen mit Sara Krieg von »Asta retten« im Museum Fluxus vorstellte. Amir Makatovs Nius-Texte spielen dabei eine Rolle, aber auch, mit wem im Asta er liiert sei – was allerdings eine Privatangelegenheit und nicht von öffentlichem Interesse sein dürfte. Durchaus interessant dagegen, dass den rechten Kulturkämpfern eine Frau von der liberalen Hochschulgruppe zugeordnet wird, die früher mal bei der linken Hochschulgruppe aktiv gewesen sei.

Mehrmals um die Ecke denken muss der Leser der Dokumentation, wenn von Oskar Wiesatzki die Rede ist. Der gehöre nicht nur dem Studierendenparlament der Universität Potsdam an. Er ist auch CDU-Kreistagsabgeordneter in Potsdam-Mittelmark. Von da wird eine Verbindung zu der Landtagsabgeordneten Saskia Ludwig (CDU) gezogen. Die sorgte kürzlich mit der Empfehlung für Aufsehen, die CDU solle nach der Bundestagswahl am 23. Februar eine Koalition mit der AfD bilden. Die gezogene Verbindung von Wiesatzki zu Ludwig ist allerdings nur die, dass sich ein Teil von Ludwigs Wahlkreis auf Potsdam-Mittelmark erstrecke. Und Ludwig unterstützte bei der Wahl des Studierendenparlaments den Spitzenkandidaten des Rings christlich-demokratischer Studenten (RCDS). Sie ließ sich mit ihm fotografieren. Aber das war nicht Oskar Wiesatzki. »Die Recherche beruht ausschließlich auf belegbaren Fakten«, versichert Holger Zschoge. Man sage nicht, der sei ein Rechtsradikaler und jener ein Marktradikaler. Präsentiert werden Zschoge zufolge Zitate und andere Tatsachen, aus denen der Leser selbst Schlussfolgerungen ziehen solle.

Anschuldigungen, in einen Kulturkampf verwickelt zu sein, weist der Asta am Donnerstag zurück. In der Studierendenvertretung seien alle politischen Spektren präsent – von Jusos, über Grüne und Linke bis zum RCDS. »Die durchgeführten Maßnahmen sind keine ideologisch motivierten Eingriffe, sondern notwendige Schritte zur besseren Kontrolle öffentlicher Gelder, zur Transparenz und zur strukturellen Optimierung der Arbeit«, beteuert Referent Danylo Poliluev-Schmidt. »Einige Mitarbeitende des Asta haben über Jahre hinweg mutmaßlich Arbeitszeitbetrug begangen und auf Kosten der Studierendenschaft gelebt.« Auch gebe es Hinweise, dass Spenden veruntreut wurden. Bei einzelnen Beschäftigten, die ein Gesprächsangebot annahmen, werde gerade geprüft, ob ihre Kündigung zurückgenommen werden könne.

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