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Nach Rücktritt: Lieferando Berlin wählt neuen Betriebsrat

Initiative aus dem Management sorgt für Irritationen

Lieferando-Hub in der Kochstraße in Berlin-Kreuzberg
Lieferando-Hub in der Kochstraße in Berlin-Kreuzberg

Am Berliner Standort von Lieferando droht mal wieder Ungemach. Es geht um die anstehende Betriebsratswahl. Offenbar gibt es eine Intitiative aus dem Management, die sich entgegen den Vorgaben des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) in die anstehende Wahl einmischen will. Die Unternehmensführung bestreitet, involviert zu sein.

Für den Nachmittag des 5. Februar wird zur Teilnahme an einer »Betriebsversammlung zur Wahl eines Wahlvorstandes für den Betrieb Berlin« aufgerufen. Das geht aus einem Aushang hervor, der »nd« zugespielt wurde. Eingeladen sind alle Beschäftigten und Leiharbeitnehmer*innen, »außer leitende Angestellte, der Arbeitgeber beziehungsweise einer seiner Vertreter«. Als Besprechungsleiter der Versammlung ist der »Junior City Operations Manager« vorgesehen, so zumindest die Positionsbezeichnung, die der Mann auf seinem Profil auf der Plattform Linkedin angibt. Dort führt er Kenntnisse im Arbeitsrecht und im Betriebsverfassungsrecht an, die er unter anderem bei Lieferando erworben haben soll.

Das BetrVG sieht ein anderes Prozedere vor. Nur in Betrieben, in denen ein Betriebsrat erstmalig gegründet werden soll, wird der Wahlvorstand durch eine Wahlversammlung bestimmt. Gibt es wie bei Lieferando Berlin schon einen Betriebsrat, so hat er einen Wahlvorstand zu bestellen. Besteht acht Wochen vor Ablauf der Amtszeit des Betriebsrats kein Wahlvorstand, kann dieser auf Antrag von drei Wahlberechtigten durch das Arbeitsgericht eingesetzt werden.

Gibt es Zweifel daran, dass der Wahlvorgang samt Bestellung des Wahlvorstandes nicht rechtmäßig abgelaufen ist, so kann die Betriebsratswahl im Nachhinein angefochten werden.

»Der bisherige Betriebsrat signalisierte kein Interesse an einer konstruktiven Mitbestimmung.«

Lieferando

Der Vorgang ist Lieferando bekannt. Allerdings erklärt das Unternehmen »nd«, dass die Wahlversammlung durch Mitarbeitende initiiert wurde und die Geschäftsleitung darüber vorab nicht informiert worden war. »Aus dem leitenden Management ist unserer Kenntnis nach niemand in die Organisation der Wahlversammlung eingebunden«, teilt das Unternehmen mit.

Weiter erklärt Lieferando, dass eine Neuwahl nach dem laut BetrVG vorgeschriebenen Wahlturnus erst 2026 notwendig gewesen wäre. »Jedoch«, so das Unternehmen, »hat uns der amtierende Betriebsrat in der gestrigen Nacht von Montag auf Dienstag informiert, dass er zurückgetreten sei und einen neuen Wahlvorstand eingerichtet habe«. Die Geschäftsführung sei um 22:27 Uhr per Fax und E-Mail informiert worden. Man werde sich nun »auf die gebotene Unterstützung des Wahlvorstands und der Neuwahl beschränken«. Vom bisherigen Betriebsrat erhielt »nd« bis Redaktionsschluss keine Antwort.

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Das Unternehmen plädiere für eine ordnungsgemäße Neuwahl »im Einklang mit dem Betriebsverfassungsgesetz zugunsten der Betriebseinheit inklusive all seiner Mitarbeitenden«. Den künftigen Betriebsrat werde man unterstützen. »Der bisherige Betriebsrat«, so Lieferando, »agierte als autonome Selbstverwaltung, lehnt seit seiner Gründung 2022 regelmäßige Treffen mit dem Arbeitgeber kategorisch ab, blockierte sämtliche Neueinstellungsversuche und signalisierte auch in anderen Belangen kein Interesse an einer konstruktiven Mitbestimmung.« Als Betrieb wünsche man sich »natürlich eine konstruktive, ergebnisorientierte und rechtskonforme Mitbestimmung im Interesse aller Beteiligten.«

Der 2022 erfolgten Betriebsratsgründung waren rechtliche Auseinandersetzungen zwischen dem Unternehmen und der dominierenden Liste des Lieferando Workers Collective vorausgegangen. Im Sommer vergangenen Jahres gab es bundesweit 24 Betriebsräte, die etwa ein Drittel des Liefergebiets abdeckten.

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