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Brandenburg: Der Wolf im Visier
Agrarministerium will »Obergrenze« für Wölfe
Das brandenburgische Agrarministerium hält einen Abschussplan für Wölfe für notwendig. Bislang dürfen die Tiere der streng geschützten Art nicht getötet werden. Es gibt aber Bestrebungen, die Regelungen zu lockern.
Agrarstaatssekretär Gregor Beyer (parteilos), der politisch für das sogenannte Wolfsmanagement zuständig ist, sagte, Brandenburg habe weltweit die höchste Wolfsdichte. »Ich gehe davon aus, dass wir deutlich über 2000 Wölfe haben.« Sein Vergleich: Norwegen sei elfmal größer als Brandenburg und begrenze den Wolfsbestand auf 250 Individuen.
Es gehe um die Frage, wie viele Wölfe für Brandenburg verträglich seien, sagte Beyer. »Der Bestand der Wölfe soll ermittelt werden und dann eine Entnahmequote festgelegt werden.« Die Population werde damit aber nicht gefährdet: »Der Wolf gehört hierhin.«
Tierschützer und Landwirte streiten seit Jahren über den Umgang mit dem Wolf. Der Konflikt wurde schärfer, weil immer mehr Wölfe Schafe auch hinter Zäunen töten. In Cottbus hatte ein Wolf im vergangenen November auch Rentiere im Tierpark gerissen. Beunruhigte Bürger berichten von Wolfsstreifzügen in der Nähe von Wohnsiedlungen.
Nach dem Bundesnaturschutzgesetz ist der Wolf eine streng geschützte Tierart. Der Europarat hat aber den Weg dafür frei gemacht, den Schutzstatus zu senken. Damit wäre ein schärferes Vorgehen gegen Wölfe möglich. Bevor der gesenkte Schutzstatus in Deutschland gelten kann, muss aber noch das EU-Recht geändert werden. Hintergrund des Antrags ist, dass sich nach EU-Angaben die Zahl der Wölfe in Europa innerhalb von zehn Jahren fast verdoppelt hat.
Auch in Brandenburg steigt die Zahl der Rudel stetig. Nirgendwo in Deutschland gibt es laut Angaben der Behörden mehr Wolfsfamilien als in Brandenburg. Erst nach einer Änderung im EU-Recht könne Brandenburg ein aktives Bestandsmanagement – also die Verringerung der Wolfszahlen – umsetzen, wie es im Koalitionsvertrag vereinbart sei, sagte Beyer. 2026 könnte es nach seiner Einschätzung so weit sein: »Das wäre ein realistischer Horizont unter der Bedingung, die EU macht es wirklich.«
Zunächst soll der Wolf in Brandenburg nach dem Willen des Ministeriums als jagbare Art eingestuft werden. »Bis Mitte des Jahres ist er im brandenburgischen Jagdrecht«, kündigte der Staatssekretär an. Vor allem die Festlegung einer Wolfsobergrenze dürfte aber kein leichtes Unterfangen sein. Der Kurs des Staatssekretärs stellt jedenfalls eine Kehrtwende zur Position des früheren grün-geführten Agrarministeriums dar.
»Wir brauchen einen gesellschaftlichen Konsens, damit endlich diese Konflikte aufhören«, so Staatssekretär Beyer. Er kündigte an, er suche einen Dialog auf Augenhöhe und wolle zu einem »großen Wolfsplenum« einladen. Dort sollen sich dann Jäger, Landwirte und Naturschutzverbände austauschen.
In Schweden etwa ist eine streng kontrollierte Jagd auf Wölfe erlaubt. Bis Mitte Februar dürfen in fünf Wolfsrevieren insgesamt 30 der Raubtiere getötet werden. Streit wegen der Wölfe gibt es auch in Italien. In der Region Trentino-Südtirol wurden erst kürzlich tote Tiere entdeckt, die vermutlich vergiftet worden waren. Auch in Brandenburg wenden sich Tierschützer gegen illegale Wolfstötungen.
»Man kann ein gutes Miteinander finden zwischen Wölfen und Weidentierhaltern.«
Björn Ellner Nabu Brandenburg
Nach Zahlen des Bundesamtes für Naturschutz für das Monitoring-Jahr 2023/24 lebten in Brandenburg mit 58 Wolfsfamilien die meisten Rudel, gefolgt von Niedersachsen (48 Wolfsfamilien) und Sachsen (37).
»Obergrenzen lehnen wir ab«, sagt dagegen der Landesvorsitzende des Naturschutzbundes (Nabu), Björn Ellner. Abschüsse könnten drastische Folgen für die Wolfspopulationen haben: So könnten Abschüsse von Leittieren dazu führen, dass die verbliebenen Wölfe nicht mehr in Gruppen Wildtiere bejagen, sondern stattdessen individuell Weidetiere angreifen. Sinke die Population zu stark, komme es zu einer »genetischen Verarmung«. »In Skandinavien sehen wir große Inzucht-Probleme, weil die dortigen Wölfe so stark bejagt werden«, so Ellner. Sein Verband sei aber offen, Einzeltiere gezielt zu bejagen, wenn sie problematische Verhaltensmuster zeigten. Dazu gehöre etwa, dass einige Wölfe lernen können, Schutzzäune zu überwinden.
»Eine Obergrenze wird auf natürlichem Wege erreicht«, ist Ellner überzeugt. Die Wolfpopulation in Brandenburg befinde sich an einem Punkt, an dem die Jungtiere keine neuen Reviere erschließen könnten. Dies führe dazu, dass sich die Vermehrung der Wölfe auch ohne Eingriffe reguliere. »Es wird sich von selbst einpendeln«, glaubt Ellner. Weideviehhaltern rät er, sich um Schutzmaßnahmen zu kümmern: Zäune ziehen, Herdenschutzhunde anschaffen – oder Esel. Die Langohrträger zeigen im Angesicht von Raubtieren keine Panikreaktionen und vertreiben Angreifer mit Lärm. »Man kann ein gutes Miteinander finden zwischen Wölfen und Weidentierhaltern«, sagt Ellner. Für den Menschen seien die Wölfe ohnehin eine vernachlässigbare Gefahr, weil sie ihre natürliche Scheu nur in absoluten Ausnahmefällen ablegten.
Ellner bezweifelt, dass tatsächlich 2000 Wölfe durch Brandenburg streifen. »Die Zahl ist völlig unrealistisch«, sagt er. Das würde eine Zahl von mehr als 30 Tieren pro Rudel bedeuten, was sich nicht mit Beobachtungen vereinbaren lasse.
Für das von Beyer vorgeschlagene »Wolfsplenum« sei man aber offen. »Da sind wir gerne dabei«, sagt Ellner. In der Vergangenheit seien solche Gesprächsforen allerdings an den Jagdverbänden gescheitert. mit dpa
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