Jugendliche in der Ukraine: Vom Kreml entführt

Eine Großmutter und ein Betroffener berichten über die Verschleppung Jugendlicher aus der Ukraine. Bis zu ihrer Rückkehr war es ein harter Weg

  • Ardy Beld
  • Lesedauer: 13 Min.
Nikita mit seiner Großmutter Polina Kindra
Nikita mit seiner Großmutter Polina Kindra

Seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine am 24. Februar 2022 sind verschiedenen Berechnungen zufolge bis zu 31 000 Kinder und Jugendliche verschleppt worden. Der Kreml stellt die Zwangstransporte als Akt grenzenloser Nächstenliebe dar und spricht von »Zügen der Hoffnung«. In Wirklichkeit werden Waisenkinder, aber auch Kinder, deren Eltern oder andere nahe Verwandte leben, aus ihrem Umfeld gerissen.

Die Parlamentarische Versammlung des Europarates sieht es als erwiesen an, dass verschleppte ukrainische Kinder in russischer Sprache, Kultur und Geschichte unterrichtet und umerzogen werden. Die Verschleppung und Umerziehung der Kinder sind ein fester Bestandteil der Politik Moskaus. Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag sprach daher von einem vorsätzlichen Völkermord an der ukrainischen Bevölkerung. Die europäischen Richter erließen deshalb Haftbefehle gegen Präsident Wladimir Putin und Russlands Beauftragte für Kinderrechte Maria Lwowa-Belowa.

Die Organisation Save Ukraine setzt sich für die Rückkehr der verschleppten Kinder ein. Seit Beginn der Invasion konnte sie mehr als 500 Kinder retten. Nachfolgend die Schicksale von zwei Betroffenen.

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Nikita

Als die russische Armee am 1. März 2022 Cherson besetzt, befindet sich der neunjährige Nikita Bilantschuk in einer Kinderklinik in Oleschki, einem Vorort am linken Ufer des Dnjepr. Im Oktober 2022 wird der Junge zusammen mit 15 anderen Minderjährigen auf die Krim und von dort nach Krasnodar gebracht. Schließlich landet er in einem Heim im besetzten ukrainischen Badeort Skadowsk. Dort wird Nikita vom Internatsleiter Witalij Suk adoptiert. Suk ist ein ukrainischer Kollaborateur, der zuvor Fahrschulbesitzer war.

Nikitas Mutter Maria emigrierte bereits 2021 nach Ägypten und ließ ihren Sohn bei ihrem Ex-Freund Walentin, Nikitas leiblichem Vater, zurück. Der fühlte sich nicht für sein Kind verantwortlich. Nach der Invasion versteckte er sich, um nicht in die ukrainische Armee eingezogen zu werden. Nur Walentinas Mutter Polina Kindra sorgt sich um ihn. Sie arbeitet zu dieser Zeit als Gastarbeiterin in Polen. Mit Hilfe von Save Ukraine und Journalisten gelingt es ihr, Nikita nach einer monatelangen Odyssee zu befreien. Sie erzählt die Geschichte ihres Enkels.

Weil er an einer Stoffwechselkrankheit leidet und in seiner Entwicklung zurückgeblieben ist, kam Nikita im Alter von acht Jahren in eine Klinik in der Nähe von Cherson. Ich ging nach Polen, um Geld zu verdienen. Als Köchin konnte ich in der Ukraine nicht genug Geld verdienen, um Nikitas Spezialdiät zu bezahlen. Regelmäßig habe ich mit der Internatsleiterin telefoniert und ihr Geld überwiesen. Alles war in Ordnung, bis die Russen kamen. Nach der Besatzung wehrte sich die Leiterin vehement gegen die Deportation der Kinder nach Russland. Schließlich setzte man ihr eine Pistole an den Kopf. Da musste sie kündigen, und dieser schreckliche Mann aus der Fahrschule, Witalij Suk, übernahm die Leitung des Internats.

Suk ist ein großer Fan von Putin, dem Krieg und der Verschleppung der Kinder. Er sorgte dafür, dass Nikita und 15 andere Kinder deportiert wurden. Den russischen Behörden gegenüber hatte er vorgegaukelt, Nikita sei eine Waise. Erst nach Monaten habe ich ihn in Krasnodar aufgespürt. Aber Suk wollte Nikita unter keinen Umständen zurückgeben. Ich war ratlos. Ich begann von Polen aus Nachrichten in den sozialen Medien zu posten. Schließlich meldete sich eine ukrainische Fernsehsendung, die mich mit der Organisation Save Ukraine in Kontakt brachte. Zur gleichen Zeit erfuhr ich, dass Nikita aus Krasnodar verschwunden war. Monatelang wusste ich nicht, wo er war, bis mich Save Ukraine im Juni 2023 anrief und mitteilte, dass man ihn im besetzten ukrainischen Badeort Skadowsk gefunden hat. Sie hatten Kontakte zu Freiwilligen vor Ort geknüpft und eine Reise für mich organisiert.

»Handle schnell, denn Nikita ist in Russland zur Adoption freigegeben.«

Rat einer Bekannten an Nikitas Großmutter Polina Kindra

Über Belarus und Russland bin ich auf die Krim gefahren. Es war die Hölle. Überall gab es Kontrollpunkte. Jedes Mal wurde ich verhört und musste zeigen, was auf meinem Handy war. Überall standen Gruppen von maskierten russischen Soldaten. In der Nähe von Dschankoj im Norden der Krim hatten die Freiwilligen ein Bett für mich organisiert. Die Frauen, mit denen ich dort lebte, wollten mir nicht glauben, dass Russland meinen Enkel gestohlen hat. »Ich bin hier, um ihn abzuholen. Ich und Nikita sind der lebende Beweis«, habe ich ihnen gesagt. Aber sie wollten mir einfach nicht glauben.

Nach einer Woche Warten ging es endlich nach Skadowsk. Gegen 15 Uhr kam ich am Heim an. Dort sagte man mir, dass ich erst mal warten müsse. Nikita sollte gegen 16.30 Uhr mit den anderen Kindern von einem Ausflug zurückkehren. Ich wartete und wartete. Dann hörte ich plötzlich seine Stimme im Flur. Ich rief: »Nikita!« Er rannte zu mir und umarmte mich. Er fragte: »Oma, kommst du mich abholen?« Im Heim hatte man mir zugesagt, dass ich ihn in fünf Tagen mitnehmen dürfe, also sagte ich ihm das. Das stimmte dann aber nicht. Ich musste zurück nach Dschankoj. Ohne Nikita. Alles, was man mir erlauben wollte, war ein einziges Telefonat von maximal 15 Minuten pro Woche. Nikita wurde immer ungeduldiger. Er sagte: »Oma, du verarschst mich. Du holst mich gar nicht ab.« Schließlich verlangten die Besatzungsbehörden einen DNA-Test. Das Ergebnis musste aus Moskau kommen. Ich musste dafür nach Simferopol fahren und hatte große Angst, dass sie etwas verwechseln und mir deshalb Nikita nicht geben würden.

Die Bedingungen im Heim, einem ehemaligen Kindergarten, waren furchtbar. Viele Kinder hatten schwere psychische Krankheiten. Einmal zeigte mir eine Mitarbeiterin über eine Videoverbindung, wie Nikita schlief. Er lag in seiner Unterwäsche neben den anderen in einer langen Reihe auf einer schmutzigen Matratze.

Suk ist ein sehr grober und aggressiver Kerl. Er erzählte mir, dass Nikita ein Russe sei und er sein Vormund. Er schwor mir, ihn niemals abzugeben. Für jedes Kind erhält er nämlich humanitäre und finanzielle Hilfe.

Eine meiner neuen Bekannten in Dchankoj warnte mich: »Handle schnell, denn Nikita ist in Russland zur Adoption freigegeben. Wenn du ihn jetzt nicht mitnimmst, bekommt er einen anderen Namen. Dann wirst du ihn nie wiederfinden.« Zu diesem Zeitpunkt hatte ich bereits das DNA-Ergebnis. Es bestätigte, dass ich wirklich Nikitas Großmutter bin. Darüber war ich sehr froh. Aber Suk wollte davon nichts wissen und meinte, ich solle erst einen russischen Pass beantragen. Dann würde er sehen, was er für uns tun könne.

Wie durch ein Wunder habe ich es geschafft, ihn zu umgehen und mein Recht auf einer höheren Ebene zu suchen. Mit dem DNA-Test und den Freiwilligen konnte ich einen Minister aus den besetzten Gebieten erreichen. Er machte den Fall nach oben hin bekannt und schaltete sogar die staatliche Presse und die Kinderrechtsbeauftragte Maria Lwowa-Belowa ein. Sie veranstaltete rund um Nikita einen Medienzirkus für die russische Propaganda, vergoss für die Kamera sogar ein paar Tränen. Suk schaute die ganze Zeit beschämt auf den Boden. Lwowa-Belowa nahm mich für ein Privatgespräch zur Seite. Sie sagte: »Wenn du hier bei Nikita bleibst, schenken wir dir ein schönes Haus. Du bekommst ein Auto und Geld. Wir werden dir helfen, einen Job zu finden.« Ich sagte nur: »Nein!« und rannte mit Nikita aus dem Zimmer zum Kleinbus der Freiwilligen. Gott sei Dank konnten wir das besetzte Gebiet unversehrt verlassen. Bis nach Polen waren wir sieben Tage unterwegs.

Der Aufenthalt im Heim hat Nikita völlig verändert. Er wird ohne sichtbaren Grund wütend. Andere Kinder wollen nicht mit ihm spielen. Er schreit und schlägt ständig um sich. Er benutzt auch Schimpfwörter, von denen ich noch nicht mal wusste, dass es sie gibt. In Läden versucht er Sachen zu klauen. Er schläft auch sehr schlecht. Nikita spricht nie über seine Zeit in Russland und den besetzten Gebieten. Wenn er aber wütend ist, sagt er, er möchte nur in Russland leben, weil die Russen cool sind.

In Polen und später in Kiew wurde Nikita in einer Klinik untersucht und behandelt. In Kiew bekam ich auch das Sorgerecht für ihn. Heute leben wir mit meinem Mann in Georgien. Eine bewusste Entscheidung. Ich wollte, dass er weit weg von den Bombenangriffen ist. Nikita ist sehr unternehmungslustig. Wenn ich auch nur eine Sekunde nicht aufpasse, ist er schon wieder weggelaufen. Hier kann er in Ruhe und Frieden aufwachsen. Ich tue mein Bestes, um ihn gut zu erziehen und ihm viel Aufmerksamkeit zu schenken. Mein Traum ist es, dass er eine Ausbildung bekommt und ein guter Mensch aus ihm wird.

Rostislaw

Rostislaw Lawrow war gerade 16 Jahre alt, als die russische Armee sein Dorf besetzte. Er wohnte dort mit seiner Großmutter und seiner Mutter. Seinen Vater hat er nie kennengelernt. Als seine Großmutter kurz nach Beginn der Besetzung starb, erlitt seine Mutter einen Nervenzusammenbruch und wurde in eine psychiatrische Klinik eingewiesen. Zunächst alleingelassen, wurde Rostislaw nach vier Monaten von russischen Soldaten ins damals besetzte Cherson gebracht. Von dort ging es mit anderen Jugendlichen in ein Lager auf der Krim, wo Rostislaw sich weigerte, die russische Hymne zu singen und den Pass anzunehmen. Rostislaw wurde hart bestraft und von den russischen Jugendlichen schikaniert. Seine Geschichte erzählt er selbst.

Rostislaw feiert seinen 18. Geburtstag in Kiew.
Rostislaw feiert seinen 18. Geburtstag in Kiew.

Am 24. Februar 2022 sah ich es morgens im Fernsehen. Am frühen Nachmittag fuhren dann schon russische Panzer in unser Dorf rein. Es war Heidenlärm. Alle waren sehr verängstigt. In den ersten drei Wochen verließ niemand sein Haus. Also ging auch ich nicht mehr in die Schule. Bald kamen die Russen, um sich zu vergewissern, dass sich nirgendwo ukrainische Soldaten befanden und die Einwohner keine Waffen zu Hause hatten. Selbst den Gemüsegarten haben sie durchsucht.

Etwa zwei Wochen später starb meine Großmutter. Wenig später holte man auch meine Mutter ab. Sie hat eine psychische Krankheit und wurde in eine Klinik eingewiesen. Ich habe sie seitdem nicht mehr gesehen. So lebte ich vier Monate lang allein in unserem Haus. Am Anfang hatte ich genug zu essen und ein bisschen Geld. Dann fing ich an, im Garten von Nachbarn zu arbeiten. Dafür bekam ich Geld oder Lebensmittel. So konnte ich mich über Wasser halten.

Die Russen hatten einen Kollaborateur aus einem anderen Ort zum Dorfältesten ernannt. Er kannte mich nicht, aber sobald er von mir hörte, stand er mit fünf Soldaten vor der Tür. Er sagte mir, ich solle nach Cherson gehen. Am nächsten Tag wurde ich abgeholt. Nach drei Wochen in Cherson wurde ich gemeinsam mit anderen Jugendlichen in einen Bus gesetzt und in ein Lager in der Nähe von Jewpatorija im äußersten Westen der Krim gebracht. Dort waren etwa 600 Kinder aus dem Gebiet Cherson.

Jeden Morgen mussten wir die Hymnen Russlands und der Krim singen. Ich habe mich geweigert und wurde dafür bestraft. Beim ersten Mal musste ich einen Aufsatz schreiben und darin erklären, warum ich nicht mitsingen will. Beim zweiten Mal wurde ich zum Lagerdirektor gebracht, der mich streng ermahnte. Beim dritten Mal wurde ich vier Tage lang allein in einem Raum mit vergittertem Fenster eingesperrt. Viermal war ich in diesem Raum. Ansonsten war das Leben im Lager eintönig.

»Regelmäßig mussten wir Propagandaveranstaltungen über uns ergehen lassen.«

Rostislaw Lawrow

Nach zweieinhalb Monaten ging es in ein anderes Lager in der Nähe, wo uns ein Komitee besuchte. Unsere Aufseher verlangten von uns, zu marschieren und aufrecht zu gehen. Sie wollten den Mitgliedern des Komitees zeigen, dass sie uns unter Kontrolle hatten, dass wir bereits Russen geworden waren. In diesem Lager verbrachte ich weitere zwei Monate.

Regelmäßig mussten wir Propagandaveranstaltungen über uns ergehen lassen, in denen vom baldigen Ende der Ukraine die Rede war. Das war ein abendfüllendes Programm. Wir mussten den Mund halten und zuhören. Wenn mich jemand lachen oder mit meinem Nachbarn reden sah, musste ich wieder zum Direktor und nach der Ermahnung in Einzelhaft.

Bei einigen Kindern war die Gehirnwäsche erfolgreich, sie waren Russen geworden, die nur noch nach Russland wollten, um sich dort adoptieren zu lassen. Meist waren das Waisen. Es gab aber auch Kinder, deren Eltern in den besetzten Gebieten lebten.

Wir Älteren wurden irgendwann zur Lagerleitung gerufen, die uns sagte, wir sollen uns nützlich machen. Was wir wollten, interessierte sie nicht. Mit zwei Freunden wurde ich zur Schweißerausbildung an die Marineschule in Kertsch geschickt. Dass ich in der Ukraine gerade eine IT-Ausbildung begonnen hatte, war völlig irrelevant. Man entschied für uns.

Die Abreise nach Kertsch kam sehr plötzlich. An der Marineschule waren wir die einzigen Ukrainer. Von den meisten russischen Schülern wurden wir beschimpft. Zwei von ihnen waren aber in Ordnung. Wir haben uns angefreundet, sie waren gegen den Krieg.

Die Schule begann meist mit Russischunterricht. Ich konnte Russisch weder gut sprechen noch schreiben. Die Lehrerin war sehr streng. »Du wirst von Russland erzogen und solltest Russland deshalb auch Respekt zeigen«, fuhr sie mich an. Ich habe nichts entgegnet. Ich hatte Angst.

Im Geschichtsunterricht wurde uns beigebracht, dass Cherson, Charkow und Kiew russische Städte seien. Dreimal pro Woche gab es zudem eine militärische Vorbereitung, in der wir den Umgang mit Gewehren und Granaten lernen sollten.

Nachdem wir sechs Monate in Kertsch waren, erfuhr die Mutter von einem meiner beiden Freunde, wo wir waren und bereitete mit Freiwilligen alle Papiere für uns vor. Die Eltern des zweiten Freundes sind taubstumm und konnten nicht selbst auf die Krim kommen. Deshalb gaben sie der anderen Mutter eine Vollmacht mit. Sie hatte auch ein Papier dabei, auf dem stand, dass sie mein Vormund sei. Als sie endlich ankam, sagte der Schuldirektor zu mir: »Du kannst nicht gehen, du hast bereits eine Mutter, die schon längst einen russischen Pass hat. Du wirst schön hierbleiben.« Ich war mir sicher, dass meine Mutter nicht einmal wusste, dass sie einen russischen Pass bekommen hatte. Sie ist immer noch in einer Klinik in den besetzten Gebieten. Meine beiden Freunde sind ohne mich gegangen. Ich blieb allein zurück.

Ich habe ständig daran gedacht, wegzulaufen, hatte aber Angst, denn das hätte schreckliche Folgen gehabt. Das wurde mir auch gesagt. »Wir werden dich überall finden.« Kurz darauf begannen die Sommerferien. Meine Freunde waren wieder zu Hause. Auch die russischen Schüler fuhren zu ihren Eltern. Ich durfte nicht allein im Wohnheim bleiben, weshalb man mich wieder in ein Lager schickte. Dort war es noch schlimmer als in den beiden, die ich schon erlebt hatte. Ich durfte nur zwei Stunden am Tag an die frische Luft gehen. Um Sport zu treiben oder einfach ein bisschen herumzulaufen. Den Rest des Tages musste ich im Schlafsaal sitzen, fernsehen und mit den anderen Jungen reden. Mein Telefon durfte ich nicht benutzen.

Als ich im Herbst wieder in die Seefahrtschule zurückgekehrt bin, begann ich über Telegram mit ukrainischen Freiwilligen zu kommunizieren. Dabei musste ich sehr vorsichtig sein und mein Telefon die ganze Zeit verstecken. In der ersten Woche durfte ich das Wohngebäude nicht allein verlassen. Um der Schulleitung zu gefallen, habe ich behauptet, dass ich Russland wirklich cool finde, dort bleiben und einen russischen Pass beantragen wolle. Das haben sie mir abgekauft. Danach konnte ich wieder alleine losziehen.

Mit den Freiwilligen haben wir besprochen, wie ich am besten fliehen konnte. Sie versprachen mir, jemanden mit einem Auto zu schicken und bereiteten alle Dokumente vor, um durch die Kontrollstellen zu kommen. An einem Freitag im Oktober 2023 war es endlich so weit. Nach der Schule ging ich zum vereinbarten Ort. Dort stand tatsächlich der Mann mit dem Auto. Ich stieg ein und war zuerst sehr erleichtert. Dann bekam ich immer mehr Angst, dass man uns anhalten würde. Später erfuhr ich, dass man mich bereits am nächsten Tag gesucht hatte, sogar mit Plakaten.

Über den Fluchtweg darf ich nichts sagen. Nur dass es sehr lange gedauert hat. Ich war sehr glücklich, zurück zu sein. Ich konnte meinen Augen nicht trauen. Wir kamen nachts in Kiew an. Ich dachte zunächst, ich würde träumen. Am nächsten Morgen habe ich mir als Erstes eine ukrainische Limonade geholt, die ich in der ganzen Zeit schrecklich vermisst hatte.

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