»Die Riviera des Nahen Ostens«

Trumps Pläne für den Gazastreifen rufen im arabischen Raum schlimme Befürchtungen hervor

  • Oliver Eberhardt
  • Lesedauer: 4 Min.
Ein Mann verkauft Waren vor den Trümmern zerstörter Gebäude in der Saftawi-Straße in Jabalia im nördlichen Gazastreifen.
Ein Mann verkauft Waren vor den Trümmern zerstörter Gebäude in der Saftawi-Straße in Jabalia im nördlichen Gazastreifen.

Der Schaden ist immens, möglicherweise nicht reparierbar. »An solchen Beispielen sieht man: Wahlen haben Konsequenzen«, sagte der CNN-Chefkorrespondent für US-Innenpolitk, John King, in einer Sendung des Nachrichtensenders. Präsident Donald Trump sitze da und spreche von der Vertreibung von mehr als zwei Millionen Menschen so, als erkläre er gerade, dass vor dem Dienstag der Montag liegt und davor das Wochenende.

Noch einmal ganz kurz: Der Präsident der Vereinigten Staaten möchte gerne die 2,1 Millionen Bewohner des Gazastreifens in andere arabische Staaten umsiedeln; die USA würden den Landstrich übernehmen und wiederaufbauen, zu einer »Riviera des Nahen Ostens«.

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Trump wärmte alte Idee auf

Neu ist seine Idee nicht: Schon in seiner ersten Amtszeit hatte er einen ähnlichen Plan vorgestellt. Doch dieses Mal nicken die Regierungen und Diplomaten der arabischen Länder nicht nur freundlich und warten darauf, dass die Idee aus den Nachrichten verschwindet, bevor jemand glaubt, dass das ernst gemeint ist. »Wir müssen das dieses Mal ernst nehmen«, sagt Tamim Khallaf, Sprecher des ägyptischen Außenministeriums, nachdem er nochmals die ägyptische Position betont hat: Man sei strikt gegen eine Umsiedelung, werde keine weiteren Palästinenser aufnehmen, auch nicht gegen finanzielle Anreize. Ähnliche Aussagen sind aus allen Hauptstädten der Region zu vernehmen: Bekenntnisse zum Recht der Palästinenser auf einen eigenen Staat. Der Wille, keinesfalls klein beizugeben.

Trump jedoch scheint überzeugt: »Sie werden es tun. Wir tun so viel für sie.« Tatsächlich ist die Realität differenzierter: Ägypten erhält derzeit 1,3 Milliarden Dollar jährlich an Militärhilfen; nach Jordanien sollten dieses Jahr 2,1 Milliarden Dollar Wirtschafts- und Militärhilfen fließen. Der Irak sollte knapp unter 300 Millionen Dollar erhalten.

Andererseits profitieren die USA von der Nachfrage aus den Staaten der arabischen Halbinsel: Allein Saudi-Arabien hat noch bestellte Rüstungsgüter im Wert von 126,6 Milliarden Dollar bei US-Unternehmen offen, die noch der Lieferung harren. Hinzu kommen wichtige US-Militärbasen in der Region. Und so lässt die saudische Regierung in den Zwischentönen auch keinen Zweifel daran, dass man die Verträge durchaus kündigen könne, falls Trump seine Rethorik nicht deutlich runterpegeln sollte.

Jordanien, das nach Trumps Willen einen Großteil der Gaza-Bevölkerung aufnehmen soll, hat sich schon unmittelbar nach dessen Amtsübernahme abrupt auf eine neue Realität einstellen müssen: Das wirtschaftlich stark angeschlagene Land gehört zu jenen Staaten, die von der derzeit auf 90 Tage befristeten Einstellung der US-Zahlungen betroffen sind. Nur Ägypten und Israel wurden vom Zahlungsstopp ausgenommen.

Riad nähert sich an Peking an

Das Vertrauen in die USA als verlässlicher Partner war bereits beschädigt, bevor Trump seinen Riviera-Plan auf die Tagesordnung beförderte. Egal, wohin man schaut: Überall sucht man nach neuen Partnern – die Europäische Union, aber vor allem China kommen hier infrage. China versucht schon seit Jahren an Einfluss in der weiteren Region zu gewinnen. Die Führung in Peking hat sich an Riad und Teheran angenähert, dazu beigetragen, dass es zu einer Annäherung zwischen den Erzfeinden Iran und Saudi-Arabien kam und damit zu einem Abflauen des Stellvertreterkriegs im Jemen.

Im arabischen Raum steht vor allem die Befürchtung im Raum, die Trump-Regierung könnte versuchen, ihren Willen mit Waffengewalt durchzusetzen, indem sie das Militär nach Gaza schickt und versucht, die dortige Bevölkerung zwangsweise in die arabischen Nachbarländer umzusiedeln. Seit den Entwicklungen in den USA nach Trumps Amtseinführung halten selbst völlig geerdete Diplomaten und Politiker nichts mehr für ausgeschlossen.

Die Folgen der Umsetzung von Trumps Plänen wären katastrophal: Die Menschen müssten untergebracht und versorgt werden, in Ländern, die sich wie Ägypten oder Jordanien, in einer tiefen Wirtschaftskrise befinden. Zudem würde eine solche Umsiedelung zu Massenprotesten, möglicherweise auch Gewalt überall in der Region führen. Denn zum einen haben die USA durch den Krieg im Irak sowie ihre Rolle im Syrien-Krieg einen ausgesprochen schlechten Ruf. Zudem wurde spätestens bei Trumps Treffen mit dem israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu deutlich, dass es letztlich um eine israelische Besiedelung des Gazastreifens geht, ohne die dortige Bevölkerung.

Die Palästina-Frage hatte zwar über Jahre bei der Arabischen Liga keine Rolle mehr gespielt. Im öffentlichen Bewusstsein ist sie aber dennoch sehr präsent. Jede arabische Regierung, die auch nur den Anschein erweckt, bei Trumps Plan mitzumachen, müsste also mit ihrer Absetzung rechnen. Und das würde wiederum auch Israel schaden.

Seit den 90er Jahren wurde die nationale Sicherheit des jüdischen Staates rund um eine Kooperation mit Jordanien, Ägypten und, in letzter Zeit, auch Saudi-Arabien aufgebaut. Als die iranischen Revolutionsgarden im vergangenen Jahr zwei Raketenangriffe auf Israel starteten, zeigte sich, wie wertvoll diese Zusammenarbeit ist.

Netanjahu und die Rechten in seiner Regierung finden Trumps Plan trotzdem ganz famos. Dennoch würde er zwangsweise auch an Israel scheitern. Denn spätestens 2026 sind Wahlen. Und derzeit deutet nichts darauf hin, dass Netanjahu danach weiter an der Macht sein wird.

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