Werbung

Verdi: »Der Arbeitsdruck steigt«

Am Mittwoch gehen die Tarifverhandlungen bei der Deutschen Post AG in die dritte Runde

Nur mit gut bezahltem Personal kann sich die Deutsche Post zukunftsorientiert aufstellen.
Nur mit gut bezahltem Personal kann sich die Deutsche Post zukunftsorientiert aufstellen.

In den aktuellen Tarifverhandlungen stellt die Post den Spielraum für Lohnerhöhungen als »sehr gering« dar, weil die Briefmengen im Digitalzeitalter schrumpfen und der Investitionsbedarf groß sei. Sind Ihre Forderungen nach sieben Prozent mehr Lohn dennoch realistisch?

Es ergibt sich momentan ein erhöhter Investitionsbedarf, doch ohne gut bezahltes und gut ausgebildetes Personal wird die Deutsche Post sich nicht zukunftsorientiert aufstellen können. Daher ist die Forderung nach sieben Prozent nicht nur realistisch, sondern unbedingt nötig. Die Briefmengen sind in den zurückliegenden Jahren kontinuierlich leicht gesunken. Doch es muss auch bedacht werden, dass dementgegen die Paketmengen mindestens im selben Maße gestiegen sind. Die gestiegenen Mengen an Werbung dürfen auch nicht außer Acht gelassen werden, denn hier wird jetzt ein höherer Umsatz generiert. Meine persönliche Meinung ist zudem, dass in der Vergangenheit viele Probleme hausgemacht wurden. Falsche Investitionen und daraus resultierenden falsche Entscheidungen dürfen nicht auf dem Rücken der Mitarbeiter lasten.

Das Porto für einen Standardbrief beträgt seit Jahresfrist 95 und nicht mehr 85 Cent. Die Arbeitgeberseite der Post argumentiert nun, dass dies immer noch nicht ausreiche, um kostendeckend zu wirtschaften. Oder, um die erwarteten Lohnerhöhungen bezahlen zu können. Ist das nicht vorgeschoben, bei den hohen Gewinnen des Mutterkonzerns DHL?

Nicht nur das Porto bei den Briefen wurde erhöht, sondern auch das Entgelt für die Pakete. Beim Briefgeschäft wird jedoch auch Gewinn gemacht, wie beim Paketgeschäft. Denn die Bearbeitung und der Transport sind günstiger. Ich kann verstehen, dass seitens der Deutschen Post gerne argumentiert wird, dass der Mutterkonzern getrennt von der Deutschen Post zu behandeln sei, doch wir sind ein Teil der DHL AG und das ist auch gut so.

Interview

Jörg Emgenbroich organisiert mit Verdi den Arbeitskampf für die Post-Niederlassung Düsseldorf, zu der auch sein Verbundgebiet gehört. Im niederrheinischen Niederkrüchten-Dam stellt er Briefe, Tageszeitungen, Werbung und Pakete zu.

Trotz schrumpfender Briefmengen aber steigender Paketlieferungen hat es auch die Post nicht leicht, Beschäftigte zu finden. Wieso eigentlich? Die DHL, zu der die Post gehört, ist doch ein wachsender und sicherer Arbeitgeber. Oder sind die Vorzüge des früheren Staatskonzerns komplett ausgelöscht?

Die Mitarbeiter bei der Post haben einen sicheren Arbeitsplatz, doch die Erwartungen und Anforderungen sind in den vergangenen Jahren immens gewachsen. Die physische, aber noch viel extremer die psychische Belastung ist durch viele teilweise unverständliche betriebliche Veränderungen stark gestiegen. Dazu kommt, dass insbesondere unsere unteren Gehaltsgruppen nicht gut bezahlt werden. Da sich der allgemeine Arbeitsmarkt deutlich erholt hat und es gut bezahlte Alternativen gibt, wollen wir die Tätigkeiten bei der Post aufwerten und attraktiver machen. Beispielsweise mit unserer Forderung nach sieben Prozent Gehaltserhöhung und drei Tagen mehr Urlaub sowie einem weiteren freien Tag für Verdi-Mitglieder.

Die Arbeit in den Briefzentren und Paket-Verteilzentren ist eine Knochenarbeit. Dennoch ist die Arbeit einfacher als noch vor 20 Jahren geworden, sagen erfahrene Briefboten. Was müsste getan werden, um die Arbeit weiter zu erleichtern?

Ich wage zu widersprechen, dass für die Postboten die Arbeit einfacher geworden sei. Denn den Briefboten von früher, den gibt es nicht mehr. Zur Aufgabe gehören mittlerweile selbst in den Fuß- und Fahrradbezirken, dass Pakete, wenn auch kleinformatige, vom Zusteller an die Haustür gebracht werden müssen. In den Briefzentren und Paketzentren wird, trotz aller modernen Einrichtungen, ein hoher körperlicher Einsatz gefordert. Dieser muss entsprechend honoriert werden. Um die Arbeit der Beschäftigten zu erleichtern, müssen außerdem verschiedene Dinge erfolgen. Dazu gehört geeignetes Arbeitsmaterial, vom Scanner bis zum Fahrzeug. Daher ist es richtig und wichtig, hier zu investieren. Dazu gehört aber auch, dass genug Personal zur Verfügung steht. Dieses Personal muss gefunden und gut ausgebildet werden. Zudem müssen vernünftige Arbeitsbedingungen herrschen. Dies kann man auch bei der Deutschen Post wieder erreichen, indem es eine gute Bezahlung gibt, die Mitarbeiter eine hohe Wertschätzung erhalten und es klare und nachvollziehbare Ziele im Unternehmen gibt.

Sie selbst sind seit vielen Jahren Zusteller. Wie hat sich Ihre Arbeit verändert? Und haben junge Leute noch Lust auf den Beruf?

In den vergangenen Jahren gab es zu viele Veränderungen, die nicht nachvollziehbar waren. Zudem steigt der Arbeitsdruck, bedingt durch größer werdende Gebiete, Abbau des Personals und schlechtes Arbeitsmaterial. Trotzdem kann ich auch jüngeren Menschen noch »verkaufen«, als Briefbote der Neuzeit mit allen Neuerungen zu arbeiten. Damit dies so bleibt, muss die Deutsche Post jetzt endlich reagieren und diese Arbeit honorieren und lohnend machen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.