Deepseek: Sicherheitsbedenken und Standortpolitik

In Südkorea wollen Behörden der chinesischen KI Deepseek das Leben schwer machen

  • Felix Lill
  • Lesedauer: 4 Min.
An Deepseek scheiden sich die Geister.
An Deepseek scheiden sich die Geister.

Seit einigen Tagen versetzt die Künstliche Intelligenz (KI) von Deepseek die Welt in Erstaunen. Was dieses neue Ding aus China leistet, ist beachtlich: Das sogenannte große Sprachmodell R1, das sich durch Fähigkeiten zur eigenen Textgenerierung auszeichnet, schneidet in einigen Tests ähnlich gut ab wie ChatGPT der US-Organisation OpenAI, die seit ihrem Erscheinen vor gut zwei Jahren die digitale Welt verändert hat. Dabei kommt Deepseek mit deutlich weniger Rechenleistung aus und benötigt so deutlich weniger Energie. R1 führte kurz nach Veröffentlichung in mehreren Ländern die App-Download-Charts an und sorgte für abstürzende Aktienkurse anderer KI-orientierter Unternehmen, insbesondere in den USA. Weltweit fragt sich seither die Tech-Branche: Wird die chinesische KI in Kürze die beste des Planeten sein?

In Südkorea scheint man die Antwort schon parat zu haben, und die lautet: »Nein« – oder zumindest: »So nicht.« So warnt die Behörde für Datensicherheit ausdrücklich vor der Nutzung von Deepseek, denn die Software verfüge nicht über die nötigen Vorkehrungen, die den Schutz personenbezogener Nutzerdaten garantieren könnten. »Angesichts der anhaltenden Sicherheitsbedenken raten wir dazu, diesen Dienst mit Vorsicht zu nutzen«, erklärte die Kommission zum Schutz personenbezogener Daten in einem Briefing. Zugleich kündigte die Behörde Prüfungen an, was den Umgang mit den gesendeten Daten angeht.

Und dies hat schon Folgen: Mehrere Regierungsämter sperrten Deepseek in ihren internen Computernetzwerken. Neben den Ministerien für Verteidigung, Finanzen, Äußeres sowie Wirtschaft hat unterdessen auch Hyundai verkündet, DeepSeek zunächst nicht nutzen zu wollen. Ähnlich wie andere Unternehmen aus dem ostasiatischen Land führt der Autokonzern Sicherheitsrisiken an.

Skepsis bezüglich Deepseek besteht nicht nur in Südkorea. Auch Frankreich und Italien haben das Start-up mit Sitz in der ostchinesischen Millionenstadt Hangzhou kürzlich aufgefordert, offenzulegen, auf welche Weise Userdaten verwendet werden. Zudem hat Australien Deepseek auf Regierungscomputern kürzlich gesperrt. In Deutschland warnt das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik davor, dass mithilfe der KI Nutzerprofile erstellt und wiedererkannt werden könnten. Der Datenschutzbeauftragte von Rheinland-Pfalz bereitet derzeit ein Prüfverfahren vor. Und Nadir Izrael vom Unternehmen Armis, das auf Schutz vor Cyberrisiken spezialisiert ist, erklärte: »Die größte Sorge ist die Möglichkeit von Datenlecks des KI-Modells an die Regierung.« Man wisse nicht, wohin die Informationen letztlich gehen.

China wurde über die letzten Jahre aus dem Ausland immer wieder Spionage vorgeworfen. In der Volksrepublik selbst werden Daten vom Staat umfassend gesammelt, womit die Bevölkerung überwacht und kontrolliert wird. Auch deshalb verursacht die Aussage von Deepseek, die eigene KI binnen kurzer Zeit und mit sehr geringen Kosten entwickelt zu haben, Nervosität.

Wobei die auffallend ablehnende Haltung gegenüber Deepseek in Südkorea auch andere Dinge Gründe haben dürfte. So bezeichnet Interimspräsident Choi Sang Mok R1 als »frischen Schock«, da die Software mit Chips funktioniere, die wesentlich simpler sind als jene, die von südkoreanischen Konzernen wie Samsung und SK Hynix entwickelt werden. Deren bisher starke Stellung auf dem Weltmarkt scheint damit bedroht.

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Die Halbleiterhersteller haben dieser Tage durchblicken lassen, dass sie die Marktlage nun neu bewerten und bald neue Investitionspläne beschließen könnten. Zudem kündigte Choi an, die Regierung werde ein neues Programm im Umfang von 34 Billionen Won (rund 22,5 Milliarden Euro) auflegen, um die Entwicklung neuer Technologien zu fördern. »Die Regierung wird kräftige und schnelle Hilfe anbieten«, so der Präsident.

Aber auch die Frage, wie gut Deepseek in der Praxis ist, wird in Südkorea diskutiert. Laut einem Beitrag der Nachrichtenagentur Yonhap bezeichnet die KI Kimchi – der scharfe, fermentierte Kohl ist in Südkorea als Nationalspezialität bekannt – als südkoreanisch, wenn auf Koreanisch gefragt werde. Doch wenn man die Frage auf Chinesisch stelle, behaupte Deepseek, Kimchi stamme aus China.

Im sehr patriotischen Südkorea kann dies nun als weiterer Grund gelten, warum man Deepseek nicht zu brauchen glaubt. In Europa wiederum ist dies auch ein Anlass, in den jüngsten Entwicklungen rund um KI einen Hoffnungsschimmer zu sehen. Bisher hinken europäische Start-ups in dem boomenden Bereich hinterher. Doch wenn ein nicht US-amerikanisches Produkt es erstens schafft, schnell für Furore zu sorgen, zweitens aber doch nicht alles weiß, bestehen vielleicht noch Chancen.

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