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Sicherheitskonferenz: US-Vizepräsident irritiert Publikum

Auftritt von J. D. Vance in München: Kriege kein Thema, Hauptbedrohung für Demokratie seien »Massenmigration« und Einschränkung der Meinungsfreiheit

In München traf sich US-Vizepräsident Vance (3.v.l.) vor dem offiziellen Konferenzauftakt unter anderem mit Bundesaußenministerin Baerbock und Bundespräsident Steinmeier.
In München traf sich US-Vizepräsident Vance (3.v.l.) vor dem offiziellen Konferenzauftakt unter anderem mit Bundesaußenministerin Baerbock und Bundespräsident Steinmeier.

Ein seltsamer Auftritt auf einer Konferenz, auf der es traditionell um internationale Konfliktherde und deren Einhegung geht: US-Vizepräsident J.D. Vance sprach am Freitagnachmittag auf der Hauptbühne der 61. Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) über keines der dort verhandelten Themen. Russland und China, die die anderen Nato-Staaten und die EU als Bedrohungen für »die Demokratie« sehen, erwähnte Vance zu Beginn einmal kurz, um dann faktisch für rechtspopulistische Parteien in Europa zu werben.

Die Hauptbedrohung für die Demokratien in Europa sieht er einerseits in einer vermeintlichen Einschränkung der Meinungsfreiheit für einen großen Teil der Bevölkerung. Gemeint war offenbar jener Teil, der rechte Parteien wählt. Denn bereits vor seiner Anreise hatte Vance dem »Wall Street Journal« gesagt, er wolle in München an deutsche Politikerinnen und Politiker appellieren, mit allen Parteien einschließlich der AfD zusammenzuarbeiten.

Er warne davor, rechtsgerichtete Parteien von Regierungskoalitionen auszuschließen, wiederholte Vance in München. Damit werde der Wille des Volkes missachtet, etwa bei der Begrenzung von Zuwanderung. Keine Demokratie werde es überstehen, »Millionen von Wählern zu sagen, dass ihre Gedanken und Sorgen, ihre Hoffnungen, ihre Bitten um Hilfe ungültig« oder nicht demokratisch seien. Ohne die AfD beim Namen zu nennen, fügte Vance hinzu: »Es gibt keinen Platz für Brandmauern.«

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In der »Massenmigration« aus Nicht-Industriestaaten sieht Vance die zweite Hauptgefahr für die westlichen Gesellschaften. »Jeder Fünfte in Deutschland kommt eigentlich aus dem Ausland«, meinte der US-Vize. Das sei »Ergebnis einer Serie von bewussten Entscheidungen von Politikern in diesem Land und in Europa im letzten Jahrzehnt«. Mit Blick auf den mutmaßlichen Auto-Anschlag auf eine Gewerkschaftsdemonstration in München am Donnerstag mit zahlreichen Verletzten fragte Vance: »Wie oft müssen wir so etwas erleben, bevor wir unsere Zivilisation in eine andere Richtung bewegen?«

Vor Konferenzbeginn war es zu neuen Irritationen mit Blick auf den Ukraine-Krieg gekommen. US-Präsident Donald Trump kündigte vor Reportern in Washington an, dass es am Rande der Tagung ein Treffen mit »hochrangigen Vertretern aus Russland, der Ukraine und den Vereinigten Staaten« geben werde. Außerdem hatte Trump als Ziel benannt, Russland wieder in den Kreis der mächtigen Industrienationen, der G7, aufzunehmen. Das Land war 2014 wegen der Übernahme der seit 1994 zur Ukraine gehörenden Krim aus diesem damaligen G8-Bündnis ausgeschlossen worden.

Vertreter der russischen Regierung sind wie in den vergangenen beiden Jahren wegen des Kriegess gegen die Ukraine nicht nach München eingeladen worden. Konferenzleiter Christoph Heusgen bekräftigte am Freitagmorgen, dass sich das auch nicht geändert habe. »Jedenfalls auf dem Gelände der Münchner Sicherheitskonferenz hier im Bayerischen Hof wird es ein solches Treffen nicht geben«, sagte Heusgen dem ARD-»Morgenmagazin«. Die russische Regierung ließ zunächst offen, ob es außerhalb des Tagungsorts zu einem Treffen von Vertretern der USA und Russland kommen könnte. »Bisher haben wir dazu nichts zu sagen«, erklärte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow in Moskau.

Vor Vance hatte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gesprochen und ungewöhnlich scharfe Kritik an der neuen US-Administration geübt. Sie habe ein Weltbild, »das keine Rücksicht nimmt auf etablierte Regeln, auf gewachsene Partnerschaft und Vertrauen«, sagte Steinmeier in seiner Rede zur Eröffnung der Konferenz. Es werde deshalb zentrale Aufgabe der kommenden Jahre sein, die Idee einer internationalen Gemeinschaft zu erhalten.

»Regellosigkeit darf nicht zum Leitbild für eine Neuordnung der Welt werden«, warnte der Bundespräsident. »Geopolitische Gegner«, allen voran Russland, missachteten Regeln bereits und führten »im digitalen Kommunikationsraum schon längst ihren hybriden Krieg gegen liberale Demokratien«. Auch China nutze digitale Technologie »zur autokratischen Machtentfaltung«.

Und nun bilde sich darüber hinaus in den USA eine »historisch beispiellose Konzentration von technologischer, finanzieller und politischer Macht heraus«, konstatierte Steinmeier. »Als Demokrat macht es mir große Sorge, wenn eine kleine unternehmerische Elite die Macht, die Mittel und den Willen hat, einen wesentlichen Teil der Spielregeln liberaler Demokratie neu zu bestimmen. Und erst recht macht mir Sorge, wenn einige aus dieser Elite aus ihrer Verachtung für die Institutionen und Normen unserer Demokratie keinen Hehl machen.« Es stehe die »Selbstbehauptung unserer Demokratie«, auf dem Spiel, mahnte Steinmeier.

Vor dem offiziellen Tagungsbeginn hatte sich Vance in München mit Nato-Generalsekretär Mark Rutte und mit einer deutschen Delegation getroffen, die von Steinmeier geleitet wurde. Auch Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt waren dabei, nicht aber Kanzler Olaf Scholz. Stattdessen will Vance Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) treffen. Regierungssprecher Steffen Hebestreit sagte, es hätten sich in den Terminkalendern von Vance und Scholz »keine Übereinstimmungen« finden lassen. Scholz reist am Samstag nach München, dann ist Vance bereits nicht mehr dort.

Mit Blick auf das Agieren Trumps im Ukraine-Krieg äußerten zahlreiche deutsche Politiker, darunter auch Olaf Scholz, die Befürchtung, dass es zu einem »Diktatfrieden« zulasten der Ukraine kommt. »Wir bestehen darauf, dass keine Entscheidung über die Köpfe der Ukraine hinweg getroffen wird«, sagte der Kanzler in einem Interview des Video-Podcasts »Jung & Naiv«. Wer die Europäer dabei haben wolle, wenn es um die künftige Sicherheits- und Friedensarchitektur in Europa gehe, müsse sie in diese Gespräche einbinden. »Und das werden wir einfordern und darauf auch bestehen.« Bislang ist nicht abzusehen, dass sich die US-Administration von solchen Forderungen beeindrucken lässt. mit Agenturen

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