Plötzlich ist die Linke beliebt wie nie zuvor

Fast täglich werden Wahlaufrufe für Die Linke veröffentlicht – sie kommen aus den unterschiedlichsten Milieus

Schon bei den Krankenhausstreiks der letzten Jahre war die Unzufriedenheit mit den regierenden Parteien groß..
Schon bei den Krankenhausstreiks der letzten Jahre war die Unzufriedenheit mit den regierenden Parteien groß..

Obwohl die neue Parteiführung der Linken den Begriff nicht mehr so gern verwendet, klappt es auf einmal mit der »verbindenden Klassenpolitik«. Nachdem Mitte Januar mehrere Dutzend Thüringer Gewerkschafter*innen zur Direktwahl Bodo Ramelows aufgerufen hatten, folgten vergangene Woche fast 2000 kritische Intellektuelle – darunter u.a. fast alle namhaften Geschlechterforscher*innen und einige der bekanntesten Vertreter*innen der kritischen Theorie – und unterzeichneten einen viel beachteten Wahlaufruf aus dem Umfeld der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Seitdem kommen fast täglich ähnliche Initiativen hinzu.

Aus dem Gesundheitsbereich wurde ein Aufruf initiiert, dem sich inzwischen mehrere Hundert Beschäftigte angeschlossen haben und der unter anderem von der über ihren Instagram-Kanal bekannt gewordenen Krankenpflegerin Franziska Böhler prominent unterstützt wird. Darin heißt es, der Zugang zu Gesundheitsversorgung sei ein Menschenrecht, das nicht zugunsten von »Profitlogik und Kostendruck« aufgegeben werden dürfe: »Eine gute medizinische und pflegerische Versorgung für alle ist keine Utopie, sondern eine Verteilungsfrage.« Für das Ziel, »die Gesundheitsversorgung nach sozialen und medizinischen Kriterien« auszurichten, brauche es eine starke Linke.

Auch 240 Handwerker*innen (Stand Sonntagmorgen) mobilisieren mit einem eigenen Aufruf und begründen dies mit der Forderung nach fairen Löhnen und besseren Arbeitsbedingungen. Die Einführung eines Mindestlohns von 15 Euro, eine stärkere Tarifbindung und Maßnahmen gegen prekäre Beschäftigung seien am ehesten mit der Linken zu erreichen. Außerdem setze sich die Partei für eine »gerechte Besteuerung großer Konzerne« und damit für eine steuerliche Entlastung kleiner und mittelständischer Betriebe ein. Auch sichere Renten, eine soziale Absicherung für Selbständige, die kostenlose Meisterausbildung und ein Preisdeckel auf Strom und Gas könnten mit der Linken am besten durchgesetzt werden.

Aus der migrantischen Community zirkuliert ein kurdischer Wahlaufruf. Zwar sei »die Beziehung der Kurd*innen zur Parteienpolitik in Deutschland vielfältig und komplex«, heißt es darin. Doch die entscheidende Frage heute laute, ob »es im nächsten Bundestag noch eine Partei geben soll, die für die Abschaffung des PKK-Betätigungsverbots eintritt oder nicht«. Aufgrund des Verbots der Arbeiterpartei Kurdistans sind derzeit zwölf Kurd*innen als politische Gefangene in Deutschland in Haft. Zudem ist die kurdische Gemeinschaft aufgrund von Repression regelmäßig von Vereinsverboten, Hausdurchsuchungen und Abschiebungen betroffen. Vor diesem Hintergrund weist der Aufruf darauf hin, dass mit Cansu Özdemir, Gökay Akbulut und Ferat Koçak drei Linke kurdischer Herkunft auf aussichtsreichen Plätzen kandidierten. Zudem sei der Parteivorsitzende Jan van Aken seit Langem in der Kurdistan-Solidarität engagiert.

»So kritisch wir die Linkspartei sehen, sie ist derzeit die einzige Partei, die im Deutschen Bundestag die Themen von sozialer Gerechtigkeit, Menschenrechten und Internationalismus im Verbund mit der ökologischen Erneuerung unserer ökonomischen Lebensgrundlagen vertritt.«

Wahlaufruf außerparlamentarischer Linker

Selbst in der außerparlamentarischen Linken scheint man ein Herz für die Partei entdeckt zu haben. Schon im Haustürwahlkampf der letzten Wochen war nicht zu übersehen, dass sich Tausende Nicht-Mitglieder, die meisten von ihnen Aktivist*innen aus sozialen Bewegungen, aktiv daran beteiligten. Nun gibt es auch einen entsprechenden Aufruf, den unter anderem die ehemaligen DDR-Linken Renate Hürtgen und Bernd Gehrke sowie die Redakteur*innen der gewerkschaftslinken Zeitung »Express«, Kirsten Huckenbeck und Anton Kobel, unterzeichnet haben.

Darin heißt es, der »Lobbyist des Großkapitals, Friedrich Merz«, habe unter Beweis gestellt, dass er »bei Bedarf auch mit Faschist*innen zusammenarbeiten« werde. Da sich Grüne und SPD Merz andienten und das BSW nach seinem »Zusammengehen mit der AfD bei der zweiten Bundestagsabstimmung am 31. Januar für Antifaschist*innen nicht wählbar« sei, bleibe nur die Linke, so der Aufruf, der auch konstatiert: »So kritisch wir die Linkspartei aus den unterschiedlichsten Gründen sehen – nicht zuletzt wegen ihrer unerträglichen Kompromissbereitschaft, wenn es ums Mitregieren ging – und sosehr wir manches an ihrem Wahlprogramm kritisieren, welches zwischen emanzipatorischen Grundsätzen und Formelkompromissen schwankt: Sie ist derzeit die einzige Partei, die im Deutschen Bundestag die Themen von sozialer Gerechtigkeit, Menschenrechten und Internationalismus im Verbund mit der ökologischen Erneuerung unserer ökonomischen Lebensgrundlagen überhaupt vertritt.«

Bei allen Unterschieden lassen sich in den Wahlaufrufen wichtige Gemeinsamkeiten erkennen. Die Linke wird unterstützt, weil sie als einzig verlässliche Kraft gegen die AfD, einen weiteren Sozialabbau und für die Verteidigung öffentlicher Infrastrukturen gilt. Wenn es die Partei in den nächsten Bundestag schafft, hat sie von vielen Seiten das Mandat, als Gegenstimme aufzutreten.

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