Sonnenschein, Traumkulisse, Gold: Franziska Preuß holt WM-Titel

Die deutsche Biathletin gewinnt in Lenzerheide das Rennen in der 10-km-Verfolgung

  • Lars Becker, Lenzerheide
  • Lesedauer: 4 Min.
Weltmeisterinnenjubel: Franziska Preuß wird nach ihrem Sieg vom Team gefeiert.
Weltmeisterinnenjubel: Franziska Preuß wird nach ihrem Sieg vom Team gefeiert.

Franziska Preuß hatte gerade ihren 20. Schuss ohne Fehler versenkt, als sich ein Betreuer eine deutsche Fahne von der prall gefüllten Tribüne in Lenzerheide herunterwerfen ließ. Elisabeth Preuß musste sich dort zur gleichen Zeit erst mal kurz auf den Boden setzen. »Ich habe einfach die Fassung verloren. Wir haben viele, viele zähe Jahre mit Franzi hinter uns. Dass wir das jetzt miterleben dürfen, ist einfach unglaublich«, sagte die Mutter der deutschen Top-Biathletin.

Die Tränen flossen bei ihr und natürlich auch bei ihrer Tochter, die sich am Sonntag im strahlenden Sonnenschein unglaublich souverän die WM-Goldmedaille im Verfolgungsrennen sicherte. Nach dem letzten Schießen hatte Franziska Preuß fast eine Minute Vorsprung auf die nächste Konkurrentin und konnte wenig später entspannt mit der deutschen Tribünen-Fahne in der Hand über die Ziellinie laufen.

»Es war verrückt. Ich habe gegen die Tränen gekämpft, dann musste ich lachen vor Glück. Dieses Rennen werde ich nie vergessen«, erklärte die Weltmeisterin nach dem größten Erfolg ihrer Karriere: »Ich habe schon so oft auf der Schlussrunde um jede Position kämpfen müssen, diesmal war es einfach nur ein Genuss.« Nach Bronze mit der Mixed-Staffel zum Auftakt und Silber im Sprint am Samstag komplettierte die 30-Jährige mit dem ersten WM-Einzeltitel der Karriere ihre Medaillensammlung bei den Titelkämpfen in der Schweiz.

Schlüssel zum Triumph war wie so oft in diesem Winter die Nervenstärke der gebürtigen Wasserburgerin am Schießstand. Das war an diesem Tag besonders schwierig, denn bei den ersten beiden Besuchen dort schoss sie gemeinsam mit der von 13 100 Fans fanatisch angefeuerten Schweizerin Lena Häcki-Groß. Die beiden sind Freundinnen, trainieren häufiger in Ruhpolding zusammen und teilten sich auf der Strecke die Führungsarbeit. Nach dem dritten Schießen zog Preuß jedoch inmitten der grandiosen Bergkulisse davon und behielt mit Gold vor Augen auch bei der finalen Prüfung die Nerven.

»Sonnenschein, Traumkulisse, Gold – das war heute der perfekte Tag. Und das bei der WM. Danke Lenzerheide!«, schwärmte Preuß. Auf dem Siegerpodest hüpfte sie glücklich in die Höhe, dann kamen ihr bei der deutschen Hymne wieder die Tränen. Kurze Zeit später lag sie sich mit ihren Eltern in den Armen. »Es war sehr emotional. Sie haben wirklich alle Tiefen mitbekommen – das war auch für sie ein magischer Moment«, berichtete Preuß. Ein Moment zum Feiern: Vater Georg hatte in seinem schwarzen Rucksack ein paar Bier (»Wir sind schließlich Bayern«) passenderweise gleich dabei.

Bei der WM im vergangenen Jahr im tschechischen Nové Město na Moravě mussten die Eltern ihre Franzi noch trösten, als sie wegen Halsschmerzen nicht zur deutschen Bronze-Staffel gehörte. Auch auf die Heim-WM 2023 hatte Preuß wegen Krankheit verzichten müssen. Doch nach einer Nasennebenhöhlen-OP ist die gesundheitliche Achterbahnfahrt der letzten Jahre endlich beendet. Die Gesamtweltcup-Spitzenreiterin hat schon in der ersten Woche in der Schweiz fast im Alleingang die deutsche WM-Medaillenbilanz der letzten beiden Titelkämpfe egalisiert.

Das macht natürlich auch Sportdirektor Felix Bitterling glücklich: »Franzi strahlt eine unglaubliche Gelassenheit aus und hat jede Menge Selbstvertrauen.« Als Grund für den Höhenflug von »Gold-Franzi« sieht Bitterling neben der endlich stabilen Gesundheit vor allem das perfekte Setup, das man gemeinsam gefunden habe. Preuß trainiert nur zum Teil mit der deutschen Mannschaft und ist stattdessen auch viel allein unterwegs.

»Man muss selbst die Verantwortung für sich übernehmen und das habe ich relativ kompromisslos gemacht«, hatte Preuß vor der WM erklärt. Diese Einstellung passt perfekt zu der des norwegischen Co-Bundestrainers Sverre Olsbü Roiseland. Er ist eine ganz wichtige Bezugsperson für Preuß und stand am Sonntag auf der Trainerposition am Schießstand auch direkt hinter ihr. »Ich bin stolz, sie hat einen unglaublichen Job gemacht«, sagte Roiseland.

Er muss diese Goldmedaille allerdings teuer bezahlen. In der Teambesprechung vor dem Verfolgungsrennen hatte er nach Bronze und Silber nämlich angekündigt, sich die Haare abrasieren zu lassen, falls eine deutsche Biathletin Gold gewinnen sollte. Roiseland: »Mal schauen, wie ich morgen ausschaue.« Schauen muss man auch, wie das Märchen von Franziska Preuß in der zweiten WM-Woche weitergeht. Sie hat theoretisch noch vier Goldchancen und Felix Bitterling meint: »Sie ist in einer tollen Form. Ich würde keine Limits setzen.«

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.