Mehr als 1200 Menschen aus Berlin abgeschoben

Der Senat hat 2024 ähnlich viele Abschiebungen veranlasst wie im Rekordjahr zuvor

Besonders viele Menschen wurden im Dezember 2024 aus Berlin abgeschoben, die meisten von ihnen in die Republik Moldau.
Besonders viele Menschen wurden im Dezember 2024 aus Berlin abgeschoben, die meisten von ihnen in die Republik Moldau.

Versucht der Berliner Senat, in der aufgeheizten Asyldebatte mit vielen Abschiebungen mitzuhalten? Berlin hat vergangenes Jahr 1209 Menschen abgeschoben – das belegen Zahlen der Senatsverwaltung für Inneres, die seit Montag öffentlich sind. Die meisten Abschiebungen fanden demnach im Dezember 2024 statt: 183 Menschen wurden »zurückgeführt«. Die meisten von ihnen stammten aus Moldau und Georgien.

2023 wurden etwas mehr Menschen aus Berlin abgeschoben, nämlich 1370. Damit hatte Berlin bis dato die meisten Abschiebungen seit 2017. Die Zahlen von 2024 wurden auf der Website Migration in Zahlen mithilfe des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) öffentlich gemacht. Berlin ist demnach im bundesweiten Vergleich auf Platz zwei der Länder, die 2024 am meisten abgeschoben haben. Nordrhein-Westfalen schob laut der Website 2760 Menschen ab. Noch sind jedoch nicht für alle Bundesländer Daten freigelegt worden.

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Wirft man einen Blick auf die grafische Übersicht zu Abschiebungen in Berlin, dann fällt auf, dass im Zeitraum März bis Mai sowie Oktober bis Dezember am meisten Menschen abgeschoben wurden. Neben den Abschiebungen gab es außerdem 12 842 freiwillige Ausreisen. Laut Ferat Koçak, fluchtpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, zeigen die hohen Abschiebezahlen, dass der Berliner Senat bundespolitische Vorgaben der Ampel-Regierung umsetzt, die mit dem Beschluss über das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) »faktisch das Asylrecht abschaffen« würden.

»CDU und SPD überbieten sich in menschenverachtenden Forderungen und setzen ein Signal für rassistische Debatten«, sagt Koçak zu »nd«. Die Zahlen seien der traurige Beweis für den fortgesetzten Rechtsruck in der deutschen Politik. »Als Linke fordern wir weiter ein Bleiberecht für alle und eine Entlastung der Kommunen, die Schutzsuchende aufnehmen«, sagt Koçak, der derzeit laut Umfragewerten knapp vor der CDU in einem Kopf-an-Kopf-Rennen um die Bundestagskandidatur in seinem Heimatbezirk Neukölln liegt.

Der Abgeordnete betont im Gespräch außerdem die historische Verantwortung aus der Erfahrung des Nationalsozialismus, die das Recht auf Asyl erst hervorgebracht hat. Dass vor allem Roma in Länder abgeschoben würden, in denen sie systematisch diskriminiert werden, sei unmenschlich. Nach den Angaben der Innenverwaltung waren in jedem Monat bis auf Februar, Juni und August die meisten Abgeschobenen moldauische Staatsangehörige, dicht gefolgt von Georgiern. Im Februar und Juni lag die Anzahl der Abschiebungen mit 21 (Februar) und 30 (Juni) besonders niedrig, im August waren es mehr georgische als moldauische Staatsbürger*innen, die abgeschoben wurden.

Den anhaltend hohen Abschiebedruck Berlins, der insbesondere Menschen aus Georgien und Moldau trifft, bemängelt auch Emily Barnickel vom Berliner Flüchtlingsrat. »Beide Länder sind alles andere als sicher, wie die Vorkommnisse zuletzt um die Wahlen in beiden Ländern und die nachgewiesene brutale Diskriminierung von Roma aus Moldau und LSBTI+ Personen aus Georgien zeigt«, sagt Barnickel zu »nd«. Der Bundestag hat Georgien und die Republik Moldau 2023 als »sichere« Herkunftsstaaten eingestuft. Das heißt, dass Asylanträge leichter abgelehnt werden können.

Der Flüchtlingsrat kritisiert ferner einen »hohen Arbeitsstau« beim Landesamt für Einwanderung (LEA). Immer wieder gibt es Berichte über Geflüchtete mit unsicherem Aufenthaltsstatus, für die es kaum möglich ist, einen Termin zu buchen. Barnickel spricht von Menschen, die nicht mal ihre gültigen Dokumente verlängern könnten oder keine Rückmeldung zu Arbeitserlaubnissen bekämen. Die Priorisierung von Abschiebungen »vor dem Service einer echten Einwanderungsbehörde« sei hier eindeutig spürbar, meint Barnickel. Der Flüchtlingsrat fordert darum weiterhin eine Beschwerde- oder Ombudsstelle und eine Antidiskriminierungsstelle im Gebäude der Ausländerbehörde, damit Menschen nicht mehr »machtlos vor dem Behördenhandeln« zurückgelassen würden.

»CDU und SPD überbieten sich in menschenverachtenden Forderungen und setzen ein Signal für rassistische Debatten.«

Ferat Koçak (Linke) 
Fluchtpolitischer Sprecher

Zuletzt sorgten Briefe des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) für Panik bei Geflüchteten. Es geht um BAMF-Briefe an Menschen, die in Griechenland als Flüchtlinge anerkannt wurden. Die Plattform »Frag den Staat« veröffentlichte sie. In ihnen werden die Geflüchteten aufgefordert, sich für ein angebliches Unterstützungsprogramm in Griechenland zu registrieren. Eine kostenlose Unterkunft mit »Vollverpflegung« für vier Monate sowie einen Abholservice vom Flughafen und einen Griechischkurs verspricht das BAMF darin. Die Briefe werden nicht nur an Ausreisepflichtige, sondern auch an Menschen mit Schutzstatus im laufenden Asylverfahren – darunter alleinerziehende Mütter – geschickt.

Und wie geht es mit den Abschiebungen aus Berlin im Winter weiter? Laut Angaben des »Tagesspiegel« bestätigte die Innenverwaltung, dass es in diesem Winter einen »faktischen Abschiebestopp« für einen Großteil der ausreisepflichtigen Ausländer geben wird. Demnach sollen zwischen dem 1. Januar und dem 28. Februar 2025 in erster Linie »verurteilte Straftäter und Gefährder« abgeschoben werden.

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