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Donald Trump und der Putsch in den USA
Für die demokratischen Institutionen in den USA besteht akute Gefahr, kommentiert Sheila Mysorekar
Medienleute können immer, jederzeit, zu allem etwas sagen. Das ist ihr Job. Deswegen ist es selten und auch verstörend, wenn Journalist*innen die Worte fehlen, um adäquat etwas zu beschreiben. Solch eine Situation erleben wir gerade bezüglich der Vorgänge in den USA. Nur wenige sagen in aller Deutlichkeit, was in Washington gerade passiert. Entweder fehlt es an politischer Analyse, oder es ist einfach Fassungslosigkeit. Wie auch immer, viele deutsche Medien finden keine angemessenen Worte dafür. Das ZDF spricht von einem »harten Kurs gegen irreguläre Migration«. Nein, wir sehen in Echtzeit, wie demokratische Institutionen demontiert werden. Wie nennt man das nochmal?
Zur Ehrenrettung der Medienschaffenden: Ein Putsch läuft nicht mehr so offensichtlich ab wie zu prä-digitalen Zeiten. Ein Staatsstreich wird heutzutage nicht mit Panzern und Militär durchgeführt, sondern mit Hilfe von USB-Sticks und Computern. Multimilliardär Elon Musk kann mit seiner angeblichen Regierungsbehörde DOGE nunmehr die Schnittstellen der US-amerikanischen Gesellschaft kontrollieren. Dafür war es gar nicht notwendig, mit Milizen die Ministerien zu stürmen, sondern es reichte völlig aus, ein paar jungen IT-Leuten Zugang zu den Servern der Behörden zu verschaffen. Diese DOGE-Mitarbeiter haben also jetzt die persönlichen Daten von Millionen US-Bürger*innen; sie können Finanzen manipulieren und Auszahlungen vorenthalten. Damit haben sie die Kontrolle über weite Teile der Regierung erlangt, ohne dass ein einziger Schuss gefallen wäre.
Donald Trump ist zwar gewählt worden, aber das heißt nicht, dass er jetzt legal handelt. Auf Spanisch existiert das Wort »Autogolpe«, das man in etwa mit »Selbstputsch« übersetzen kann. Das bedeutet, dass ein Staatsoberhaupt, das mit demokratischen Mitteln in sein Amt gekommen ist, nachfolgend illegale Methoden anwendet, um das Parlament zu entmachten und sich als Diktator zu installieren. Hitler ist das bekannteste Beispiel, aber auch der frühere peruanische Präsident Alberto Fujimori. Oder – so wie es aussieht – Donald Trump.
In solch einer Situation müssen Medien die Vorgänge kritisch einordnen. Stattdessen hat man den Eindruck, dass manche Journalist*innen noch gar nicht fassen können, dass in Washington gerade ein »Selbstputsch« von innen stattfindet. Der »Spiegel« fragt ungläubig: »Erleben wir gerade einen Staatsstreich, orchestriert aus dem Weißen Haus?« Vielleicht sind sie von dem psychologischen Spagat überfordert, von »die Amerikaner sind unsere Freunde« zu »dort sind rechtsradikale Putschisten an der Macht« umzuschalten.
Die »Tagesschau« zitiert allen Ernstes die rechtslibertäre Stiftung »Heritage Foundation« mit der Behauptung, die US-Amerikaner*innen sähen »die Rolle von DOGE nicht als wirklich übergriffig oder verfassungswidrig«. Die »Heritage Foundation« hat mit dem »Project 2025« den Fahrplan für diese Machtübernahme geschrieben! Mit anderen Worten: Die »Tagesschau« lässt den Think Tank der Putschisten zu Wort kommen, damit sie Elon Musk einen Freifahrtschein ausstellen. Selbst wenn das Zitat aus der US-Presse übernommen wurde, erfordert professionelle Sorgfalt, mindestens zu googlen, worum es sich bei der »Heritage Foundation« eigentlich handelt.
Klarheit kam aus einer ganz anderen Ecke: n-tv veröffentlichte einen Artikel, der die Vorgänge in aller Deutlichkeit benannte, nämlich als »Staatsstreich« und »Musks Machtübernahme«. Der Text zitierte auch die Vordenker, die den »ultrareaktionären Schlachtplan« entworfen haben. Eine Zwischenüberschrift lautete: »Die Invasion der US-Regierung ist in vollem Gange«. Wer diesen n-tv-Artikel gelesen hat, weiß Bescheid.
Nicht so die Leser*innen der Springer-Presse. Vergangene Woche hielt der US-amerikanische Vizepräsident J.D.Vance auf der Münchner Sicherheitskonferenz eine Rede, in der er die europäischen Länder beschuldigte, nicht demokratisch genug zu sein. Und er warnte vor einem »inneren Feind«. Während führende Bundespolitiker – allen voran Bundeskanzler Olaf Scholz – sich vehement dagegenstellten, schrieb Ulf Poschardt, Mitherausgeber der »Welt«, J.D. Vance habe ein »Plädoyer für die Meinungsfreiheit« gehalten. So kann man das auch sehen.
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