51 erste Dates: Ampel und Immo-Lobby

Besonders häufig traf sich die Bundesregierung 2024 mit Vertretern von Vonovia

Graffitis in Leipzig
Graffitis in Leipzig

Im Bereich des Mietrechts brachte die Ampel wenig voran – zum Teil, weil das zuständige FDP-geführte Justizministerium den Fokus auf andere Themen legte. Doch auch im Bundeswohnministerium (BMWSB) der SPD fanden mehr Treffen mit Vertreter*innen der Immobilienlobby (27) als mit Interessenvertretungen von Mieter*innen (19) statt. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der Gruppe Die Linke im Bundestag hervor, die »nd« exklusiv vorliegt.

2024 fanden demnach insgesamt 51 Gespräche mit Konzernen und Verbänden der Immobilienwirtschaft und 50 Treffen mit Interessensvertreter*innen von Mieter*innen statt. Den Wohnkonzern Vonovia SE traf die Bundesregierung zu 14 persönlichen Gesprächen. 15 Unterredungen führte die Ampel mit dem Zentralen Immobilienausschuss (ZIA), dem die Vonovia SE ebenfalls angehört. Andere Gespräche involvierten weitere große Wohnungskonzerne, Immobilienunternehmen sowie Verbände der Wohnungswirtschaft.

Auf Mieter*innenseite gab es zehn Gespräche mit Vertretungen wie dem Mieterbund (DMB), dem Berliner Mieterverein und der Wohnungslosenhilfe. 40 weitere Treffen organisierte die Bundesregierung mit Gewerkschaften, Kirchen, Sozialverbänden, dem Studierendenwerk und den Verbraucherschutzzentralen. Dabei ist unklar, inwiefern Mieter*inneninteressen im Vordergrund standen.

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Sieben Unterredungen mit Vonovia fanden mit Vertrer*innen des grünen Bundeswirtschaftsministeriums (BMWK) statt, fünf davon führte Wirtschaftsminister Robert Habeck persönlich. Mitarbeiter*innen des BMWK trafen sich laut Bundesregierung zudem zu neun Gesprächen mit den »Interessensvertreterinnen und -vertretern der Mieterinnen und Mieter«, dem Deutschen Gewerkschaftsbund und dem Verbraucherzentrale-Bundesverband. Da Mietenschutz aber gar nicht im Bereich des BMWK liege, handelte es sich dabei auch um Unterredungen zu anderen Themen, wie zum Beispiel die Wärmewende, so eine Sprecherin zu »nd«. Bei den Treffen mit Vonovia sei es um »allgemeine Wirtschaftsthemen« gegangen.

»Die Zahlen zeigen ein deutliches Ungleichgewicht«, kritisiert deshalb Melanie Weber-Moritz, Bundesdirektorin des DMB gegenüber »nd«. Das habe direkte Auswirkungen darauf, inwiefern Mieter*innen ihre Anliegen bei den zuständigen Stellen persönlich vorbringen könnten.

Timo Lange, Sprecher des Vereins Lobby Control, ordnet das Verhältnis im Wohnbereich im Gespräch mit »nd« dagegen als ausgewogener als in anderen Politikfeldern ein. »Die Menge der Gespräche von Vonovia zeigt aber, wie gut der Draht zur Bundesregierung zu sein scheint«, so Lange. Vonovia meldete sich auf eine »nd«-Anfrage nicht zurück.

Caren Lay, Sprecherin für Wohnungspolitik der Linken, beurteilt die Antwort der Bundesregierung: »Dass SPD und Grüne keinen Schutz der Mieterinnen und Mieter durchgesetzt haben, lag nicht nur an der FDP, sondern auch an den ständigen Gesprächen mit der profitorientierten Immobilienlobby und der Angst, sich mit Konzernen wie Vonovia anzulegen.«

Möglicherweise sind die Daten der Bundesregierung nicht vollständig. Denn, wie sie in ihrer Beantwortung schreibt: »Eine Verpflichtung zur Erfassung sämtlicher geführter Gespräche besteht nicht.« Auch deswegen, heißt es zu »nd« aus dem BMWSB, könne aus der Anfrage keine endgültige Gewichtung abgeleitet werden.

Lange von Lobby Control fordert, Informationen über derlei Treffen müssten automatisch, ohne parlamentarische Anfragen, veröffentlicht werden. Der 2024 beschlossene exekutive Fußabdruck verpflichtet die Bundesregierung, vorhergegangene Einflüsse in Gesetzesbegründungen aufzuschlüsseln. »Das wird bisher nur sehr oberflächlich umgesetzt«, kritisiert er.

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