Frankreich schränkt Ewigkeitschemikalien ein

Nationalversammlung stimmte mit großer Mehrheit einem Gesetzentwurf der Grünen zu

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.
Blick auf die Baustelle einer PFC/PFAS-Filteranlage im Wasserwerk Ottersdorf – die Ewigkeitschemikalien werden zunehmend zum Problem für die Trinkwasserversorgung.
Blick auf die Baustelle einer PFC/PFAS-Filteranlage im Wasserwerk Ottersdorf – die Ewigkeitschemikalien werden zunehmend zum Problem für die Trinkwasserversorgung.

Frankreich schränkt als erstes Land in Europa die Herstellung, den Import und Export sowie den Einsatz von sogenannten Ewigkeitschemikalien in Textilien und Kosmetika ein und will diese schließlich ganz unterbinden. Die Pariser Nationalversammlung verabschiedete am Donnerstagnachmittag ein entsprechendes Gesetz.

Die per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS) werden vielen Haushaltsgegenständen beigefügt, deren Benutzungsqualitäten sie in gewissem Umfang verbessern können. Sie machen beispielsweise Kleidung wasserabweisend und Kosmetika geschmeidiger. Doch diese Chemikalien bauen sich in der Natur nicht ab und sie können auch nur extrem schwer beseitigt werden. Wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge stellen sie eine gefährliche Belastung für die Umwelt und für die menschliche Gesundheit dar, denn im Laufe des Lebens können sie sich im Körper ständig weiter anreichern und werden so immer gefährlicher. Zur Stoffgruppe der PFAS gehören Schätzungen zufolge mehr als 10 000 verschiedene Chemikalien, von denen viele hochgiftig sind. Mediziner machen sie beispielsweise für die Störung des Immunsystems, für Leberschäden sowie für Nieren- und Hodenkrebs verantwortlich.

Das gesetzliche Verbot bei Kosmetika, Ski-Wachs sowie Schuhen gilt bereits ab 1. Januar 2026 und ab 2030 für sämtliche Textilien. Vorläufig ausgenommen ist nur Schutzkleidung für Feuerwehrleute, weil es für die feuerhemmenden Eigenschaften des PFAS-Zusatzes noch keine Alternativen gibt. Auch in industriellen Anwendungen wie der Kernenergiegewinnung, der Flugzeugindustrie und der Prothesenherstellung gelten die Beschränkungen nicht.

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Dem Gesetz zufolge muss künftig in Frankreich Trinkwasser auf Ewigkeitschemikalien hin untersucht werden. Die Regierung hat bereits zugesagt, dafür innerhalb eines Jahres aktualisierte Gesundheitsstandards zu erlassen. Ferner legt das Gesetz eine Abgabe für Hersteller fest, die 100 Gramm oder mehr der Substanzen in die Umwelt freisetzen. Dies entspricht dem Verursacherprinzip, einem der Grundprinzipien der EU-Umweltpolitik.

Das Gesetz wurde im Parlament von der Partei der Grünen eingebracht, vom zuständigen Ausschuss der Nationalversammlung einstimmig befürwortet und schließlich im Plenum mit überwältigender Mehrheit quer durch alle politischen Parteien angenommen. Die Regierung war – nicht zuletzt unter dem Druck der Chemieindustrie-Lobby – erst dagegen, hat sich dann aber der Initiative angesichts der positiven Aufnahme durch die Öffentlichkeit angeschlossen.

»Wir sind stolz darauf, was wir mit diesem Gesetz bereits erreicht haben.«

Nicolas Thierry Grünen-Abgeordneter

Bei der Auflistung der künftig verbotenen PFAS-haltigen Artikel wurden beschichtete Pfannen oder andere Haushaltsgeräte und -artikel aus dem Gesetzestext vorläufig ausgeklammert. Für sie wurde eine spätere Klärung angekündigt. So sollte verhindert werden, dass das Gesetzesprojekt noch in letzter Minute am Widerstand des Senats scheitert. Die Vertreter von kommunalen und regionalen Körperschaften wurden durch eine vom Haushaltsgeräte-Konzern SEB organisierte Demonstration von Tausenden Mitarbeitern, die um ihre Arbeitsplätze fürchten, unter Druck gesetzt. Zur SEB-Gruppe gehört das Unternehmen Tefal, das als Erstes beschichtete Pfannen auf den Markt gebracht hatte. Die Lobbyisten behaupten, dass bisher keine wissenschaftliche Untersuchung zweifelsfrei nachgewiesen habe, dass die zur Beschichtung verwendeten Chemikalien wirklich gesundheitsgefährdend sind. Dem widersprechen Fachleute wie Umweltverbände.

Der Grünen-Abgeordnete Nicolas Thierry, der zu den Initiatoren des Gesetzes gehörte, bedauerte, dass beschichtete Pfannen, Töpfe und andere Haushaltsgegenstände ausgeklammert wurden. »Aber wir sind stolz darauf, was wir mit diesem Gesetz bereits erreicht haben«, sagte er und kündigte an, dass der Kampf gegen die PFAS weitergehen wird.

International hat bisher nur Neuseeland ein Verbot von PFAS-haltigen Kosmetika erlassen, das vor einem Jahr beschlossen wurde und Ende 2026 in Kraft tritt. Eine europaweite Regelung wird seit Jahren durch die EU-Kommission geprüft, doch angesichts massiver Interventionen der Chemieindustrie und sehr unterschiedlicher Interessen der nationalen Regierungen zieht sich dies hin. Mit einem Vorschlag wird frühestens 2027 oder 2028 gerechnet.

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