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Kaffeeboom: Die Ängste der Genossen
Noch nie war Kaffee so teuer. Auf den ersten Blick ein Grund zur Freude für kleine peruanische Kooperativen. Doch die Preise erschweren den Verkauf
Jesús Lovatón stapft zwischen seinen Kaffeesträuchern herum, mustert ihre dicken, grünen Kirschen, die sich hier und da schon rot färben. »Anfang März steht wohl unser erster Durchlauf an. Zwei Wochen später bringen wir dann die ersten Säcke runter zu unserer Genossenschaft José Olaya«, prognostiziert der 56-jährige Kaffeebauer. Er lebt in den Bergen oberhalb der peruanischen Kleinstadt Quellouno, die rund fünf Fahrstunden entfernt von der Inkastadt Cusco liegt. 1550 Meter über dem Meeresspiegel baut er seine Bohnen an. »In diesem Jahr rechne ich mit einer guten Ernte und guten Preisen – wir werden ernten, wofür wir hart gearbeitet haben«, freut er sich.
Lovatón ist Teil einer Kooperative. Geschäftsführer Leonid Herrera ist für den Verkauf der Ernte verantwortlich und steuert die Geschicke der 226 Genoss*innen. Erfolgreich, denn in den letzten Jahren wurden die eigenen Kaffeemarken Ecolaya und Biolaya etabliert und ein neues Gebäude mit Platz für das Rösten und Verarbeiten von Kaffee, Kakao aber auch Honig geplant, dessen Innenausbau derzeit vonstattengeht. »Noch in diesem Jahr werden wir es einweihen«, prognostiziert Lovatón und streift ein paar knallrote Kaffeebohnen von einem Ast, drückt die Bohnen aus dem Fruchtfleisch und nimmt sie in Augenschein. »Das sieht gut aus, keine Defekte«, sagt er und wischt sich die Hände an einem Bananenblatt ab.
Bananenstauden, aber auch Obst- und Laubbäume, sorgen an dem steilen Hang mit den Kaffeesträuchern für Schatten und beugen der Erosion vor. Das hilft gegen die Auswirkungen des Klimawandels. Starkregen und Schädlinge machen den Bauern das Leben schwer. Zugleich sorgen die Dürren und Brände in Brasilien und Vietnam für schlechte Ernteprognosen und treiben die Börsenpreise für Kaffee nach oben – auf bis zu 4,39 US-Dollar pro Pfund Kaffee. Hinzu kommt die Spekulation, die den Kaffee-Weltmarkt seit ein paar Jahren prägt und die Preise weiter antreibt.
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Die Kehrseite der Medaille
Während sich Lovatón über die steigenden Preise freut, machen sie Herrera Sorgen: »Die Kehrseite der Medaille ist, dass ich echte Probleme habe, unseren Kaffee zu verkaufen. Die Kunden wollen sich nicht auf einen so hohen Preis festlegen«, erklärt er. Nicht einen unterschriebenen Kaufvertrag hat Herrera auf seinem Schreibtisch in Quellouno liegen. Dort befindet sich die Zentrale der Genossenschaft José Olaya.
Eine weitere Dependance gibt es in Cusco, wo Herrera regelmäßig zu tun hat, um mit den Banken um Kredite zu feilschen. Die benötigt er, um in ein, zwei Monaten die Genoss*innen für die Anlieferung ihres Kaffees bezahlen zu können. »Ab Mai bis Ende August läuft die Ernte auf Hochtouren, wenn ich dann nicht zahlen kann, kauft die Konkurrenz den Kaffee auf«, gibt er sich keinen Illusionen hin.
Zwei Millionen US-Dollar an Krediten braucht Herrera, um die rund 18 Container mit Kaffee, die er in der Regel exportiert, finanzieren zu können. Zehn Prozent der Kreditsumme muss die Genossenschaft für Zinsen aufbringen, sodass klar ist, dass sie unter den Preisen der professionellen Ankäufer liegen wird. »Wir bieten unseren Genoss*innen das ganze Jahr Beratung, Service und arbeiten an alternativen Einnahmequellen – das wird aber nicht immer honoriert«, sagt Herrera.
Im März oder April wird er mit den ersten Kaffeeproben zu den Messen in Europa fahren, um die Bohnen zu verkaufen. »Ohne konkrete Verkaufsverträge droht spätestens im Mai ein Desaster«, sagt Herrera mit leiser Stimme. Allerdings kennt er die Situation schon, denn jedes Jahr im Mai und Juni muss er unter Druck verhandeln, Preise absegnen und hart kalkulieren. Doch so gravierend wie in diesem Jahr war es noch nie.
Wunsch nach Verlässlichkeit
»Die Kunden versuchen über unseren FairTrade-Aufschlag und den Bio-Zuschlag zu verhandeln, weil der Weltmarktpreis so hoch sei«, erzählt Herrera. Für ihn ein Drama, aber auch eine Folge der Tatsache, dass auf beiden Seiten des Atlantiks die Angst umgeht. Niemand weiß, wie die Konsument*innen auf die steigenden Preise reagieren. Im Schnitt wurden über Jahrzehnte 1,30 US-Dollar pro Pfund Kaffee bezahlt. Laut Kleinbauernorganisationen wären 2,50 bis 2,80 US-Dollar fair. Damit wäre Lovatón durchaus zufrieden – aber dann fix, sodass er auch kalkulieren kann.
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