Musk, Zuckerberg, Trump: Digitaler Staatsstreich

Anne Roth über die wachsende Macht der Tech-Monopole unter Donald Trump

Die Tech-Mogule Elon Musk und Mark Zuckerberg haben sich lange nicht gemocht. Jetzt gehören beide zum engsten Kreis der US-Oligarchie.
Die Tech-Mogule Elon Musk und Mark Zuckerberg haben sich lange nicht gemocht. Jetzt gehören beide zum engsten Kreis der US-Oligarchie.

Bei der Bundestagswahl hat Digitalpolitik so gut wie keine Rolle gespielt. Zum Glück, könnte ich jetzt sagen, denn wer wünscht sich schon das »Digital First, Bedenken Second« vom letzten Mal zurück. Es gab Wichtigeres, die Zeit der großen Überwachungsskandale ist vorbei, und nur die Älteren erinnern sich daran, dass Ursula von der Leyen als »Zensursula« die Union mal um Haaresbreite fast den sicher geglaubten Sieg einer Bundestagswahl gekostet hätte.

In den Wahlprogrammen steht natürlich viel Digitales. Sie bilden ab, wie selbstverständlich viele digitale Aspekte in mehr oder weniger allen Politikfeldern inzwischen sind. Es wird auch in dieser Legislatur wieder um die Überwachung unserer digitalen Kommunikation gehen, um Verwaltungsdigitalisierung (mühsam), Breitbandausbau (zu langsam), Datenschutz und IT-Sicherheit. Digitale Bildung, digitale Gesundheit, digitale Waffen, Auswirkungen aufs Klima. Alles wichtige Themen, aber irgendwie inzwischen auch Routine. Fragen rund um die Künstliche Intelligenz werden uns sicher noch eine Weile erhalten bleiben, die verschwinden nicht so schnell wie frühere Tech-Hype-Themen wie etwa Blockchain oder Bitcoin.

Anne Roth

Anne Roth gehört zu den Pionierinnen linker Netzpolitik. Für »nd« schreibt sie jeden ersten Montag im Monat über digitale Grundrechte und feministische Perspektiven auf Technik.

Die Auseinandersetzung um die Vorratsdatenspeicherung wird 2025 20 Jahre alt, und das Thema ist – leider – noch immer nicht vom Tisch. Vielleicht wäre es ja eine schöne Gelegenheit für eine Jubiläumsgala. Aber vielleicht müssen wir stattdessen auch wieder auf die Straße, denn die Union will sie, und die SPD nennt es zwar nicht so, aber wenn’s drauf ankommt, setzen sich doch immer wieder die Datenspeicher-Ultras durch.

Sicherlich wäre die Beschäftigung mit diesen Themen sinnvoller gewesen als das Dauerthema Migration, denn da stecken überall Fragen drin, die Menschen im Alltag sehr konkret betreffen. Wenn’s nach Merz geht, gibt’s die Krankenversicherung in Zukunft etwas günstiger, wenn wir auf etwas Datenschutz verzichten. Wir sollen entscheiden, ob wir lieber etwas mehr zahlen, um selbst entscheiden zu können, ob unsere Gesundheitsdaten auf der elektronischen Patientenakte gespeichert werden, oder weniger zahlen und andere über unsere Daten entscheiden.

Wenn die sensiblen Gesundheitsdaten zu psychischen Erkrankungen, Abtreibungen oder Einschränkungen, die Arbeitgeber*innen nichts angehen, für alle einsehbar im Netz landen, weil an der IT-Sicherheit gespart wurde, tragen die Folgen wieder die, die das Geld nicht hatten.

Es geht nicht nur um Social Media, es geht auch um Daten in Clouds, unsere privaten, aber auch die von öffentlichen Einrichtungen: Schulen, Universitäten, Behörden, Krankenkassen, Versicherungen und und und.

So dümpelten aber die Digital-Themen unbeachtet am Rand des Wahlkampfs herum. Bis Ende Januar deutlich wurde, dass es ein weiteres digitalpolitisches Thema gibt, dessen Auswirkungen überhaupt noch niemand abschätzen kann. Dieses Thema ist der Staatsstreich in den USA mit Unterstützung der großen US-Tech-Unternehmen.

Deren Chefs haben entschieden, dass es für sie profitabler ist, sich auf Donald Trumps Seite zu schlagen und saßen bei seiner Amtseinführung demonstrativ hinter dem neuen Präsidenten. Mark Zuckerberg hatte schon vorher angekündigt, die Faktenchecks bei ›Meta‹ (Facebook, Instagram, Threads) abzuschaffen. Das klingt erstmal undramatisch, aber diese Überprüfungen durch professionelle Teams gab es, seit belegt worden war, dass das massenhafte Verbreiten von Falschinformationen via Facebook ab 2017 zu Massakern und Massenvergewaltigungen an den Rohingya in Myanmar geführt hatte. Die Dynamik unmoderierter Inhalte großer Plattformen kann zu sehr viel Gewalt führen. Welche Interessen Elon Musk mit »X« verfolgt, ist unübersehbar. Musk zeigte den Hitlergruß und hatte schon Ende Dezember in der »Welt am Sonntag« dazu aufgerufen, die AfD zu wählen. Einen Monat später trat er per Video beim AfD-Parteitag auf. Eine Studie hat gerade belegt, dass »X« Inhalte der AfD und des BSW häufiger anzeigt als die anderer Parteien.

Seit dem Regierungswechsel in den USA ist Musk aktiv am Regierungshandeln beteiligt, auch wenn unklar ist, in welcher offiziellen Funktion. Der Umbau der US-Regierung ist in so vielen Hinsichten dramatisch, dass auch hier die digitalen Aspekte nicht immer im Fokus sind. Aber sie spielen eine erhebliche Rolle. Musk soll Zugriff auf viele Daten bekommen und baut die von den US-Behörden genutzte Software um. Das ist explizit sein Auftrag und führte gerade dazu, dass sämtliche Beschäftigten von Bundesbehörden in einer Mail ihre eigenen Leistungen beschreiben sollten. Diese Mails sollten automatisiert ausgewertet und dann die Basis für massenhafte Kündigungen sein.

Jetzt könnten wir sagen, dass das alles außerhalb der USA (noch) nicht relevant sei. Wir haben EU-Gesetze gegen Hass und Hetze. (Auch wenn die US-Unternehmen sich sehr engagiert haben, sie abzuschwächen – aber immerhin.)

Wenn aber der US-Vizepräsident mehr als einmal anzweifelt, ob die Meinungsfreiheit in Deutschland gesichert sei, und das mit der Rolle der USA in der Sicherheitspolitik verknüpft, ist offensichtlich, dass der Umgang mit Inhalten auf den (US-amerikanischen) Social-Media-Plattformen in der EU verändert werden soll. Was gemeint ist: Diese US-Regierung will mehr rassistische, antisemitische, behinderten-, frauen- und LGBTIQ-feindliche Inhalte und weniger Eingriffe durch Moderation, auch außerhalb der USA. Und sie ist bereit, das auch durchzusetzen. Das ist ein Angriff auf demokratische Diskurse, die auf den großen Plattformen noch nie wirklich gute Bedingungen hatten.

Es ist auch eine erhebliche Bedrohung für alle Gesellschaften, die nicht Teil der EU sind und womöglich mit der Zuspitzung von Konflikten rechnen müssen. Und es geht nicht nur um Social Media, es geht auch um Daten in Clouds, unsere privaten, aber auch die von öffentlichen Einrichtungen: Schulen, Universitäten, Behörden, Krankenkassen, Versicherungen und und und. Es wäre schön, wenn die dort jeweils gut verschlüsselt und gesichert und vor jedem Zugriff geschützt wären, aber das ist leider nicht immer der Fall. Apple hat gerade die Verschlüsselung der iCloud in Großbritannien beendet (um nicht gezwungen zu werden, eine Zugriffsmöglichkeit für Sicherheitsbehörden einzubauen). Nur ein Beispiel, wie politische Veränderungen IT- und Datensicherheit angreifen können.

All das ist nicht nur, aber es ist auch Digitalpolitik, und wir sollten uns warm anziehen. Und uns rechtzeitig nach Alternativen umschauen, denn auf die Zusagen von Facebook, Apple, Google oder Amazon, mit unseren Daten vertraulich umzugehen, würde ich mich jetzt erst recht nicht mehr verlassen. Es reicht aber nicht, wenn wir uns individuell umschauen, denn für die meisten werden die Alternativen in irgendwelchen Nischen des Internets keine Alternativen sein. Was fehlt, sind ernstgemeinte Forderungen nach gemeinnützigen und öffentlich geförderten Plattformen und die Zerschlagung der Monopole. Die vielbeschworene europäische »Digitale Souveränität« allerdings, mit EU-Clouds und Rechenzentren, wird uns auch nur solange helfen, wie die Regierungen hier nicht von Rechten übernommen werden.

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.