Schulden in Berlin: Notlage Geflüchteten-Unterbringung

Ein Notkredit von bis zu einer Milliarde Euro ist im Haushalt bereits eingeplant

Für die Unterbringung von Geflüchteten plant der Senat viel Geld ein, das trotz Schuldenbremse über einen Notkredit organisiert werden soll.
Für die Unterbringung von Geflüchteten plant der Senat viel Geld ein, das trotz Schuldenbremse über einen Notkredit organisiert werden soll.

Auf Berlin lastet Druck: Die Sparmaßnahmen des Senats führen schon jetzt zu heftiger Kritik aus der Stadtgesellschaft. Deswegen ist es für ihn entscheidend, ein Instrument zur Finanzierung einsetzen zu können, das er in der aktuellen Aufstellung des Haushalts bereits fest einplant: die Aufnahme eines Notkredits, begründet durch den fortdauernden Krieg gegen die Ukraine. Um Geflüchtete weiterhin unterbringen und versorgen zu können, will Berlin neue Schulden machen. Ein vom Senat beauftragtes Rechtsgutachten hält das für machbar, der Landesrechnungshof sieht es etwas anders. Entscheiden müssen die Abgeordneten, die darüber in der Sitzung des Hauptausschusses des Abgeordnetenhauses am Mittwoch mit Finanzsenator, Rechtsgutachter und Landesrechnungshof diskutiert haben.

Rechtsgutachter Matthias Kottmann hält alle drei Voraussetzungen für die Aufnahme eines Kredits für gegeben: Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine sei eine außergewöhnliche Notlage außerhalb staatlicher Kontrolle. Die daraus resultierende Notwendigkeit, Geflüchtete in Berlin zu versorgen, führe zu einer erheblichen finanziellen Belastung. Und sofern die Mittel zweckgebunden für Geflüchtete aus der Ukraine eingesetzt werden, bestehe ein klarer Zusammenhang zwischen der Notlage und der Aufnahme des Kredits.

Karin Klingen, Präsidentin des Landesrechnungshofs, schätzt die Lage anders ein: Der Krieg dauere nun schon drei Jahre an und Berlin sei das einzige Land, das erst 2025 sage, es sei eine Notsituation entstanden. »Ich verstehe nicht, was sich jetzt zugespitzt hat«, sagt sie vor dem Hauptausschuss. Außerdem entzögen sich die Unterbringungskosten für Geflüchtete und der Mangel an Wohnraum nicht der staatlichen Kontrolle. Darüber hinaus sehe die Berliner Verfassung eine schärfere Schuldenbremse vor als das Bundesrecht: Berlin muss begründen können, dass die entstehenden Kosten nicht durch andere Mittel gedeckt werden können.

»Ich verstehe nicht, was sich jetzt zugespitzt hat.«

Karin Klingen Landesrechnungshof

Schließlich appelliert Klingen an die Abgeordneten, zunächst die bundespolitischen Entwicklungen – also eine etwaige Reform der Schuldenbremse und ein mögliches Sondervermögen – abzuwarten. »Das kann Auswirkungen auf die rechtliche Lage haben«, sagt auch Gutachter Kottmann.

Auch die Abgeordneten verfolgen die Entwicklungen gespannt. »Wir müssen da ganz genau hinschauen, was passiert«, sagt Torsten Schneider (SPD). Im Zweifel mache das Land Berlin »ein Minusgeschäft«. Schneider nennt daher als Zeithorizont für die Kreditaufnahme den Mai, weil man bis dahin die Auswirkungen der bundespolitischen und geopolitischen Entwicklungen besser einschätzen könne. Dass es den Notkredit braucht, sieht er allerdings klar gegeben, sonst müsse noch deutlich mehr im Haushalt gekürzt werden. »Wir reden über die Notlagenfeststellung, um bis zu eine Milliarde Euro zu kreditieren, für Kosten, von denen wir mit großer Sicherheit ausgehen, dass sie da sind und sogar steigen«, sagt der SPD-Politiker.

Finanzsenator Stefan Evers (CDU) bleibt ebenfalls dabei, den Notkredit aufnehmen zu wollen. »Aber die Entscheidung und eine eigene Einschätzung muss das Parlament treffen«, sagt er. Der Senat wolle die Koalitionsfraktionen aber bei der Begründung der Notlage unterstützen.

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