Iranische Aktivisten von Abschiebung bedroht

Ausländerbehörde Siegen will Duldung für Mutter und Sohn nicht verlängern

Amir Asgari ist Mitglied der 1991 von Exiliranern gegründeten Arbeiterkommunistischen Partei Irans – Hekmatist (API) und deren Geschäftsführer in der Bundesrepublik.
Amir Asgari ist Mitglied der 1991 von Exiliranern gegründeten Arbeiterkommunistischen Partei Irans – Hekmatist (API) und deren Geschäftsführer in der Bundesrepublik.

Amir Asgari und seine Mutter Fatemeh Asgari leben seit mehr als sechs Jahren in der Bundesrepublik. Doch jetzt sind beide von Abschiebung bedroht. Der aus dem Iran stammende Asgari berichtete am Freitag im Gespräch mit »nd«, am 3. März hätten seine Mutter und er einen Termin in der Ausländerbehörde im nordrhein-westfälischen Siegen gehabt. Dort hätten ihnen die Beamten mündlich die Abschiebung angedroht, so der 36-Jährige.

Dies, obwohl beide als linke Aktivisten und Oppositionelle aus dem Iran geflohen sind. Amir Asgari ist Mitglied der 1991 von Exiliranern gegründeten Arbeiterkommunistischen Partei Irans – Hekmatist (API) und deren Geschäftsführer in der Bundesrepublik. Auch seine Mutter (65) gehört der Partei an und war im Iran zugleich Aktivistin der Lehrerbewegung.

Beide sind im Jahr 2018 von der Türkei aus nach Deutschland eingereist. Dort hatte Amir Asgari zunächst studiert. Weil seine Mutter und er sowohl Kommunisten als auch Atheisten seien, drohe ihnen in der selbsternannten islamischen Republik Iran die Todesstrafe, sagt er. Deshalb hätten sie entschieden, nach Deutschland zu fliehen.

Die Asylanträge der beiden wurden jedoch bereits im Jahr 2021 abgelehnt. Sie legten mit Hilfe ihrer damaligen Anwältin Widerspruch ein und stellten Folgeanträge beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf), für die sie aber keine Eingangsbestätigung erhalten haben. Sie leben bisher mit einer Duldung in Deutschland, haben also keinen Aufenthaltstitel und sind daher nicht grundsätzlich vor Abschiebung geschützt.

Fatemeh Asgari im Oktober 2022.
Fatemeh Asgari im Oktober 2022.

Beim Termin in der Behörde habe der Beamte ihm nun mitgeteilt, im System seien keine Folgeanträge zu finden. Man werde ihre Fälle innerhalb der nächsten 14 Tage überprüfen. Beide müssen für die übernächste Woche mit einer erneuten Vorladung rechnen.

Amir Asgari ist empört über den Umgang der Behörde mit seinem Fall. Schließlich sei es auch in Deutschland allgemein bekannt, dass Oppositionelle im Iran von langjährigen Haftstrafen, Folter und Todesstrafe bedroht seien. Allein in der vergangenen Woche seien 72 Menschen hingerichtet worden.

Seit den blutig niedergeschlagenen Protesten für Freiheit und Gleichberechtigung der Frauen im Iran im September 2022 hatte Deutschland Abschiebungen in das Land zunächst bis Ende 2023 ausgesetzt. Ausnahmen bestanden für sogenannte Gefährder und Personen, die »hartnäckig ihre Mitwirkung an der Identitätsfeststellung verweigern«. Doch die Innenministerkonferenz verlängerte den Abschiebestopp im Dezember 2023 nicht. Daher kommt es seit gut einem Jahr wieder zu Abschiebungen von »vollziehbar ausreisepflichtigen« Iranern. Die Flüchtlingsräte der Bundesländer und die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl hatten vergeblich eine Verlängerung des Abschiebestopps gefordert.

Nach Angaben von Menschenrechtsaktivisten sind im Iran im vergangenen Jahr 975 Menschen hingerichtet worden. Eine »schreckliche Eskalation beim Einsatz der Todesstrafe durch die Islamische Republik«, erklärten die in Norwegen ansässige iranische Nichtregierungsorganisation IHR und die französische NGO ECPM in einem im Februar veröffentlichten Bericht. 

Die Zahl der 2024 vollstreckten Hinrichtungen ist demnach um 17 Prozent höher als die des Vorjahres. 2023 waren den NGOs zufolge 834 Menschen im Iran hingerichtet worden. Das IHR hat nach eigenen Angaben seit dem Beginn seiner Aufzeichnungen 2008 nicht so viele Todesstrafen gegen Menschen im Iran verzeichnet wie 2024. Mit 31 hingerichteten Frauen gab es 2024 den höchsten Frauenanteil seit dem Beginn der IHR-Aufzeichnungen 2008. Zwei der Iraner, die 2024 hingerichtet wurden, seien im Zusammenhang mit den Massenprotesten nach dem Tod der jungen Kurdin Mahsa Amini 2022 bestraft worden.

Die Menschenrechtsorganisationen gehen davon aus, dass die Dunkelziffer höher ist, da sie Hinweise auf weitere Dutzende Hinrichtungen erhalten hätten, die sie nach eigenen Angaben jedoch nicht ausreichend belegen konnten. Die Islamische Republik vollstreckt jährlich so viele Todesurteile wie kein anderes Land der Welt – mit Ausnahme von China, wo es Menschenrechtsorganisationen zufolge aber keine verlässlichen Zahlen gibt.

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