Krise zwischen Sarajevo und Banja Luka

Verfassungsgericht kassiert Gesetze der Republika Srpska (RS)

  • Roland Zschächner
  • Lesedauer: 4 Min.
Der Präsident der Republika Srpska (RS), Milorad Dodik, trifft den serbischen Premierminister Vilos Vucevic in Banja Luka.
Der Präsident der Republika Srpska (RS), Milorad Dodik, trifft den serbischen Premierminister Vilos Vucevic in Banja Luka.

Ein Land im Krisenmodus: Wenn Nato-Generalsekretär Mark Rutte am heutigen Montag Bosnien und Herzegowina besucht, ist das auch eine Machtdemonstration in Richtung des Landesteils Republika Srpska (RS) und dessen Präsident Milorad Dodik. Die Nachricht ist deutlich: Sollten die Spannungen weiter zunehmen, wird die Nato die in Bosnien eingesetzte EU-Militärmission Eufor Althea unterstützen und mit eigenen Soldaten verstärken. Eufor, an der auch die Bundeswehr beteiligt ist, hat bereits am Freitag angekündigt, »ihre Truppen vorübergehend aufzustocken«. Das sei »eine proaktive Maßnahme, um Bosnien und Herzegowina im Interesse aller Bürger zu unterstützen«, wie es in einer Mitteilung heißt.

Ob mehr Soldaten oder mehr Druck helfen, die Situation zu entspannen, ist zweifelhaft. Jemand, der bislang auf Konfrontation setzte und damit scheiterte, ist der ehemalige deutsche Landwirtschaftsminister Christian Schmidt. Er liegt seit Jahren im Clinch mit Dodik, der durch immer neue Gesetze mehr Befugnisse und Macht in die Republika Srpska verlagern will, zum Unmut Schmidts und der bosnischen Regierung in Sarajevo.

Gesetze zur Aussperrung der nationalen Justizbehörden

Dieser Konflikt erreichte einen neuen Höhepunkt, als Dodik am Donnerstag vier Gesetze verabschiedete, mit denen Justiz- und Strafverfolgungsbehörden des Zentralstaats aus dem vor allem von Serben bewohnten Landesteil verbannt werden sollen. Am Freitag folgte die Antwort des Verfassungsgerichts in Sarajevo: Die Gesetze aus Banja Luka, dem Regierungssitz der Republika Srpska, wurden annulliert.

Begrüßt wurde der Richterspruch vom CSU-Politiker Schmidt. Er wurde 2021 als Hoher Repräsentant (HR) nach Sarajevo entsandt und soll dafür sorgen, dass das 1995 geschlossene Dayton-Abkommen umgesetzt und der damals erreichte Frieden gesichert wird. Dafür hat der HR weitreichende Rechte. Sie gehen so weit, dass er die bosnische Demokratie aushebeln kann – etwa durch die Ab- und Einsetzung von Politikern oder das Erlassen von Gesetzen. Deswegen werfen ihm Kritiker Neokolonialismus vor oder bezeichnen ihn als »Wesir«, angelehnt an den Posten des Statthalters in der Zeit der osmanischen Herrschaft.

»Uns in Banja Luka ist klar, dass Bosniaken aus Sarajevo einen bewaffneten Konflikt in Bosnien-Herzegowina wollen.«

Milorad Dodik Präsident der Republika Srpska

Doch Schmidts Investitur haften Makel an. Zum einen wurde er, anders als seine Vorgänger, nicht im Konsens eingesetzt, sondern gegen die Gepflogenheiten einseitig vom Westen installiert; eine Legitimation durch den UN-Sicherheitsrat steht zudem seit mehr als drei Jahren noch aus. Russland erkennt ihn ebenso wenig an wie Dodik, der gute Beziehungen nach Moskau unterhält und immer wieder Gast bei Präsident Wladimir Putin ist. Zum anderen liefert der ehemalige Gebirgsjäger Christian Schmidt immer wieder Angriffsflächen. So beschimpfte er Politiker als »Müll« oder änderte kurz vor den Parlamentswahlen deren Regeln, wovon die kroatisch-nationalistische HDZ, die Schwesterpartei der CSU, profitierte.

Schmidts fehlende Legitimation sowie diplomatische Unfähigkeit werden von Dodik als offene Flanke für die eigene Politik genutzt. Die kann, zu seinen Gunsten ausgelegt, auch als Dezentralisierung bezeichnet werden. Kompetenzen des Zentralstaats sollen in die RS geholt werden, etwa Justiz, Polizei, aber auch Staatsbesitz und Steuern. Immer wieder kam es zum Schlagabtausch, Schmidt warf der RS-Führung Separatismus vor. Dodik erließ seinerseits 2023 ein Gesetz, das die Entscheidungen Schmidts und des Verfassungsgerichts in Sarajevo in der RS für ungültig erklärte. Dafür musste er vor Gericht, am 26. Februar fiel das Urteil in erster Instanz: Dodik soll für ein Jahr in Haft, zudem ist ihm sechs Jahre verboten, sich politisch zu betätigen.

US-Regierung kritisiert Dodik

Damit verschärfte sich die Krise weiter. Bei einer Kundgebung in Banja Luka sagte Dodik: »Bosnien-Herzegowina existiert seit heute nicht mehr.« Das Urteil sei »politisch motiviert und von Hass gegen Serben getrieben«. Als Reaktion wurden in der RS die bereits genannten Gesetze gegen Justiz und Polizei erlassen. Damit werde »die verfassungsmäßige Zuständigkeit unserer Entität wieder hergestellt«, erklärte Dodik nach deren Unterzeichnung. Zugleich reichte er die Verantwortung für die anhaltenden Spannungen weiter an die muslimischen Bosnier: »Uns in Banja Luka ist klar, dass Bosniaken aus Sarajevo einen bewaffneten Konflikt in Bosnien-Herzegowina wollen.«

Doch vielleicht hat sich Dodik, der keinen Hehl aus seiner Bewunderung für Donald Trump macht, vorerst mit der Rolle der USA verspekuliert. Sie stellen sich nicht auf die Seite der RS, stattdessen ließ US-Außenminister Marco Rubio am Samstag über X mitteilen, dass Dodiks Vorgehen »die Institutionen von Bosnien-Herzegowina untergräbt und die Sicherheit und Stabilität des Landes bedroht«. Rubio rief »die Partner in der Region« dazu auf, »gegen dieses gefährliche und destabilisierende Verhalten vorzugehen«. Für Dodik sind solche Worte dagegen »Relikt der früheren US-Regierung von Joe Biden«. Für ihn ist klar: »Die RS wird nicht von ihrer Politik abrücken.«

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