Wohnungsnot trotz Studierendenwerks: Apokalypse WG

Das Studierendenwerk müsste bauen – doch dafür fehlt das Geld

Kein Platz: Tausende warten aktuell noch auf einen Platz in einem Studierendenwohnheim.
Kein Platz: Tausende warten aktuell noch auf einen Platz in einem Studierendenwohnheim.

Vor einem Monat erreichte Dorothee Braukmann, Mitglied des studentischen Verwaltungsrats des Berliner Studierendenwerks, ein Hilferuf. »Ich suche eine Wohnung, die ich mit meinem Freund teilen kann«, schrieb ihr eine Studentin, wie Braukmann am Montag im Wissenschaftsausschuss des Abgeordnetenhauses berichtet. »Ich habe nur begrenzte finanzielle Mittel«, heißt es in der E-Mail weiter. »Bislang habe ich noch keinen Job gefunden, um mich selbst zu ernähren.« Die unsichere Situation um ihren Wohnort schränke ihre Fähigkeit, sich auf ihr Studium zu konzentrieren, massiv ein. Daher bitte sie, dass ihr Antrag auf einen Wohnheimplatz schnellstmöglich bearbeitet werde.

Platzmangel, lange Wartezeiten, verzweifelte Klientel: Schon seit Längerem kann das Studierendenwerk nicht mal im Ansatz den Bedarf an studentischem Wohnraum decken. Gerade mal sieben Prozent der Berliner Studierenden wohnen in einem Wohnheim – im bundesweiten Schnitt war der Anteil doppelt so groß. Mehr als 5000 Studierende standen zu Beginn des Wintersemesters im vergangenen Oktober noch auf einer Warteliste.

Helfen konnte Braukmann der verzweifelten Studentin daher auch nicht. »Alles, was wir machen konnten, war, die Mail weiterzuleiten«, sagt sie. »Die Situation ist für uns untragbar.« Denn viele Studierende könnten sich Wohnungen auf dem freien Wohnungsmarkt nicht leisten. Sie kenne Studierende, die jeden Tag von Leipzig aus pendeln oder für Monate in Hostels wohnen, sagt Braukmann.

Doch für eine Bauoffensive müsste das Studierendenwerk deutlich mehr Geld erhalten. Zuletzt war das Gegenteil eingetreten: Im Zuge von Sparmaßnahmen verlor das Studierendenwerk knapp ein Drittel seines Budgets. Daraufhin wurde der Sozialbeitrag, den Studierende an das Studierendenwerk entrichten müssen, deutlich erhöht. Er stieg von 63 Euro auf 85 Euro. Auch die Preise in den Mensen wurden angehoben.

»Die Lücke konnte durch die Erhöhung des Sozialbeitrags aufgefangen werden – zum Glück für das Studierendenwerk, zum Pech für die Studierenden«, sagt Petra Mai-Hartung, Geschäftsführerin des Studierendenwerks. Es verbleibe aber noch immer eine erhebliche Haushaltsdifferenz. »Bei uns gibt es Unsicherheit, wie es weitergeht«, sagt Mai-Hartung. »Wir haben keine Informationen, ob weitere Kürzungen im Jahr 2026 verlangt werden.« Hinzu kämen tarifbedingt steigende Kosten und geschäftliche Risiken, die mit manchen Bauprojekten verbunden seien.

Ein Weg, die Finanzierung des Studierendenwerks auf sicherere Füße zu stellen, wäre ein Rahmenvertrag. Mit diesen Vertragswerken werden die Finanzierung und die Ziele des Studierendenwerks über vier Jahre festgeschrieben. Seit 2024 wurde kein neuer Rahmenvertrag mit dem Studierendenwerk mehr abgeschlossen. »Natürlich ist es schöner, einen Rahmenvertrag zu haben«, sagt Mai-Hartung. Das Gesetz sehe aber nur vor, dass es einen solchen Vertrag geben »soll«, nicht »muss«.

Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) signalisiert vorsichtige Zuversicht. Man wolle »Funktion und Handlungsfähigkeit« des Studierendenwerks durch einen Landeszuschuss absichern. »Wir sind sehr interessiert, einen Rahmenvertrag abzuschließen«, so Czyborra. Sie sei allerdings nicht die Einzige, die dort mitreden wolle. Haushaltspolitiker blickten zunehmend skeptisch auf langfristige Finanzierungszusagen. »Wir hoffen, dass wir uns mit unserer Haltung durchsetzen können«, sagt Czyborra.

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