ePA: Digitale Krankengeschichte auf Knopfdruck

Trotz mancher Zweifel ist euphorisch von einem Masseneinsatz der elektronischen Patientenakte die Rede

  • Lesedauer: 5 Min.
Elektronische Patientenakte – ePA: Digitale Krankengeschichte auf Knopfdruck

»Die elektronische Patientenakte ist sicher und macht bessere Behandlung und Forschung möglich«, sagt Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und verweist darauf, dass künftig wichtige Gesundheitsdaten wie Befunde, Operationen, Laborwerte und Medikamente digital gespeichert werden können und somit Millionen Versicherte sofort zur Hand haben. Bislang wurde die E-Akte (ePA) aber nur wenig genutzt. Dies hat sich inzwischen geändert. Denn die Akte startete in drei Modellregionen und in einigen Wochen soll die bundesweite Einführung folgen. »ePA für alle« – worum geht es? Dazu Fragen & Antworten.

Was bringt die E-Akte Patienten und Ärzten?

In der Akte ist die gesamte Krankengeschichte eines Patienten sozusagen per Knopfdruck einsehbar – von Behandlungen und Operationen über Vorsorgeuntersuchungen, Röntgenbilder bis zu verschriebenen Medikamenten. Mehrfachuntersuchungen oder die Unverträglichkeit von Medikamenten werden somit vermieden. Von großem Vorteil ist auch, dass behandelnde Ärzte auch bei neuen Patienten sofort sehen können, was bisher gemacht wurde, wo Risiken liegen und zusätzliche Vorsorge sinnvoll ist. Bei der Verschreibung von Medikamenten können sie zudem erkennen, ob unerwünschte Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln drohen. Auch bei Notfällen können sich behandelnde Ärzte schnell über die Lage informieren – auch wenn der Betroffene womöglich nicht ansprechbar ist. Das Zugriffsrecht der Ärzte ist auf 90 Tage begrenzt, jedoch kann die Spanne über die App verlängert oder verkürzt werden. Jeder Zugriff auf die ePA wird mit Datum und Uhrzeit protokolliert.

Wo gibt es die Patientenakte bisher?

Seit Anfang 2021 können Versicherte die elektronische Patientenakte auf freiwilliger Basis über Angebote ihrer Krankenkassen nutzen. Dem Bundesgesundheitsminister zufolge taten das aber weniger als ein Prozent der rund 73 Millionen gesetzlich Versicherten. Als Grund werden komplizierte Anmeldeverfahren und teils nicht ausgereifte Apps zur Nutzung genannt.

Was ändert sich nun konkret?

Statt aktiv die E-Akte beantragen zu müssen, bekommen gesetzlich Versicherte die Akte inzwischen automatisch. Nur wenn sie ausdrücklich widersprechen, unterbleibt dies (Opt-out). Es hätten bislang im Schnitt fünf Prozent der Versicherten einer Kasse widersprochen, so Florian Fuhrmann, Geschäftsführer der Digitalagentur Gematik, die für die technische Umsetzung der »ePA für alle« verantwortlich ist.

Wie kann ich widersprechen?

Die Krankenkassen sind verpflichtet, ihre Mitglieder über Widerspruchs-Möglichkeiten zu informieren. Die meisten Versicherten haben deshalb in den vergangenen Monaten entsprechende Post bekommen. Versicherte können in der Regel per Online-Formular oder Post an ihre Kasse der Anlegung widersprechen. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung verweist darauf, dass der Widerspruch auch nachträglich möglich ist: Die Krankenkassen seien dann »verpflichtet, die ePA inklusive aller Daten zu löschen«.

Wann kommt die ePA bundesweit zum Einsatz?

Mit der Bereitstellung der elektronischen Patientenakten zum 15. Januar starteten Praxen, Kliniken und Apotheken in drei Modellregionen – Hamburg mit Umland, Franken sowie Teile Nordrhein-Westfalens mit über 300 Praxen – mit der kontrollierten Nutzung der ePA. Nach erfolgreicher Erprobung soll sie bundesweit zum Einsatz kommen, kündigte der Bundesgesundheitsminister an und geht davon aus, dass dies »im März oder April« der Fall sein werde. Mit der technischen Anbindung werden schließlich 150 000 Gesundheitseinrichtungen befasst sein.

Was ist mit Menschen, die keine Apps bedienen können oder wollen?

Sie könnten dennoch von den Vorteilen der E-Patientenakte profitieren, auch wenn sie nicht selbst von überall auf die Daten per App zugreifen können. Denn in der Arztpraxis wäre sie abrufbar. Zudem kann die E-Akte auch über einen Desktop-Computer genutzt und in ausgewählten Apotheken oder von Berechtigten – zum Beispiel einem Familienmitglied – eingesehen werden.

Wer überträgt die bisherigen Patientendaten?

Das Gesetz verpflichtet Ärztinnen und Ärzte, Medikationsdaten, Befundberichte, Arzt- und Entlassbriefe standardmäßig in die elektronische Akte einzustellen. Weitere Informationen, auch aus vorangegangenen Behandlungen, können sie auf Wunsch ebenfalls einfügen. Die Medikationsliste wird automatisch über das elektronische Rezept befüllt. Patientinnen und Patienten können zudem auch selbst Dokumente hinzufügen. Von Vorteil ist auch, dass der Versicherte die e-Akte über eine App der Krankenkasse auf Smartphones, Tablets oder Laptops selbst einsehen und sich die Daten erläutern lassen kann. Bei einem Kassenwechsel kann man die Daten mitnehmen.

Kann ich den Zugriff auf die Akte begrenzen?

Ja. Der Zugriff kann etwa auf einzelne Praxen, Krankenhäuser oder Apotheken beschränkt werden. Laut Kassenärztlicher Bundesvereinigung ist es auch möglich, den Hausärzten zum Beispiel unbegrenzten Zugriff zu gewähren, dem Radiologen aber nur für einen Tag. Bestimmte Dokumente können von den Versicherten auch verborgen oder dauerhaft gelöscht werden.

Ein strittiger Punkt ist: Wie sicher sind meine Daten?

Die Daten werden laut Gesundheitsministerium auf sicheren Servern gespeichert und in der ePA verschlüsselt abgelegt. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen zeigt sich aber weiter besorgt über mögliche Sicherheitslücken, über die im Vorfeld der Chaos Computer Club berichtet hatte. Sie sollen bis zum bundesweiten Start der Akte behoben sein. Man werde »eine sehr sichere ePA haben«.

Können meine Daten von Pharmafirmen verwendet werden?

Ja. Ein Ziel der Reform ist es, der Pharmaforschung durch die Bereitstellung von Patientendaten im großen Stil einen Schub zu geben. Allerdings werden die Daten dabei mit Pseudonymen versehen, sodass sie den Menschen nicht mehr direkt zugeordnet werden können. Geplant ist, dass von Juli 2025 an die Daten der ePA für Forschungszwecke an eine zentrale Stelle weitergeleitet werden. Nutzer der ePA können der Datenverwendung zu Forschungszwecken jederzeit widersprechen.  dpa/nd

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.