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Proteste in Serbien: Gutes Streiken!
In Serbien spitzen sich die Studierendenproteste weiter zu
Bald vier Monate sind die Universitäten in Serbien mittlerweile besetzt. Keine Vorlesungen, keine Seminare, dafür Plena und regelmäßige Demonstrationen – so sieht der Alltag vieler Studierender in Serbien aus. Sie setzen Dauer-Präsident Aleksandar Vučić unter Druck wie keine Protestbewegung vor ihnen. Die Studierendenproteste, die als Reaktion auf den Einsturz des Bahnhofsvordachs in Novi Sad begannen, bei dem 15 Menschen starben, haben sich zwischenzeitlich auf die gesamte serbische Gesellschaft ausgebreitet.
Die nächste Großdemonstration ist für den 15. März in Belgrad geplant. Im Vorfeld spitzt sich die Lage in der serbischen Hauptstadt zu. Am 4. März protestierten Abgeordnete der Opposition im Parlament gegen die von der Regierung festgelegte Tagesordnung. Sie argumentierten, dass die Regierung nach dem Rücktritt von Premierminister Vučević kein Recht habe, weiterhin Gesetze ins Parlament einzubringen. Der Protest eskalierte, vor laufender Kamera kam es zu schweren Tumulten, Rauchbomben und Tränengasgranaten flogen.
Zwei Tage später verabschiedete die Regierung Gesetze, die einerseits die Studiengebühren bis zu 50 Prozent senken und andererseits die Mittel für Universitäten um 20 Prozent erhöhen. Vučić behauptet, damit die Forderungen der Studierenden erfüllt zu haben. Gleichzeitig verunglimpft er sie weiter: Immer wieder sprechen er und Regierungsvertreter*innen von einer »Farbenrevolution«, die in Serbien keinen Erfolg haben werde. Sie spielen damit auf die Transformationen Anfang der 2000er an. Schon damals kursierte das Narrativ von angeblich aus dem Ausland finanzierten Protesten.
Vučić und Konsorten greifen dies wieder auf und versuchen, die Proteste als eine ausländische Gefahr für Serbien darzustellen. In einem Interview mit dem öffentlich-rechtlichen Sender »RTS« orakelte Vučić am Montag, dass es bei der Großdemonstration am Samstag zu Gewalt kommen würde und betonte, dass er nicht zurücktreten werde: »Sie werden mich töten müssen, wenn Sie mich ersetzen wollen«. Im Laufe des Interviews bezeichnete die Moderatorin die Studierenden als »Mob«. Das nahmen selbige zum Anlass, noch am selben Abend das Gebäude des öffentlich-rechtlichen Fernsehens in Belgrad für 22 Stunden zu blockieren. Sie werfen den öffentlich-rechtlichen Medien einseitige Berichterstattung und Komplizenschaft mit dem Regime vor. In Novi Sad blockierten Studierende das dortige Gebäude des Senders »RTV« in Solidarität mit ihren Kommiliton*innen.
Vučić wiederholtes Gerede von bevorstehender Gewalt lässt Schlimmes für die Demonstration am Samstag befürchten. Nach Monaten der Proteste ist nicht auszuschließen, dass Vučić die Eskalation suchen wird. Die Proteste ignorieren oder mit Repression bekämpfen, scheinen die einzigen Möglichkeiten zu sein, die ihm noch offenstehen. Den Studierenden bleibt in Anlehnung an einen verbreiteten Slogan nur eines zu wünschen: Laki Štrajk! – frei übersetzt: Gutes Streiken!
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