Durch Aufrüstung steigt die Kriegsgefahr

Nichts ist falsch geworden an den Lehren aus dem Kalten Krieg

Protest vor dem Bundestag: Kein Blankoscheck für die Aufrüstung
Protest vor dem Bundestag: Kein Blankoscheck für die Aufrüstung

Als Olaf Scholz nach dem russischen Angriff auf die Ukraine vor drei Jahren die Zeitenwende ausrief und 100 Milliarden Euro zusätzlich ins Militär gepumpt wurden, ging noch ein Schock durch die Bundesrepublik: So viel Geld. So viel Kriegsgerät. Inzwischen steht zehnmal so viel im Raum – mehr als eine Billion Euro, eine Zahl mit zwölf Nullen: 1.000.000.000.000 Euro, die in den kommenden Jahren in die Kriegsertüchtigung fließen könnten –, und es sind nur einige wenige, die Nein sagen und protestieren. Die gesellschaftliche Stimmung hat sich dramatisch verändert.

Vor wenigen Jahren noch war der Gedanke absurd, Söhne, Brüder und Väter könnten eine Waffe in die Hand gedrückt bekommen und gegen andere Söhne, Brüder und Väter kämpfen. Dieser Gedanke hat vielleicht nicht seinen Schrecken verloren, aber er gilt plötzlich als reale Möglichkeit, auf die man sich vorbereiten müsse.

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Friedensbewegte haben in den vergangenen Tagen einzelne Abgeordnete abtelefoniert und beschworen, mit Nein zu stimmen. Denn die Mehrheit von Union, SPD und Grünen war ja ziemlich knapp. Was sie zu hören bekamen, war diffus – »wegen Putin«, »wegen Trump«, »weil es eben nicht anders geht«. Diffus genug, um im Bundestag mit Ja zu stimmen. Und absichtsvoll verknüpft mit einigen Hundert Milliarden Euro für die heruntergewirtschaftete Infrastruktur – um etwa noch zweifelnden Parlamentariern das Nein zu erschweren.

Bizarr: Nur wenige Stunden bevor der Bundestag den Haushalt für Rüstung freigibt, lehnen Bund und Kommunen die Forderungen der Beschäftigten im öffentlichen Dienst nach Entlastung und besserer Bezahlung ab.

Der Gedanke, Russland könne vielleicht keinen weiteren Angriff planen, wird in der aktuellen Debatte als spekulativ beiseitegeschoben. Die Annahme des Gegenteils, durch nichts belegt, gilt hingegen als Fakt, der eine hemmungslose Aufrüstung rechtfertigt. Und selbst wer befürchtet, »der Russe« könne schon morgen in Brandenburg stehen: umso mehr müsste das Gegenteil zu dem passieren, was gerade geschieht.

35 Jahre nach der Wiedervereinigung und 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs hat der Bundestag mit einer abgewählten Mehrheit eine Richtungsentscheidung getroffen, die die Nachkriegsordnung endgültig beerdigt. Ja, die politische Weltlage hat sich verändert, aber gerade weil alle Welt vergessen zu haben scheint, was schon einmal breit geteilte Einsicht war. Und nichts ist falsch geworden an den Lehren aus dem Kalten Krieg. Durch Aufrüstung steigt die Kriegsgefahr. Wer (sich) die ganze Zeit nur auf einen kommenden Krieg vorbereitet, wer Panzer baut und Soldaten ausbildet, der ist eher bereit, einen Krieg auch zu führen. Wettrüsten hat gerade nicht zu mehr Sicherheit geführt. Erst die Abkehr davon – als beide Seiten, Ost und West, auf Gespräche mit dem Feind vertrauten und begannen, in der Sprache, im Denken und ganz real bei den militärischen Fähigkeiten abzurüsten – eröffnete eine Chance darauf.

Mit der Lockerung der Schuldenbremse für Rüstungsausgaben sind diese nach oben offen. Wie viele Milliarden am Ende tatsächlich für Waffen bereitgestellt werden, das wird aber erst im neuen Bundestag ausgehandelt. An die Arbeit. Der politische Kampf ist eröffnet, diesen Wahnsinn zu stoppen.

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