BER in Berlin: Reisende kann man nicht aufhalten

Die Luftverkehrssteuer macht einen Flug ab Berlin teurer als ab Warschau oder Prag. Der Airport BER fordert ihre Abschaffung

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.
Flugreisende kann man nicht aufhalten. Statt hier vom BER zu starten, können sie auch von Prag oder Warschau in den Urlaub düsen.
Flugreisende kann man nicht aufhalten. Statt hier vom BER zu starten, können sie auch von Prag oder Warschau in den Urlaub düsen.

Wir verlieren den Anschluss. Warum ist das so? Die Kosten sind zu hoch», sagt Jens Warnken am Freitag in Potsdam. «Der Luftverkehr leidet.» Warnken ist Präsident der Industrie- und Handelskammer (IHK) Cottbus. Die 140 Kilometer nach Potsdam ist er gefahren, weil Schönefeld vor den Toren Berlins zwar weit entfernt ist vom Lausitzer Braunkohlerevier, aber dennoch zum Einzugsbereich seiner IHK gehört – und in Schönefeld befindet sich der Hauptstadtflughafen BER.

Der neue Flughafen wurde ab 2006 gebaut, sollte eigentlich nur zwei Milliarden Euro kosten und 2011 eröffnen. Nach einer beispiellosen Pannenserie verschlang das Projekt tatsächlich mehr als sieben Milliarden Euro und zog sich ewig hin. Als der Airport im Oktober 2020 endlich in Betrieb ging, wollte kaum jemand fliegen. Die Corona-Pandemie grassierte. Immerhin im laufenden Geschäft erwirtschaftet der BER seit 2022 einen Gewinn, versichert Flughafenchefin Aletta von Massenbach. Langsam abzutragen ist aber noch ein Berg von Schulden.

Das wäre einfacher, wenn es mehr Starts, mehr Landungen, mehr Passagiere gäbe und damit mehr Einnahmen. Doch der deutsche Luftverkehr erholt sich insgesamt sehr viel langsamer von den Folgen der Coronakrise als dies im europäischen Ausland der Fall ist. Die IHK und die Flughafengesellschaft machen vor allem die ihrer Ansicht nach viel zu hohe Luftverkehrssteuer dafür verantwortlich. Die sei anderswo viel geringer oder werde überhaupt nicht erhoben, erzählt Robert Rückel, Vizepräsident der Berliner IHK. Schweden habe diese Steuer gerade abgeschafft und das wirke sich dort bereits positiv aus.

«Der Luftverkehr leidet.»

Jens Warnken IHK-Präsident

Im Vergleich zu 2011, als die Bundesrepublik die Steuer einführte, sei bei den Passagierzahlen ein Minus von 4,6 Prozent zu verzeichnen, rechnet Flughafenchefin von Massenbach am Freitag vor. «Alle unsere Nachbarn, sie wachsen – zwischen 100 und 120 Prozent.» Direkte Nachbarn sind die Flughäfen von Prag, Wrocław und Warschau. Dorthin können Passagiere von Berlin aus relativ bequem mit Bus oder Bahn gelangen und dann günstig abheben. Noch entscheidender als Urlaubsreisende, die so Geld sparen möchten, ist aber das Interesse der Fluggesellschaften, möglichst viel Geld zu machen. Neue Maschinen sind nach Abgaben von Robert Rückel derzeit nicht einfach zu kaufen. Aufgrund hoher Nachfrage beispielsweise aus Indien kommen die Hersteller Airbus und Boeing mit der Produktion kaum nach.

Wenn es aber solche Lieferschwierigkeiten gibt, versuchen die Fluggesellschaften natürlich, ihre verfügbaren Maschinen so profitabel wie möglich einzusetzen. Sie wählen lieber Strecken, auf denen sie ihre Kosten gering halten und ihren Profit in die Höhe schrauben können. Sie bedienen also zuerst Flughäfen mit geringen Steuern und Abgaben, an denen darüber hinaus kein Nachtflugverbot verhindert, die Maschinen rund um die Uhr in Betrieb zu halten. In Deutschland wurde die Luftverkehrssteuer im Mai 2024 um 20 Prozent angehoben. Für einen Mittelstreckenflug werden jetzt 39,34 Euro pro Passagier verlangt, für einen Langstreckenflug 70,83 Euro.

Bei der nicht vom Staat, sondern von der Flughafengesellschaft eingestrichenen Flughafengebühr steht der BER im Vergleich mit Prag, Warschau oder Kopenhagen gar nicht schlecht da. Erst durch die Steuern wird er so teuer. Geringer könnten nach dem Geschmack Aletta von Massenbachs auch die Gebühren für die Sicherheitskontrollen sein. Sie seien in wenigen Jahren von drei auf mehr als zehn Euro pro Passagier hochgeschossen. Zwar müssen Personen- und Gepäckkontrollen sein. Doch sie könnten effizienter gestaltet werden, ist die Flughafenchefin überzeugt. Sie denkt da vor allem an technische Finessen.

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Warnken, von Massenbach und Rückel fordern von der künftigen Bundesregierung aus CDU und SPD eine Entlastung in Höhe der Luftverkehrssteuer – am besten durch deren komplette Abschaffung. Würde die Steuer nur gesenkt werden, so müssten gleichzeitig andere Abgaben gesenkt werden, damit eine Entlastung in der gewünschten Höhe herauskomme. Die drei sprechen am Freitag im Namen einer Luftverkehrsinitiative, der etwa auch Unternehmensverbände, Hotel- und Gaststättenverband und die Tourismus-Marketinggesellschaften von Berlin und Brandenburg angehören.

Bereits am Donnerstag hatte es einen ähnlichen bundesweiten Appell gegeben, den Aletta von Massenbach als Präsidentin der deutschen Flughäfen unterzeichnete. Am Freitag folgt der regionale Appell auf dem Fuße. IHK-Vizepräsident Rückel nutzt die Gelegenheit, am strikten Nachtflugverbot herumzudeuteln, das am BER von null bis fünf Uhr gilt. Es noch auszuweiten – die Anwohner wünschen sich Ruhe von 22 bis sechs Uhr – wäre «der Todesstoß», sagt Rückel. Stattdessen sollte ein Auge zugedrückt werden, wenn sich Maschinen nur wenige Minuten verspäten. Jetzt müssen sie durchstarten und nach Hannover oder Prag ausweichen. Den Lärm beim Durchstarten müssen die Anwohner dann allerdings trotzdem aushalten, erklärt Rückel.

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