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Israel-Preis: Schnell zur Stelle

Eigentlich sollte die Soziologin Eva Illouz in diesem Jahr den renommierten Israel-Preis erhalten

  • Oliver Eberhardt
  • Lesedauer: 3 Min.
Illouz, eine der schärfsten und intelligentesten Kritikerinnen der rechtskonservativen Regierung in Israel
Illouz, eine der schärfsten und intelligentesten Kritikerinnen der rechtskonservativen Regierung in Israel

Die Ablehnung war ebenso erwartet wie die Zustimmung: Schon lange hatte die Soziologin Eva Illouz auf der Warteliste für den Israel-Preis, die höchste Kulturauszeichnung des Landes gestanden. Und von Anfang an war auch klar: Das wird nicht ohne Drama über die Bühne gehen. Denn Illouz gehört nicht nur zu den renommiertesten Geisteswissenschaftlern Israels; sie ist auch eine der schärfsten und intelligentesten Kritikerinnen der rechtskonservativen Regierung von Premierminister Benjamin Netanjahu und vor allem: von deren Siedlungs- und Besatzungspolitik.

Nachdem nun bekannt gegeben wurde, dass die 63-Jährige in diesem Jahr ausgezeichnet wurde, war Bildungsminister Yoav Kisch entsprechend schnell zur Stelle, um die Jury aufzufordern, die Entscheidung zu überdenken. »Losgelöst von ihren akademischen Errungenschaften« habe Illouz sich an eine internationale Institution gewandt, »die gegen Israel, gegen israelische Soldaten und Angehörige der Sicherheitsdienste arbeitet und die Grundlagen des Staates verleumdet«.

2021 hatte Illouz gemeinsam mit 180 israelischen Akademikern und Intellektuellen die damalige Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofs Fatouh Bensouda aufgefordert, sich bei der Aufklärung von Vorwürfen in Bezug auf die Besatzung der palästinensischen Gebiete nicht auf den israelischen Staat zu verlassen. Im März 2021 hatte Bensouda offiziell Ermittlungen wegen möglicher Kriegsverbrechen in Westjordanland und Gazastreifen eingeleitet. Wegen des Gaza-Krieges erließ der Strafgerichtshof dann 2024 Haftbefehl unter anderem gegen Netanjahu und den mittlerweile abgesetzten Verteidigungsminister Joaw Galant.

Für Israels Rechte ist das ein rotes Tuch. Dass auch zehn Israel-Preisträger zu den Unterzeichnern gehörten, wurde von vielen Parlamentariern der Koalition als Beleg dafür gewertet, dass die Jury »links« ist und die Vergabe stärker reguliert werden muss. Dabei haben Eingriffe in die Entscheidungen der Jury Tradition, seit Netanjahu 2009 ins Amt kam.

Möglich ist das, weil der Bildungsminister bei der Vergabe das letzte Wort hat. Theoretisch, denn wiederholt wurde das Veto vor dem Obersten Gerichtshof angefochten, erfolgreich stets. 2021 beispielsweise sollte der Mathematiker Oded Goldreich den Preis erhalten. Aber der hatte ebenfalls Kritik an der Besatzungspolitik geübt. Erst Monate später wurde er dann in kleinem Kreis geehrt, nachdem die Höchstrichter eingeschritten waren. Ob auch im Fall Illouz Klage eingericht wird, ist unklar.

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Selbst konservative Medien sehen Eingriffe in die Preisvergabe als Angriff auf die Meinungsfreiheit, die in Israel traditionell sehr weit ausgelegt wird und auch sehr harte, teils auch beleidigende Aussagen zulässt. Regierungen müssten auch abweichende Meinungen akzeptieren, heißt es in den Kommentaren.

Allerdings: Besonders viel Aufmerksamkeit erzeugt das Thema auch nicht. Denn immerhin sind Netanjahu und seine Leute gerade dabei, die Generalstaatsanwältin zu feuern, die Justiz umzubauen und bei den nun laufenden Haushaltsberatungen die Steuern zu erhöhen und Geldgeschenke an die eigene Klientel zu verteilen.

Und immer wieder gehen Zehntausende gegen den Krieg im Gazastreifen auf die Straße, fordern einen Waffenstillstand und die Rückkehr der noch in Gaza festgehaltenen Geiseln. So sehr sich die Regierung auch bemüht, Leute wie Illouz als »israelfeindlich« und radikale Minderheit darzustellen – der Blick auf die Straße zeigt, dass sie mittlerweile zum Mainstream gehören.

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