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Es reicht nicht mehr zum Überleben
Trumps Kürzungen bei den humanitären Hilfen treffen den Kongo ins Mark
Josiane Maombi ist tagelang mit ihren acht Kindern durch Dornengebüsch gelaufen. Sie hatten Hunger und Durst, die Kinder waren erschöpft. Aber sie mussten weiter, sie mussten vor den Männern mit den Waffen wegrennen. »Wir waren froh, als wir wenigstens Plastikplanen, Trinkwasser und Latrinen vorfanden«, erzählt die 39 Jahre alte Kongolesin in einem Lager vor der Millionenstadt Goma.
Das ist zwei Jahre her. Seither wurden die Kämpfe im Osten der Demokratischen Republik Kongo noch schlimmer. Aber Menschen wie Maombi und ihre Kinder bekommen nun keine Hilfe mehr. Verantwortlich dafür ist die Politik des US-Präsidenten Donald Trump. Kaum war er im Amt, setzte er die Agentur für Entwicklung, USAID, außer Kraft. 83 Prozent der Projekte wurden eingestellt. Von der US-amerikanischen Entwicklungshilfe ist weltweit fast nichts mehr übrig. Mittlerweile hat Außenminister Marco Rubio dem Kongress die endgültige Zerschlagung von USAID bis zum 1. Juli mitgeteilt. Funktionen, die nicht mit den Zielen der Trump-Regierung übereinstimmen, werden ganz aufgegeben.
Den Ostkongo trifft das besonders hart. Dort führt die Miliz »Bewegung des 23. März« (M23) mit Hilfe des Nachbarlandes Ruanda seit vier Jahren Krieg. Milizionäre und ruandische Soldaten besetzen große Teile der rohstoffreichen Provinzen Nord Kivu und Süd Kivu. Sie haben dort sogar eigene Regierungen eingerichtet.
7,8 Millionen Kongolesen sind laut den Vereinten Nationen intern vertrieben. In keinem Land der Welt sind es mehr. Elf Millionen der 100 Millionen Einwohner sind auf Unterstützung angewiesen. Und jetzt fällt ausgerechnet die US-Hilfe weg. Die USA waren bisher der größte bilaterale Geldgeber des Kongo. USAID hat im vergangenen Jahr 1,34 Milliarden Dollar an den Kongo bezahlt. Nur die Ukraine hat mehr Geld bekommen. Dorthin flossen sechs Milliarden Dollar aus der US-amerikanischen Staatskasse. Im Kongo stammten mehr als 70 Prozent der humanitären Hilfe aus Washington.
»Wenn so ein Batzen ohne jegliche Übergangsfrist weg fällt, ist das ein Desaster für ein Land«, sagt Félicien Kabamba, Politikprofessor an der Universität in Kinshsa. Am meisten werde die arme Bevölkerung leiden. Dank USAID konnten Eltern ihre Kinder kostenlos impfen lassen, und Aids-Kranke bekamen die Medikamente umsonst. Kabamba ist sicher, dass Masern, Aids, Ebola oder Cholera nun wieder zunehmen. »Das wird viele Menschen das Leben kosten«, so der Professor.
»Der Einschnitt kam ohne Warnung, und ausgerechnet jetzt, wo unser Land eine der schlimmsten Krisen erlebt«, schimpft Odile Bulabula. Die Kongolesin leitet die Organisation Réseau d’Innovations Organisationnelles (RIO). Mit ihrem Team dokumentiert sie Fälle von sexualisierter Gewalt und hilft den Frauen, medizinische oder juristische Betreuung zu bekommen. »Vergewaltigung ist im Kongo eine Kriegswaffe«, erzählt die Menschenrechtsaktivistin. 2023 hat allein Ärzte ohne Grenzen 25 166 Überlebende behandelt. Das bedeutet, dass in jeder Stunde mehr als zwei Frauen vergewaltigt oder misshandelt wurden.
»Gerade in einem Moment wie diesem brauchen wir dringender denn je Hilfe«, sagt die Aktivistin Bulabula. Doch die US-amerikanische Entwicklungsagentur USAID hat ihrer Organisation RIO das Budget von 200 000 Dollar gestrichen. »Wir können den Frauen nicht mehr helfen«, klagt Bulabula.
Was das für die Frauen bedeutet, kann man von Esther Ciza erfahren. Sie ist 73 Jahre alt. Wie oft sie in ihrem Leben schon geflohen ist, kann die Kongolesin nicht mehr zählen. »Ich wurde fünf Mal vergewaltigt. Ich habe Verletzungen und Schmerzen im Unterleib«, erzählt sie. Ciza weiß nicht, wer die Täter waren. Es können kongolesische Soldaten oder Milizen gewesen sein.
Zu Hause, im Dorf in den Masisi-Bergen, hatte Ciza Hühner und Ziegen. Sie hat Bohnen, Kartoffeln, Sorgum, Mais und Bananen angebaut. Doch nun, auf der Flucht, hat sie nichts mehr. Ciza stellt aus Plastikresten Einkaufstaschen her, um ein bisschen Geld zu verdienen. Aber es reicht nicht zum Überleben.
Im Kongo hat USAID bisher Geld dafür gegeben, dass Binnenflüchtlinge möglichst schnell wieder Gemüse anbauen oder Kleintiere züchten können. Doch auch dafür ist die Finanzierung zusammengestrichen worden. »Die Menschen werden sich deutlich langsamer erholen. Unterernährung und Fehlernährung werden zunehmen«, befürchte Ursula Langkamp, die Landesdirektorin der Welthungerhilfe im Kongo. Die eingeschränkte landwirtschaftliche Produktion werde die Region hart treffen, da der Ostkongo von der Landwirtschaft abhänge, sagt sie.
USAID-Projekte fanden in 25 der 26 kongolesischen Provinzen statt. Die US-Amerikaner förderten unter anderem das Gesundheits- und das Bildungswesen sowie Landwirtschafts- und Umweltprojekte wie den Schutz des Regenwaldes. USAID finanzierte zudem Projekte, die benachteiligte Menschen wirtschaftlich unabhängig machen sollten, sowie die Aufklärung über demokratische Rechte.
»Die Budgetkürzungen von USAID sind lebensbedrohlich für eine halbe Million Menschen im Osten der Demokratischen Republik Kongo.« Davon ist Manenji Mangundu überzeugt. Er leitet die Projekte im Kongo für die britische Hilfsorganisation Oxfam. »Wir werden gezwungen sein, die Versorgung mit Trinkwasser und mit Latrinen zu kürzen. Das erhöht das Risiko für Cholera, Masern und Mpox«, so Mangundu. Die Kürzungen träfen ausgerechnet die Menschen, die jetzt schon verzweifelt nach Nahrung, Wasser und Unterkunft suchen.
Außer USAID hat auch der US-amerikanische Kongress manche Budgets gekürzt. So hat die Menschenrechtsorganisation Aidprofen in Goma das gesamte Budget von 75 000 Dollar für ein Projekt zur Demokratisierung verloren. »Wir haben gegen Korruption gekämpft und uns für transparente Wahlen eingesetzt«, erzählt Passy Mubalama, die Gründerin von Aidprofen. Das habe auch Folgen für den Arbeitsmarkt.
Außerdem sei die Kürzung kurzsichtig, ärgert sich Mubalama. Es müsse doch im internationalen Interesse liegen, wenn die Zivilgesellschaft in einem rohstoffreichen Land wie dem Kongo für gute Regierungsführung und für demokratische Spielregeln eintrete, findet die Aktivistin. »Dass die USA ausgerechnet Projekte zur Demokratisierung streichen, spielt weltweit sämtlichen Diktatoren in die Hände«, schimpft Mubalama. Und außerdem, so die Aktivistin, sei es »komplett unmenschlich, ein Land aufzugeben, das mitten im Krieg ist«.
Mubalama fordert, dass andere Geldgeber einspringen, um den Verlust des US-Budgets zumindest teilweise aufzufangen. Doch das ist Wunschdenken. Denn sämtliche westliche Länder kürzen das Geld für Entwicklungszusammenarbeit. Auch die neue Regierung in Deutschland wird das Budget drastisch beschneiden.
Für den kongolesischen Politikprofessor Kabamba bleibt daher nur ein Ausweg: »Die kongolesische Regierung muss sich selbst um Gesundheit, Bildung und Entwicklung kümmern.« Doch Kinshasa hat andere Prioritäten. Nach Angaben des Stockholmer Internationalen Friedensforschungsinstituts Sipri verdoppelte die kongolesische Regierung 2023 die Militär-Ausgaben auf 794 Millionen Dollar. Keine andere Regierung auf der Welt hat das Militärbudget prozentual mehr erhöht.
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